Das neue baselstädtische Kulturleitbild fordert von den Institutionen mehr betriebswirtschaftliches Denken und mehr Rechtfertigung. Macht das Sinn?
Es ist ein schwer verdaulicher Packen Papier, der diese Woche auf den Redaktionstischen landete. Das in schwerfällig akademischem Jargon verfasste 90-seitige Basler Kulturleitbild liest sich wie ein Lehrbuch für Kulturmanagement – gespickt mit soziologischem, kultur- und medientheoretischem Vokabular.
Wer darin sucht, was Kultur auch noch kann (nämlich berühren, experimentieren, herausfordern und irritieren), wird enttäuscht: In diesem Leitfaden, der die Basler Kulturförderpolitik bis 2017 bestimmen wird, ist wenig von Wünschbarem, Überraschendem, Nötigem die Rede – dafür viel von «Qualitätsmanagement», «Beobachtungs- und Steuerungssystemen», «Controlling- und Potenzialgesprächen». Das tönt alles sehr abstrakt und distanziert und wird manchem Kulturschaffendem Schauer über den Rücken jagen.
Doch wir wollen fair bleiben. Die Erwartungen an dieses Kulturleitbild, das «Sinn stiften», «Vertrauen bilden» und «Transparenz schaffen» will, waren von Beginn weg viel zu hoch. Das Konzept ist entstanden, weil es das Kulturförderungsgesetz so verlangt: ein Regierungspapier, das verschiedensten verwaltungsinternen Ansprüchen genügen musste. Und so präsentiert sich denn auch dessen Inhalt: Fleissig werden die diversen Kultursparten aufgezählt, analysiert und gewürdigt. Was die Kulturschaffenden aber am meisten interessieren würde, nämlich wie viel und welche konkrete Förderung in den einzelnen Bereichen zu erwarten ist – diese Informationen bleibt das Leitbild schuldig. Schlicht jede Form des kulturellen Ausdrucks ist «bemerkenswert» und förderungswürdig. Förderschwerpunkte und kulturpolitische Prioritäten werden nicht gesetzt. Das wirkt mutlos und klingt ein wenig nach Wischiwaschi.
Konkret – und brisant – wird das Leitbild erst dort, wo es um die Kriterien der Mittelverteilung geht. So erwartet der Regierungsrat künftig von den subventionierten Kulturinstitutionen mehr «betriebswirtschaftliches Denken». Dank neuer Instrumente der «Qualitäts- und Wirkungskontrolle» und striktem «Monitoring» soll die Erfüllung der Leistungsvereinbarungen besser überprüfbar werden.
Kurz: Wer Geld vom Staat erhält, wird dies besser rechtfertigen müssen. Ein Paradigmenwechsel, der bei der Vernehmlassung des Leitbildentwurfs von Kulturschaffenden und diversen politischen Parteien heftig kritisiert wurde.
Tatsächlich birgt die Hinwendung zu mehr «Nachfrageorientierung in der Kulturförderung», wie es im Leitbild heisst, auch Gefahren. Kulturchef Bischof wird nicht müde zu beteuern, dass Besucherzahlen und Budgetdisziplin nicht zum Mass aller Dinge würden. Er wird an diesem Versprechen gemessen werden. Denn für reine Mainstream- und Eventkultur braucht es kein Kulturleitbild und keine staatliche Förderung.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 20.04.12