Bei einem Nein droht ein Prämienanstieg

«Wie kann man nur so blöd sein und auf eine freie Arztwahl verzichten?» Diesen Vorwurf höre ich oft von Gegnern der Vorlage. Die Antwort ist einfach: Ich wünsche mir nicht nur ­tiefere Gesundheitskosten, sondern auch eine bessere Behandlungsqualität. Managed Care bringt beides.

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«Wie kann man nur so blöd sein und auf eine freie Arztwahl verzichten?» Diesen Vorwurf höre ich oft von Gegnern der Vorlage. Die Antwort ist einfach: Ich wünsche mir nicht nur ­tiefere Gesundheitskosten, sondern auch eine bessere Behandlungsqualität. Managed Care bringt beides.

Erste Anlaufstelle bei gesundheit­lichen Problemen ist und bleibt für mich meine Hausärztin. Damit bin ich in bester Gesellschaft: Gemäss einer repräsentativen Umfrage des Internetvergleichsdienstes Comparis machen es heute 85 Prozent der Bevölkerung genauso. Die Hausärztin kennt mich nicht nur am besten, sie kann dank ­ihrer Erfahrung und ihrem Wissen auch beurteilen, wann sie besser ­welchen Spezialisten beizieht.

Das ist nicht nur günstiger, sondern auch effizienter. Würde ich direkt zum Spezialisten gehen, müsste ich wohl umfangreiche Abklärungen über mich ergehen lassen. Ich würde nicht nur kräftig an der Prämienspirale mit­drehen, der direkte Gang zur Spezialarztpraxis wäre auch nicht ohne Risiko. Ich würde mich leicht zu unnötigen ­Diagnoseverfahren oder Eingriffen überreden lassen.

Mein Berufskollege Urs P. Gasche, aus­gewiesener Gesundheitsjournalist und ehemaliger Leiter der TV-Sendung «Kassensturz», hat schon vor Jahren nachgewiesen, dass in Regionen mit überdurchschnittlich vielen Spezialisten nicht nur die Prämien in die Höhe schnellen, sondern auch die Zahl un­nötiger Eingriffe explodiert: Je mehr gynäkologische Chirurgen in einer ­Gegend sind, desto mehr Frauen lassen sich die Gebärmutter entfernen.

Je mehr Herzspezialisten es gibt, desto häufiger unterziehen sich Patienten ­riskanten Herzeingriffen. Der Fluch dabei: Als Patient fühle ich mich gut umsorgt, glaube, der Spezialist habe mich vor dem Schlimmsten bewahrt, doch ein gesundheitlicher Vorteil ­dieser Überbehandlung lässt sich in diesen Gegenden nicht nachweisen – im ­Gegenteil: Jeder Eingriff ist auch ein Risiko für mich als Patienten.

Spezialisten verdienen an jeder unnötigen Untersuchung

Dass die Spezialisten unter den ­Ärzten, die schon heute viel mehr ­verdienen als die Hausärzte, keine Freude an dieser Vorlage haben, ist nachvollziehbar. Je mehr Untersuchungen, Abklärungen und Behandlungen sie vornehmen, desto höher ist ihr Einkommen. Das ist grotesk. Wer ­würde bei einem defekten Schlauch der Waschmaschine einen Monteur be­stellen, der gleich noch die Trommel auswechselt und den Motor revidiert?

Im Unterschied zu heute wird sich meine Hausärztin einem Netzwerk von Ärzten anschliessen: Teamwork vom Hausarzt über das Spital bis hin zur Rehabilitation werden verbindlich. Die Qualität wird besser messbar und transparenter. Das Netzwerk bekommt von der Krankenkasse für alle Patienten zusammen ein Budget, ist also an einer effizienten, aber auch guten Behandlung interessiert. Eine Unterversorgung muss ich nicht befürchten, denn wenn mich meine Hausärztin nur minimal behandelt, komme ich wieder und wieder. Das lohnt sich nicht.

Bei einem Nein zu Managed Care an der Urne hingegen werden noch mehr Spezialärzte bei uns Praxen eröffnen und sich an der Grundversicherung bedienen. Die jetzt schon unverschämt hohen Prämien werden noch mehr steigen. Das ist unsozial und trifft den Mittelstand, der ohne Prämienverbilligungen auskommen muss, am härtesten.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 01.06.12

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