Die Blockchain, nicht Trump war das eigentliche Thema Nummer 1 am diesjährigen WEF. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die versammelte Wirtschaftselite einiges auf sie setzt. Nicht zuletzt viel Geld.
Aber was heisst Blockchain? Rein technisch ist es eine digitale Datenbank, die von verschiedenen Menschen und Parteien genutzt werden kann – ohne, dass diese ein Vertrauensverhältnis zueinander zu haben brauchen. Letzteres ist zentral: Die Integrität der Datenbank bleibt auch so gewährleistet.
Damit entfällt in der Theorie die Notwendigkeit einer zentralen Kontrollinstanz. Das weckt Fantasien und Begehrlichkeiten: Wenn Vertrauen outgesourct wird, werden Zwischenhändler und Kontrolleure überflüssig.
Aufbruch! Die Beraterfirma McKinsey verspricht nicht weniger als ein neues globales Netzwerk für Transaktionen. Blockchain, das «digitale Medium für Werte». Alles, was einen Wert hat, könne an die digitale Kette gehängt werden: Geld, Waren, Wählerstimmen, Identitäten, geistiges Eigentum, und so weiter. CEOs und der öffentliche Sektor müssten sich schleunigst mit der Blockchain beschäftigen, rät McKinsey.
Längst investieren die Schweizer Grossbanken wie UBS und CS in Blockchain-Lösungen. Nicht weil virtuelle Währungen ihr Geschäft ernsthaft bedrohen. Sondern weil dezentrale Buchführungssysteme weitere Automatisierung von verbreiteten Arbeitsprozessen versprechen, sprich: weitere Einsparungen.
Der Schritt von totaler Transparenz und Sicherheit hin zu totaler Kontrolle ist womöglich nur ein kleiner.
Kaum ein Bereich, in dem nicht an Blockchain-Lösungen getüftelt wird. Das Uno-Welternährungsprogramm verteilt, unterstützt von der Blockchain, Essen an Flüchtlinge. Umweltschützer in Brasilien überschreiben Land in die Blockchain: Betrug und Abholzung des Regenwaldes sollen so verhindert werden. Grossverteiler übertragen gleich die gesamte globale Warenkette in die digitale Kette – totale Transparenz vom Acker bis zum Supermarkt, heisst das PR-Versprechen.
Die Gemeinde Zug, das zeigt unser Ausflug ins Schweizer «Crypto Valley», codiert Identitäten in die Blockchain – und setzt so auf eine blockchainbasierte elektronische ID.
Alles zum menschlichen Wohl also? Die konkreten Anwendungen stecken noch in den Kinderschuhen. Doch der Schritt von totaler Transparenz und Sicherheit hin zu totaler Kontrolle ist womöglich nur ein kleiner. Wenn alles, was irgendwie «wertvoll» ist, wenn unser Wirtschafts- und Wertesystem digital festgeschrieben werden: Zementieren wir damit auch die Verhältnisse auf alle Zeiten?
Vili Lehdonvirta von der Oxford University geht jedenfalls nicht davon aus, dass die Blockchain echte Veränderungen der Wirtschafts- und Machtverhältnisse hervorbringt, wie von einigen Crypto-Aficionados erhofft. Andere Skeptiker misstrauen dem Hype grundsätzlich. Dass es noch keine verbreitete Anwendung gibt, für die es zwingend die Blockchain brauche, zeige nur, dass die Technologie die sprichwörtliche Lösung auf der Suche nach einem Problem sei.