Die Unter- und Mittelschicht blutet, aber die obersten 10 Prozent profitieren weiter, schreibt unser Gastkommentar und nennt das Sparpaket einen Hüftschuss, der das Ziel verfehlt und das wahre Problem kaschiert.
Das Baselbieter Sparprogramm ist eine überstürzte Sparübung. Ein krudes Sammelsurium von Sparoptionen, welche derart schwach auf den Beinen stehen, dass sie die unmittelbar nächsten politischen Hürden nicht schaffen werden. Es ist unklar, wieso die bürgerliche Regierung diesen Hüftschuss lanciert. Will man den Einwohnerinnen und Einwohnern einen deftigen und schockartigen Denkzettel verpassen?
Schlauer und zielführender wäre es gewesen, wenn man eine Sparstrategie für die kommenden fünf Jahre entwickelt hätte und dem Sparpaket ein Wachstumspaket mit Entwicklungsstrategien beigestellt hätte. Damit hätte man dem gemeinen Volk auch aufzeigen können, wohin die Reise geht. Dies ist umso dringlicher, weil das Sparvorhaben der Regierung ausschliesslich auf dem Buckel der Unter- und Mittelschichten stattfindet.
Wieder einmal werden die oberen 10 Prozent der Bevölkerung geschont – Steuererhöhungen sind offensichtlich tabu – und die Wirtschaft wird bei der laufenden Legislatur mit weiteren steuersenkenden Unternehmensreformen und Massnahmen bei Laune gehalten.
Die verantwortlichen Direktoren verwalten nur den Stillstand.
Die amtierenden Regierungsräte zeigen mit ihrem Vorhaben, wie fantasie- und hilflos, ja, wie unklug sie derzeit politisieren. Die verantwortlichen Vorsteher und Direktoren können der wirtschaftlichen Stagnation im eigenen Kanton nichts entgegensetzen und sind ausserstande eine Politik zu lancieren, welche nachhaltiges Wachstum und allgemeine Prosperität generiert.
Sie verwalten den Stillstand und erklären das finanzielle Desaster des Kantons und die daraus resultierenden Defizite als strukturelle Defizite, welche nicht mit einem Umbau und mit Neuentwicklungen kuriert werden müssen, sondern mit einem Leistungsabbau nach Handgelenk mal Pi.
Einer Rezeptur, welche, wie wir zwischenzeitlich wissen, auch in Griechenland zur Ankurbelung der Wirtschaft nicht funktioniert hat. Damit eliminieren die Bürgerlichen alle sozialen und bildungspolitischen Errungenschaften der Vergangenheit, ohne dass sie dafür Alternativen anbieten.
Einzige Zielvorgabe ist bei ihrem Tun ein schlanker (und nach bürgerlicher Lesart: entschlackter) Staat. Dabei hätte die Entwicklung des Kantons Baselland Verbesserungspotenzial nach oben. Dieser potenziellen Entwicklung steht jedoch eine kantonale Wirtschaftsförderung im Weg, welche diesen Namen nie verdient hat.
Dauer-Subventionierung der Wirtschaft und erfolglose Wirtschaftsförderung
Seit Jahren agieren bürgerliche Politikerinnen und Politiker völlig erfolglos als sogenannte Wirtschaftsförderer. Jüngstes Highlight: Der Rückzug der Firma Biogen, eines US-amerikanischen Biotechnologiekonzerns, welcher in Pratteln eine Milliarde für einen Schweizer Firmensitz investieren wollte. Man hat das Angebot vertrödelt. In «Salina Raurica», einer riesigen Wirtschaftsbrache bei Pratteln, wird seit 14 Jahren geplant und evaluiert.
Aber noch ist das Areal zu grossen Teilen wirtschaftlich nicht erschlossen und entsprechend nicht planungsreif. Ein riesiges Desaster, weil hier die Chancen für eine nachhaltige und rasche Entwicklung auf dem Serviertablett liegen würde. Dies gilt ebenfalls für das über 400’000 Quadratmeter grosse Industrieareal im Birsfelder Hafen. Die dort ansässigen Firmen zahlen, wie eine Recherche der BaZ gezeigt hat, lediglich 10 Franken Pachtzins pro Jahr und Quadratmeter.
Aber auch nach Bekanntwerden dieses Schnäppchenpreises, welcher den dort ansässigen und global agierenden Firmen als Dauer-Subventionierung zugestanden wird, zucken die Politikerinnen und Politiker lediglich mit den Schultern und verweisen im Nebensatz schamlos auf das subventionierte U-Abo und das entsprechende 25-Millionen-Sparpotenzial. Offensichtlich scheint es sinniger, beim U-Abo (und damit auch bei der Förderung des öffentlichen Verkehrs) zu sparen, als die hoch subventionierten Baurechtszinsen ernsthaft in Frage zu stellen. Ein Armutszeugnis der Politik.
Kurzum: Das 188 Millionensparpaket der bürgerlichen Regierung ist ein Schlag ins Leere. Eine Bankrotterklärung der Politik und ein Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Aufgaben und den immer noch nicht genutzten Zukunftschancen.
Pegoraro locker leicht, Weber auf der Suche, Reber ohne Beitrag und Gschwind denkt an die bildungsfernen Rambassen.
Ungeachtet möglicher Sparanstrengungen plant Sabine Pegoraro locker (und unter den aufmunternden Zurufen der Basler Regierung) Umfahrungsstrassen in Milliardenhöhe und priorisiert damit den Privatverkehr, während das erfolgreiche U-Abo gestrichen werden soll.
Thomas Weber scheint im Kreis der bürgerlichen Regierungsräte der Hilfloseste zu sein, auch wenn er kürzlich mit seinem Vorschlag einer gemeinsamen Spitalpolitik punkten konnte. Er weiss nämlich immer noch nicht, wo die millionenschweren Defizite in der Spitalpolitik herkommen. Die jährlich wiederkehrenden negativen «Wachstumsraten» im Gesundheitswesen sind aber, sowohl für die SteuerzahlerInnen als auch für unsere Prämien, unhaltbar und ruinös. Hier wird Geld in einen undurchschaubaren Apparat verlocht. Geld, welches dem Konsum des Einzelnen entzogen wird und an Kaufkraft verloren geht.
Mit viel Brimborium und der Mithilfe eines namhaften PR-Profis & Blogmasters hat Thomas Weber das Naheliegendste jetzt angekündigt und fasst eine gemeinsame Spitalpolitik mit Basel-Stadt ins Auge. Er hofft damit, dass die Basler Regierungskollegen seine Probleme lösen und vielleicht endlich der Zukunft des Bruderholzspitals eine Absage erteilen. Es ist ganz offensichtlich das Bruderholzspital, welches seit Jahren essenziell zur defizitären Spitalpolitik beiträgt. Also weg damit und im Gegenzug das Areal für attraktiven Wohnungsbau freigeben. Nein, keine Villen für den Geldadel, sondern Mehrfamilienhäuser und genossenschaftliche Wohnbauten für normale Menschen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Isaac Reber wird uns weiterhin als Non-Valeur in Erinnerung bleiben. Sein Spareinsatz wird sich auf eine reduzierte Polizeipräsenz beschränken.
Zu guter Letzt müssten wir uns von der neuen Bildungspolitikerin und Regierungsrätin Monica Gschwind einen Bildungsabbau im grossen Stil gefallen lassen. 25 Millionen Franken weniger soll eine entschlackte Universität künftig kosten. Einige Fächer und Studienrichtungen finden die eher bildungsfernen Rambassen sowieso gänzlich überflüssig. Soviel zur Ansage. Das letzte Wort wird dabei wohl noch lange nicht gesprochen sein.
Der bürgerliche Liberale, als Humanist und Bildungsbürger, scheint im Baselbiet ein Auslaufmodell.
Ganz nebenbei wird die Kulturpolitik und mit ihr die kulturellen Aktivitäten im Kanton von Gschwind zur Marginalie degradiert. Dafür braucht es dann zukünftig nicht einmal mehr einen Kulturamtsleiter. Eine entsprechende Anstellung liegt immer noch auf Eis, oder ist zwischenzeitlich klammheimlich ausgesetzt worden. Wir wissen es nicht, geben aber zu bedenken, dass auch für die bürgerlichen PolitikerInnen das aktuelle (und von ihnen mitgetragene) Kulturleitbild bis 2017 immer noch in Kraft ist und daran wird nicht gerüttelt.
Bürgerliche Ignoranz hin oder her, aber soviel kulturelle Misanthropie ist unerträglich. Der bürgerliche Liberale, als Humanist und Bildungsbürger, ist scheinbar in dieser Gegend ein Auslaufmodell. Im Zeichen des Raubtierkapitalismus wird zukünftig auch bei der FDP nur noch nach neoliberalen Grundsätzen bei der Wirtschaft optimiert und bei den staatlichen Leistungen abgebaut und eliminiert. Schöne neue Welt!
Die Opposition verteidigt nur die Pfründe
Erstaunlich ruhig ist es derweilen bei der Opposition. Die Grünen lecken ihre Wunden und sind mit ihrer nachhaltigsten Identitätskrise beschäftigt. Sie versuchen die vollständige Auflösung durch dauerhaftes Schweigen zu überwinden. Die SP erholt sich derweilen in der Toskana oder in Südfrankreich vom Schock und irrlichtert nach der Oppositionsrolle.
Ein leicht überforderter SP-Präsident, gefolgt von einer Kopräsidentin, soll die Sache jetzt richten und versucht mit dem Mut des Verzweifelten sich politisch über Wasser zu halten und seine träge, in die Jahre gekommene Mannschaft zu mobilisieren. Kein leichtes Unterfangen, sind doch die meisten Genossinnen und Genossen zufrieden, wenn sie ihre eigene Stellung halten können. Eine eigene Wirtschaftspolitik liegt da nicht drin. Man wird zusammen mit den Personalverbänden die persönlichen Pfründe bewirtschaften und den Status Quo verteidigen.
Vielleicht könnten die Basler helfen?
Man kann die Baslerinnen und Basler eigentlich nur um Verständnis und Nachsicht bitten. Die schiere Hilflosigkeit der Baselbieter Regierung ist deutlich spürbar und hat zu dem unsäglichen Sparpaket geführt. Gut: Das Sparpaket wird keinen Bestand haben und wird in grossen Teilen zurückgewiesen werden. Trotzdem bleibt natürlich ein grosser Handlungsbedarf und dafür braucht die Baselbieter Politik städtischen Support. Neue Ideen sind gefragt. Tragfähige Strategien müssen auf den Tisch.
Wie wäre es, wenn die Basler Schwester- oder Bruderparteien ihre Gspönli aus dem Baselbiet zur Brust nehmen und die mit Klischees behafteten Pfade verlassen würden, um in gemeinsamen Klausuren regionale Lösungen zu generieren.
Vielleicht als kleine Entschuldigung oder als Hoffnungsschimmer: Das Baselbiet besteht nicht nur aus beratungsresistenten Rambassen, sondern es gibt in der stadtnahen Agglomeration Menschen, welche konstruktiv und partizipativ agieren können und regionalen Lösungen gegenüber aufgeschlossen sind. Man sollte es wenigstens versuchen.
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