Der Bundesrat kürzt ab 2015 die Kontingente für ausländische Spezialisten. Insbesondere beide Basel kritisieren das. Dabei muss das veraltete System schon lange entrümpelt werden.
Die Zahlen stehen in krassem Widerspruch. Basel-Stadt darf pro Jahr nur 73 Bewilligungen für Daueraufenthalte für Fachkräfte aus Drittstaaten ausgeben – so sieht es der Verteilschlüssel des Bundes vor. Was darüber hinaus anfällt, muss der Kanton aus der Reserve des Bundes beantragen.
Und das ist eine ganze Menge: In den vergangenen Jahren kamen nach Auskunft des Basler Amts für Wirtschaft und Arbeit jeweils hunderte dieser Zusatzgesuche dazu. Insgesamt wurden ansehnliche 400 bis 500 dieser B-Bewilligungen erteilt.
Man rechne: Das ist knapp das Siebenfache des ursprünglichen kantonalen Kontingents.
Hunger nach Fachkräften
Vor allem die Pharma-Branche, der Motor hiesiger Wertschöpfung, hat einen unheimlichen Hunger nach Fachspezialisten. Sei es aus Indien, China, Japan oder den USA: Die Arbeitskräfte all dieser Länder gehören just jenen Kontingenten an. Und die Nachfrage ist gross.
Ausgerechnet hier führt der Bund nun einen harten Schlag aus: 2000 dieser Arbeitsbewilligungen werden ab 1. Januar 2015 gestrichen. Auf nationaler Ebene können nur noch 4000 Kurzaufenthalts- und 2500 Aufenthaltsbewilligungen an Personen aus Drittstaaten erteilt werden. Auch die Kontingente für Dienstleistungserbringer aus EU/EFTA-Staaten reduziert der Bund. Es gibt nur noch 2000 Bewilligungen für Kurzaufenthalter und 250 Bewilligungen für Aufenthalter.
Grosser Einschnitt – aber in kleinem Feld
Kein Wunder schreien die Kantone auf, allen voran die beiden Basel. Noch am Dienstag verabschiedeten sie ein Schreiben an den Bund. Die Umsetzung soll wirtschaftsverträglich erfolgen, die Kontingente sollen bei Bedarf erhöht werden können. Sie formulieren die Angst, dass die Entwicklung einer immer noch brummenden Branche behindert wird – und die Unternehmen letzten Endes abziehen.
Der Bundesratsentscheid löst überall Kopfschütteln aus. Wirtschaftsverbände äussern sich irritiert, die Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz formulierte ihr Befremden deutlich. Und keiner wusste so recht, was mit dem Entscheid anzufangen sei.
Denn warum sollte der Bund ausgerechnet bei den Hochspezialisierten die Schraube anziehen, die den kleinsten Teil der Zuwanderung ausmachen? Warum nicht gleich bei den EU-Staaten ansetzen? Selbst die SVP, die die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative mit Nachdruck einfordert, nannte die Massnahme einen «Tropfen auf den heissen Stein».
Ein Relikt der Geschichte
Fakt ist: Der Bundesrat fasst einen alten Zopf an. Allein der Verteilschlüssel der Spezialistenkontingente ist ein Relikt. Das zeigt das Beispiel Basel-Stadt: Wenn das Siebenfache eines zugeteilten Kontingents genutzt werden muss – und dieses zu allem hin auch immer noch bewilligt wird –, läuft irgendetwas schief. Über all die Jahre hinweg wurde der Schlüssel nie den Realitäten angepasst.
Die Wirtschaft wächst, und die Politik hielt nicht mit. Basel, Zürich und Genf: Diese drei Wirtschaftsmotoren haben alle einen gewaltigen Bedarf an Spezialisten, der allein mit inländischen Fachkräften nicht abzudecken ist.
In Basel ist es die omnipräsente Pharmabranche, in Zürich und Genf benötigt allein der Finanzsektor eine grosse Menge an hochqualifiziertem Personal. In einer Menge, die die Schweiz allein kaum stemmen kann.
So sind es wiederum die Wirtschaftsmotoren wie Basel, die die Suppe auslöffeln. Schliesslich will der Bundesrat mit der Massnahme ein Zeichen setzen und zu verstehen geben, dass er die Signale aus der Bevölkerung verstanden habe, wie Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) vergangene Woche sagte. Die Regierung habe im Spannungsfeld zwischen Zuwanderungsskepsis und den Bedürfnissen der Wirtschaft entschieden.
Verbündete vor den Kopf gestossen
Aber allein wegen dieser «Zuwanderungsskepsis» gleich handfeste Kontingente zu kürzen: Das ist eine Massnahme, die die Verbündeten bei der Umsetzung einer Masseneinwanderungsinitiative – nämlich die Kantone – zu hart vor den Kopf stösst.
Viel näher liegt die Notwendigkeit, dass der Bund ein veraltetes föderalistisches System entrümpelt. Ein System, in dem allein Basel-Stadt pro Jahr offiziell 73 B-Bewilligungen selbständig vergeben darf – und das jährlich um ein Vielfaches überschreitet. Während der Bund den Zusatzbedarf freigiebig aus seiner umfassenden Reserve bewilligt.
Es geht also nicht in erster Linie darum, dass nun auf indische IT-Spezialisten oder US-amerikanische Top-Chemiker verzichtet werden soll. Es geht vielmehr darum, eine Lösung zu finden, wie ein seit Jahren nicht angetasteter Zopf der Schweizer Migrationspolitik abgeschnitten werden kann.
Sachlösung – keine Angstlösung
Und es geht darum, wie überhaupt eine Kontingentierung aussehen kann, die die Bezeichnung sinnvoll verdient hat; eine Kontingentierung, die sich nicht nach veralteten und gutföderalistischen Verteilschlüsseln richtet. Sondern die im Sinn der Wirtschaft aktiv gefördert und gesteuert werden kann.
Aber auch eine Lösung, die nicht auf am Parteitisch formulierten Ängsten beruht oder auf einer vagen «Zuwanderungsskepsis», was auch immer der Bundesrat damit meinen mag.