Eine DNA-Datenbank für «gewisse Asylbewerber» und ein CVP-Präsident, der die Sicherheit über unsere Grundrechte stellt: Die Schweizer Politik begibt sich auf einen gefährlichen Weg.
Wir haben Orwell gelesen, die verstörenden Visionen von Philip K. Dick und wir dachten immer: Zum Glück ist das Literatur. Zum Glück leben wir in einer Welt, die ihre dunkelsten Tage hinter sich hat. Die Aufklärung hat die Menschen zu Individuen gemacht, hat ihnen Privatsphäre und unverhandelbare Grundrechte gegeben.
Das scheint Christophe Darbellay und seine Christdemokraten nicht gross zu kümmern. Der CVP ist im Moment jedes Mittel recht, um sich einer nicht näher definierten Volksmeinung anzubiedern: Dank der CVP wurde der Zugang zum Bürgerrecht kürzlich verschärft, wurde die Schraube im Asylwesen weiter angezogen, und dank der CVP konnte die SVP während der Sondersession zu Schengen von dieser Woche wenigstens ein paar Punkte gegen die Asylbewerber landen.
Der bedenklichste war die Annahme der Motion von CVP-Präsident Darbellay, der eine DNA-Datenbank für «gewisse Asylbewerber» fordert. Darbellay sagt natürlich nicht explizit, nach welchen Kriterien diese Asylbewerber präventiv und ohne Verdachtsmoment in die DNA-Datenbank aufgenommen werden sollen – aber zwischen den Zeilen wird es mehr als deutlich: Erstes Kriterium ist die Ethnie eines Asylbewerbers.
«Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten»
Das ist nicht nur rassistisch – es ritzt auch an den zentralen Errungenschaften der Aufklärung. In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» kritisiert Darbellay den Bundesrat für die Ablehnung seiner Motion – mit dem Verweis auf die Grundrechte: «Dass der Bundesrat die Grundrechte immer über unsere Sicherheit im Alltag stellt, das finde ich falsch.»
Die Umkehr dieser Prioritäten ist gefährlich. Sie ist der Beginn jeden Überwachungsstaats und ist auch der Grund dafür, warum beispielsweise in den USA seit dem 11. September die Grundrechte nichts mehr gelten. Die Argumentation von Darbellay läuft auf den gefährlichsten Satz unserer Zeit hinaus, dem wohl wichtigsten Satz der nächsten Jahre. Er lautet: «Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten.» Damit lassen sich Datenbanken für Asylbewerber legitimieren, für sämtliche Fussballfans, für alle jungen Männer zwischen 16 und 25, die nachweislich am meisten kriminelle Energie in sich spüren, ja, eigentlich für überhaupt alle.
Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten. Eine aufgeklärte Gesellschaft muss alles dafür tun, diesen Satz zu widerlegen, ihn zu bekämpfen und seine Bedeutung umzukehren: Es ist eine unserer nobelsten Errungenschaften, dass wir alle etwas verbergen dürfen. Dass wir niemanden mehr nur wegen seines Geschlechts, seiner Rasse oder seiner äusseren Erscheinung verdächtigen oder einsperren. Die Generationen vor uns haben unter grossen Opfern genau dafür gekämpft. Es braucht hoffentlich mehr als einen Darbellay und die CVP, um uns das wieder zu nehmen.