Der Maidan verliert die Wahl

Die Präsidentschaftswahl in der Ukraine hat Züge einer Farce. Einmal mehr werden die alten Eliten das Rennen unter sich ausmachen.

Die Ukrainerinnen und Ukrainer wählen am 25. Mai einen neuen Präsidenten. Separatisten fordern zu einem Wahlboykott auf. (Bild: KEYSTONE / FILIP SINGER)

Die Präsidentschaftswahl in der Ukraine hat Züge einer Farce. Einmal mehr werden die alten Eliten das Rennen unter sich ausmachen.

Im EU-Wahlkampf musste im Zweifel die Ukraine herhalten, wenn überzeugte Europäer für ihre Sache warben. «Nur gemeinsam sind wir stark», lautete die Botschaft an alle Euroskeptiker. Was diese Gemeinschaft wert sei, zeige sich im Osten Europas. In Wirklichkeit zeigt sich dort etwas Anderes: der hohe und doch begrenzte Wert von Wahlen für die Demokratie.

Viele Defizite

Wenn die Ukrainer am Sonntag über ihren Präsidenten entscheiden, tun sie dies zum dritten Mal seit der Revolution in Orange des Jahres 2004 in einer leidlich freien und fairen Abstimmung. Es gibt bei dieser Wahl viele Defizite. Im umkämpften Osten des Landes werden Millionen Ukrainer nicht an die Urnen gehen können. Das ist mehr als ein Schönheitsfehler. Es ist ein dauerhafter Makel für den neuen Präsidenten.

Zur Wahl stehen ein «Schokoladenzar», eine «Gasprinzessin» und der «König von Donezk».

Ähnlich fatal ist, dass die alten Eliten das Rennen einmal mehr unter sich ausmachen. Die drei Favoriten – der «Schokoladenzar» Petro Poroschenko, die «Gasprinzessin» Julia Timoschenko und der Finanzmagnat Serhi Tigipko – gehören allesamt zum Kreis der berüchtigten Oligarchen, die seit dem Zerfall der Sowjetunion Geld und Macht angehäuft haben. Entscheidend mitreden wird bei der Neuordnung in Kiew auch der «König von Donezk», Rinat Achmetow.

Die Revolutionäre werden verlieren – egal, wer die Wahl gewinnt.

Sie alle repräsentieren jenes korrupte Denken und Herrschen, das die Ukraine in den vergangenen zwei Jahrzehnten an den Rand des politischen, wirtschaftlichen und moralischen Ruins geführt hat. Genau dagegen waren die Revolutionäre im Winter auf den Maidan geströmt. Am Sonntag erleiden sie in jedem Fall eine Niederlage – ganz gleich, wer gewinnt.

Es ist eine schwache Ausrede, auf die Krim-Krise und die Bedrohung durch Russland zu verweisen. Selbstverständlich müssen Demokratien wehrhaft sein. Aber es ist ein Armutszeugnis, dass sich kein Kandidat gefunden hat, der sich nicht nur auf Macht stützen kann, sondern vor allem auf Charakter, Können und Argumente.

Trotzdem siegt die Demokratie

Und dennoch ist diese Wahl auch ein Sieg der Demokratie. Es ist nicht hoch genug zu bewerten, dass sich die Ukrainer seit mehr als zehn Jahren immer wieder gegen alle Versuche stemmen, ihr Land in einen autoritären Staat zurückzuverwandeln. Sie werden am Sonntag wählen gehen und zur Not wieder auf den Maidan ziehen.

In diesem Sinne sind sie nicht nur dem grossen russischen Nachbarn weit voraus, sondern auch manchen wahlmüden EU-Europäern.

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