Der Wirteverband poltert gegen das Verkehrsregime in Basel. Schuld an der Misere der Gastronomie sind also wieder die anderen – höchste Zeit für einen Wechsel an der Verbandsspitze.
Puterrot waren die Gesichter der Nomenklatura der Basler Wirte, zigarrengegerbt die Haut, rau der Ton. An der Generalversammlung wurde es laut, wie es eigentlich immer laut wird, wenn sich die Beizer dieser Stadt treffen.
«Wir brauchen eine bürgerliche Wende, sonst wird sich hier wohl kaum etwas ändern», polterte Josef Schüpfer, Präsident des honorablen Verbandes. Denn die böse Linke, glaubt Schüpfer, ist mit ihrem Verkehrsregime Hauptschuldige am miserablen Zustand der Branche.
Schuld sind also wieder die anderen.
Nicht die Einfallslosigkeit vieler Beizer, die immer noch glauben, Wurstsalat, fetttriefende Rösti, Schnippo aus dem billigsten Fleisch, das der Markt hergibt, gehören auf eine zukunftsträchtige Speisekarte. Nicht der abgelöschte Service. Nicht die frechen Preise. Nicht die gammelige Atmosphäre in den sogenannten Traditionslokalen.
Die Zeit der «Originale» ist abgelaufen. Die Deutungshoheit der Probleme sollten andere übernehmen.
Der Verband droht mit einer Volksinitiative, um die Parkgebühren in der Innenstadt zu senken. Denn, darauf muss man erst kommen, die Gäste bleiben den Restaurants fern, weil sie ein paar Franken fürs Parken bezahlen müssen. Schüpfer, teilt der Verband mit, hat «als eines der Hauptübel in Basel die katastrophale Verkehrspolitik identifiziert».
Wer einen Präsidenten mit derartigem Spürsinn hat, muss sich nicht wundern, geht es mit der eigenen Zunft schleichend, aber stetig bergab.
Ein Wechsel an der Verbandsspitze ist fällig. Die Zeit der «Originale», der Schüpfers, Fontanas, Nannis, die die Deutungshoheit über die Probleme der Gastronomie besetzen, ist abgelaufen. Denn nicht der Branche als Gesamtheit geht es schlecht. Es gibt auch in Basel zahlreiche Beispiele von jungen, mutigen Gastronomen, die das veränderte Konsumverhalten erkannt und erfolgreich für sich genutzt haben.
Die Behauptung des Wirteverbandes widerspricht jedem Plausibilitätstest.
Gutbürgerlich gibt es im Badischen oder im Baselbiet besser und günstiger. Aber für aufregende, mit Leidenschaft und Intelligenz zubereitete Menüs findet sich auch hier Kundschaft. Den Basler Wirteverband sollten Beizer anführen, die bewiesen haben, dass sie mit widrigen Umständen zurechtkommen.
Nicht solche, die im Gestern verhaftet geblieben und zur Selbstkritik nicht fähig sind: Als Basel-Stadt das Rauchen in den Lokalen untersagte, stemmte sich der Wirteverband mit aller Macht dagegen. Befürchtet wurde nicht weniger als der Untergang der Nachtlokale und der Stammtische. Heute ist das Nachtleben vielfältiger denn je, an vielen Ecken eröffnen neue Bars.
Jetzt also wird die nächste Ausrede aufgetischt, weshalb es nicht läuft. Dabei widerspricht die Behauptung des Wirteverbands jedem Plausibilitätstest. Margen werden nicht auf Speisen, sondern auf Getränken erzielt. Wer eine Flasche Wein zum Essen trinkt oder auch zwei, der lässt ordentlich Bargeld in der Beiz zurück. Der verzichtet aber schon aus alkoholgesetzlichen Gründen in der Regel aufs Auto.
Mit einem Gastro-ÖV-Ticket würden die Gewinne wachsen und die Gäste ihren Führerschein behalten.
Warum fordert der Verband, wenn er schon das Übel beim Staat sieht, nicht ein Gastroticket, mit dem die Kundschaft nach dem Abendessen gratis mit dem ÖV nach Hause gelangen kann?
Eine moderne Gastropolitik würde auch das Wirtepatent abschaffen. Das Zulassungskartell spült dem Wirteverband zwar zuverlässig Zwangsabgaben in die Kasse und hält die Schotten des Marktes dicht, es bremst aber die Erneuerung der Gastroszene.
In Zürich etwa kennt man keine derartige Hürde. Die Auflagen, ein Lokal zu eröffnen, sind so schon gewaltig: Hygienevorschriften, feuerpolizeiliche Bestimmungen, Baubewilligungen – ein ganzer Katalog an Kriterien muss erfüllt sein, bevor das erste Bier gezapft ist.
Der Wirteverband will davon nichts wissen. Ohne Patent würde die Qualität in der Basler Gastronomie leiden. Wie es um diese bestellt ist, zeigt eine Untersuchung des Kantonslabors von 2015: In jeder vierten Probe fanden die Prüfer Darmbakterien, Schimmelpilze und weitere Krankheitserreger.
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Verkehrsregime als Problem? Auch der Detailhandel hat diese Karte vergangenes Frühjahr gespielt – nicht weniger zu unrecht. Der Kommentar dazu: «Liebe Ladenbesitzer, es mangelt an Innovation, Flexibilität und Sinn für Zeitgeist.»