Wer oder was den Germanwings-Flug 4U 9525 zum Absturz gebracht hat, ist nur noch juristisch Gegenstand von Ermittlungen. Für die Medien von der «Bild» bis zum ZDF ist längst klar, wie es zum Unglück kam und wie es sich abgespielt hat. Den (journalistischen) Vogel abgeschossen hat aber die gute alte BaZ.
Zwei Tage nach dem Absturz von Flug 4U 9525 wissen wir, wie es war. Das dürfte ein neuer Rekord sein. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass ein Flugzeugunglück so schnell aufgeklärt war. Noch heute ist nicht restlos klar, wer im August letzten Jahres Flug MH17 über der Ostukraine abgeschossen hat. Vom im März 2014 spurlos verschwundenen Flug MH370 ganz zu schweigen.
Beim jüngsten Unglück reichte der Vortrag des ermittelnden Staatsanwalts an einer Medienkonferenz und der Fall ist gelöst. Der Co-Pilot hat den Airbus 320 zum Absturz gebracht. Die kurze Abwesenheit des Pilots im Cockpit genutzt, um die Tür zu verrammeln und den Flieger in den tödlichen Sinkflug zu versetzen. Das von Facebook geklaubte Bild des Mannes wurde durch die «Bild», den «Blick» und das Fernsehen geschleift.
Ungern rede ich dem ehemaligen deutschen Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) das Wort, der bei Maybrit Illner festhielt, dass die Anschuldigungen eines Staatsanwalts noch kein richterliches Urteil darstellen. Man braucht kein Verschwörungstheoretiker zu sein, um die Version von Brice Robin wenigstens kritisch zu hinterfragen. Aber wenn man einen Täter hat, lässt der Boulevard eben alle Hemmungen fallen.
Natürlich stehen die viel gescholtenen Onlinemedien nicht hintenan: Liveticker, animierte Grafiken, der Flugverlauf gemäss flightradar24.com als Aufzeichnung auf Youtube. Wer die eigene Faszination am Grauen füttern will, kann sich endlos verlustieren.
Was Somm seinem vierköpfigen Einsatzkommando verabreicht hat, bevor es sich an die Arbeit machte, bleibt sein Geheimnis.
Nichts aber kommt an das heran, was uns die «Basler Zeitung» heute aufgetischt hat: auf dem Cover eine Fotomontage, die das Innere des Cockpits samt Blick auf das Felsmassiv unmittelbar vor dem Absturz zeigt. Der Sitz des Piloten verwaist, weil dieser ja seinem «fatalen Harndrang» nachgeben musste. Naturgemäss nicht zu sehen ist sein verzweifeltes Klopfen gegen die Panzertür. Was sich im Flugzeug abspielte, beschreibt der hauseigene Hemingway-Verschnitt Mischa Bahnerth en detail – im Präsens, süffig wie immer.
Hautnah, als wäre er dabei gewesen, schildert er uns den Moment, in dem die Passagiere anfangen zu begreifen, was gerade geschieht. Wir hören sie direkt, die «immer verzweifelter, immer lauter» werdenden Schläge an die Cockpit-Tür. Die letzten beiden sind der erste Aufschlag und das Zerschellen des Flugzeugs am Fels. Natürlich fragt man sich, wie jemand so eine grauenvolle Tat vollbringen kann. Die Erklärung liefert das Psychogramm des «Albtraumpiloten», verfasst von Martin Furrer auf der gegenüberliegenden Seite.
Es stimmt schon. Markus Somm hat der «Basler Zeitung» Profil gegeben. Wenn die Tatsachen keine Rolle spielen, ist das natürlich auch nicht so schwierig. Was er aber seinem vierköpfigen Einsatzkommando verabreicht hat, bevor es sich an die Arbeit machte, um die drei ersten Seiten seiner Freitagsausgabe zu füllen, bleibt sein Geheimnis. Das werden wir, im Gegensatz zu allem anderen zu diesem Drama, wohl nie erfahren.