Die da unten träumen halt von Ferien in ihrer Schweiz

Nach wie vor sorgt die Umsetzung der Zweitwohnungs-Initiative für heftige Diskussionen. Im Berggebiet herrscht der Eindruck vor, den Städtern gehe es darum, die Alpenkantone zu bevormunden. Das ist falsch. Ein Kommentar.

Zweit- und Ferienwohnungen mit verschlossenen Fensterlaeden am Ende der Wintersaison im Oberengadin. (Bild: Keystone)

Nach wie vor sorgt die Umsetzung der Zweitwohnungs-Initiative für heftige Diskussionen. Im Berggebiet herrscht der Eindruck vor, den Städtern gehe es darum, die Alpenkantone zu bevormunden. Das ist falsch.

Zugegeben, wir Unterländer, Mittelländer, Städter und Agglobewohner haben die Berg- und Tourismuskantone vor zehn Tagen überstimmt, als es um die Begrenzung der Zweitwohnungen in Ferien­gebieten ging. Wie das umgekehrt bei anderen Abstimmungen ja auch schon des Öftern der Fall war. Über die anderen Vorlagen des vorletzten Wochenendes redet mittlerweile niemand mehr – doch der Umstand, dass eine Volksinitiative überraschenderweise angenommen worden ist, die im Alpengebiet zu einem Umdenken im Umgang mit den touristischen und wirtschaftlichen Ressourcen führen muss, sorgt nach wie vor für erhitzte Gemüter in den Bergen. Das gipfelt in Unsinnigkeiten wie der Forderung, den Alpenkantonen ein Vetorecht für Volksentscheide zuzugestehen, falls der Plebs im Unterland wieder mal gegen die Interessen der Älpler verstossen sollte.

Gewiss, es ist so: Die da unten haben die dort oben überstimmt. Aber nicht, weil sie denen dort oben zeigen wollten, wie sie zu wirtschaften haben. Nicht, weil sie wie Kolonialisten bestimmen wollen, dass die Bergler ihre Landschaft bewahren sollen, während sie im Mittelland versaut werden darf.

Nein, die da unten haben der Initiative von Franz Weber aus purem Eigeninteresse zugestimmt. Die da unten wohnen in der gleichen Schweiz wie die Bergler, aber sie haben immer weniger von den Bergen, von der Natur in den Alpen. Falls sie Ferien in alpiner Landschaft geniessen möchten, müssen sie sie aus Rücksicht auf ihr Familienbudget in Österreich, Italien oder Deutschland buchen. In der Schweiz sind sie zu teuer – was eben entscheidend mit dem Boom der Zweitwohnungen zu tun hat.
Ein Beispiel unter vielen: Maloja. Vor wenigen Jahren gab es da, am obersten Rand des Engadins, noch eine Handvoll Hotels, die sogar erschwinglich waren. Und dazu günstige Ferienwohnungen. Doch die Hoteliers merkten, dass sie schneller zum guten Geld kamen, wenn sie Appartements auf ihren Grundstücken errichteten und diese als Eigentumswohnungen verkauften.

Heute gibt es in Maloja noch ein Hotel, ein teures. Einheimische Landbesitzer lernten schnell. Sie verkauften ihre Grundstücke, verkauften die Wohnungen, die sie bislang vermieteten und kamen auch ans grosse Geld. Oft errichteten Unterländer Generalunternehmer die Bauten, die einheimischen Handwerker gingen leer aus. Die Besitzer der neuen Ferienwohnungen bringen ihre Vorräte für die zweimal zwei Wochen, die sie im Ferienhaus verbringen, im Auto mit. In Maloja gibt es noch einen Dorf­laden und einen Kiosk. Maloja ist unerreichbar geworden für den Durchschnittsverdiener und Maloja ist ein Beispiel unter vielen.

Das Ja zur Zweitwohnungs-Initiative aus dem Unterland entspringt keineswegs dem Wunsch, denen da oben zeigen zu wollen, wo es langgehen soll. Sondern der Hoffnung, dass die paar «alten Malojas», die es zum Glück im Bündnerland, im Bernbiet und im Wallis noch gibt, weiterhin bestehen bleiben. Weil man sich ja auch gern mal wieder Ferien in den Schweizer Alpen leisten möchte.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23.03.12

Nächster Artikel