Wenns so weiterläuft, scheitert die Fusion der beiden Basel einmal mehr. Soll sich doch bloss das potente Unterbaselbiet der Stadt zuwenden und den Rest des Kantons seinem Schicksal überlassen!
Endlich ist das Vorgeplänkel vorbei. Endlich beginnt die entscheidende Phase in der Auseinandersetzung um die Fusion der beiden Basel. Am Mittwoch haben sich im Grossen Rat mit Ausnahme der SVP alle Parteien freundlich bis begeistert über die Initiative geäussert. Am Donnerstag in einer Woche nimmt der Baselbieter Landrat Stellung, und auch in Liestal sieht es so aus, als käme der Gegenvorschlag durch, allenfalls in einer Variante und wahrscheinlich nur ganz knapp. Folgen werden: ein heisser Abstimmungskampf und – die Entscheidung. Am 28. September wird in beiden Kantonen abgestimmt.
Bis es so weit ist, wird wohl noch recht viel Sonderbares zu hören sein über das angebliche Wesen des Städters und des Landschäftlers.
Die naiven Basler
Den ersten Irrtum haben jedenfalls schon mal die Basler in die Welt gesetzt: Sie sind überzeugt, dass sie es den Baselbietern mit ihrem Entgegenkommen in Form des Gegenvorschlags beziehungsweise der neuen Variante wesentlich erleichtert hätten, zu einer gemeinsamen Zukunft Ja zu sagen. Dabei werden beide Vorschläge auf dem Land höchstens eine zusätzliche Stimme bringen – jene des ehemaligen Staatsrechtsprofessors und FDP-Ständerat René Rhinow, der sich für diese Lösung stark gemacht hatte.
Alle anderen Fusionsskeptiker und -gegner bleiben bei ihrem Nein, ob im geforderten Verfassungsrat gemäss Initiative nun 50 Prozent oder gemäss Gegenvorschlag proportional zur Bevölkerungszahl 60 Prozent Baselbieter sitzen sollen. Nicht einmal die Aussicht auf ein reines Baselbieter Gremium könnte sie noch umstimmen.
Mehr Schwulst als im Musikantenstadl
Für die konservativen Verteidiger des Kantons ist die Selbstständigkeit eine Herzensangelegenheit. Sie lieben ihren Kanton, so wie es ihn nun schon seit 1832/33 und der Trennung gibt. Und sie definieren sich auch heute noch in erster Linie über den Gegensatz zu allem Städtischen, obwohl die Basler offensichtlich keineswegs mehr die arroganten Herren von Anfang des 19. Jahrhunderts sind, als sie die Landschäftler gerade in der Politik möglichst klein hielten. Sonst wären sie jetzt kaum bereit, den Baselbietern die Mehrheit im Verfassungsrat zu überlassen.
Aber solche Überlegungen sind den Fusionsgegnern egal. Sie setzen auf die alten Bilder und einfachen Botschaften – so wie Florian Schneider, der mit seinem Rotstablied durchs Land zieht, ein kleines Stückchen mit so viel Schwulst wie ein ganzer Abend im Musikantenstadl. «My Land, won i läb und won i härchumm mit Wälder und Täler und Hübel rundum, jo, dir heb i d Treui», sülzt Schneider, unterstützt von einer melodramatischen Geige – und die Leute in den Oberbaselbieter Beizen sind begeistert.
Diese Treue, diese Liebe, diese Überzeugung, das ist die Stärke der Baselbiet-Bewegten. Sie sind bereit, für ihre Liebe zu kämpfen. Sie verteilen Baselbiet-Sticker, Baselbiet-Käpis, Baselbiet-T-Shirts, Baselbiet-Kleber, seit Wochen und Monaten schon.
Das gleiche Problem wie in so vielen Beziehungen
Und die Befürworter? Gute Frage. Sie sind bis jetzt weder zu sehen noch zu hören. Selbstverständlich ist bekannt, wer auf dieser Seite steht, die Städter, die Grünen, die SP und ein Teil der Mitte auch auf dem Land, die Wirtschaftsverbände, die Industrie. Aber offen dazu stehen und für die Fusion kämpfen – nein, das wäre den Befürworter dann doch zu viel. Warum sollten sie auch?
Eigentlich ist ja zumindest das Unterbaselbiet schon längst mit der Stadt zusammengewachsen; eigentlich ist es ja schon längst üblich, in einem Kanton zu wohnen und im anderen zu arbeiten, zu shoppen und in den Ausgang zu gehen. Und eigentlich ist es auch logisch, dass die Region in Sachen Verkehr, Spitalplanung und Kultur sehr viel besser weiterentwickelt werden könnte, wenn die alten Befindlichkeiten nicht ewig weiterkultiviert würden.
Aber eben, das sind alles Argumente der Vernunft. Und wie so häufig in Beziehungsfragen könnte auch in diesem Fall die Liebe stärker sein als die Vernunft.
Arm, ärmer, Baselbiet
Folgt daraus am 28. September 2014 das nächste Nein zur Wiedervereinigung, müssten die Befürworter vielleicht mal einen anderen Ansatz wählen. Zum Beispiel: Nur die Gemeinden mit der Stadt vereinen, die das auch tatsächlich wollen. Das wären die bevölkerungsstarken und auch wirtschaftlich potenten im Unterbaselbiet. Der Rest könnte die Treue zum Baselbiet weiter hochhalten – im neuerdings wohl ärmsten Kanton der Schweiz, der eher früher als später wohl keine andere Wahl mehr hätte, als sich doch noch der ungeliebten Stadt anzudienen.
Es wäre natürlich schade, das prächtige Baselbiet auseinanderzureissen. Dennoch lohnt es sich, das Ganze zumindest einmal gedanklich durchzuspielen, um zu erkennen, wie stark das Oberbaselbiet und das Laufental schon jetzt auf Basel und seiner Agglomeration angewiesen sind – auch wenn die Autonomisten das Gegenteil behaupten.
So viel Vernunft müsste schon sein, gerade in dieser Beziehung, die so alt und kompliziert ist wie die zwischen Stadt und Land.
Der Basler Grosse Rat ist zwar bereit, dem Baselbiet die Mehrheit zu überlassen, er tendiert aber auf einen neue Variante, welche die SP am Mittwoch ins Spiel brachte: ein grösserer Verfassungsrat mit 70 Baselbietern und 50 Baslern. Den endgültigen Entscheid will das Basler Parlament erst nach dem Landrat und abgestützt auf dessen Beschluss fällen.
Aller Voraussicht nach werden die Initianten ihr Begehren zurückziehen, falls der Gegenvorschlag oder die Variante in beiden Parlamenten durchkommt. Dann würde das Volk am 28. September nur noch darüber abstimmen.