Das Nein zum Erlenmatt-Tram stellt die rotgrüne Verkehrspolitik infrage. Weitere Angriffe werden folgen, ein geschwächter Verkehrsdirektor begünstigt die Trendwende. Für Basel ist das keine gute Perspektive.
Hans-Peter Wessels und Ueli Maurer haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick erscheinen will: Beiden Magistraten wird ausserhalb der eigenen Reihen jede Fachkompetenz abgestritten und beide haben am Sonntag eine Abstimmung verloren, die als todsicher gelten müsste. Was der Schweiz ihre mystifizierte Armee ist, ist für Basel das Tram.
Basler pflegen von ihrem Wesen her zu den grünen Trams eine ans Obsessive grenzende Leidenschaft. An der Urne kam das mehr als einmal zum Ausdruck. Das knappe Nein zum Bau des Tramabschnitts vom Badischen Bahnhof zur Erlenmatt ist deshalb eine Überraschung. Vor allem aber ist es ein Denkzettel.
In erster Linie an Bau- und Verkehrsdirektor Wessels (SP). Gegen die so verkürzte wie eingängige Nein-Kampagne hatte er zu wenig entgegenzusetzen. 68 Millionen Franken für 1,2 Kilometer Tram – das tönt erstmal brutal verschwenderisch. Die Argumente für den Ausbau waren zwar stichhaltiger, aber komplexer. Mit Verweisen auf Jahrzehnte dauernde Entwicklungsprozesse im Kleinbasel und später vielleicht Kleinhünigen, als deren Teil er die Tramlinie verstand, ist es schwierig, eine Abstimmung zu gewinnen.
Wessels gilt mittlerweile als schwächstes Glied der rotgrünen Regierung.
Eine grüne Verkehrspolitik ist in Basel kein Selbstläufer mehr. Das liegt auch an Wessels, der bis zu diesem Tag nie eine wichtige Abstimmung verloren hat. Er gilt unter den Bürgerlichen und den rechtskonservativen Medien mittlerweile als schwächstes Glied der rotgrünen Regierung. Die geschlossene Gegnerschaft zum Erlenmatt-Tram gründet in diesen Überlegungen.
Denn inhaltlich ist sie widersprüchlich, argumentiert sie oft unseriös. Dieselben Kräfte, die sich gegen die Tramstrecke stark machten, befürworteten das Tramnetz 2020, zu dem auch dieser Abschnitt gehört. Wer sich über die geringe Auslastung der 30er-Bus-Linie auf diesem Streckenabschnitt mokiert, ist noch nie zu Spitzenzeiten am Bahnhof SBB in eben diesen Bus zugestiegen. Selbst Gewerbeverband und Handelskammer trommelten gegen die Vorlage, dabei würden die Baubranche, die anliegenden Geschäfte und die Pharma-Multis Roche und Novartis von einer Tramlinie profitieren.
Würde es bei dieser einen verlorenen Abstimmung bleiben, könnte man aus linker Sicht den gestrigen Sonntag als Ausrutscher abhaken. Doch es war erst der Auftakt zu weiteren Angriffen auf die rotgrüne Basler Verkehrspolitik.
Heute Montag geht es bereits weiter, da wehren sich die Wirtschaftsverbände gemeinsam mit der Autolobby gegen die von Wessels, den Anwohnern – und ursprünglich sämtlichen Parteien – gewünschte Untertunnelung der Autobahn auf der Osttangente, auch das ist eine positionelle Kehrtwende.
Eine bürgerliche Verkehrspolitik ist aus Basler Sicht keine gute Perspektive.
Bis vor Kurzem hatte die Parkplatzfraktion kaum Zugriff auf die Verkehrsdebatte. Jetzt hat sie plötzlich wieder eine wichtige Stimme, steht sie sogar auf der Seite der Mehrheit. Das ist kein gutes Signal für den Kanton, der die Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs zu lange vernachlässigt hat.
Um diesen Trend zu drehen, muss sich der angeschlagene Wessels ins Zeugs legen. Er muss seine Vorlagen offensiver und plausibler erklären. Er muss sich vom bevorzugten Kompromisskurs verabschieden. Muss seine zerstrittene Partei hinter sich bringen.
Wessels muss seine Position dringend stärken. Auch der Stadt zuliebe. Denn je näher die nächsten Wahlen rücken, desto unversöhnlicher wird der Diskurs werden.
Eine bürgerliche Verkehrspolitik ist aus Basler Sicht keine gute Perspektive. Das hatten wir schon während Jahrzehnten, auch unter sozialdemokratischen Departementsvorstehern. Das hiess: Stillstand.