Die Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind will «hiesige Werte und Rituale» ins Gesetz schreiben. Unter dem Titel der Integration betreibt sie dabei eine unverhältnismässige, brachiale Ausgrenzung ausländischer Schüler.
Die Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind ist bislang nicht als tiefschürfende Erforscherin des gesellschaftlichen Wandels aufgefallen. In ihrem neusten Gesetzesentwurf nimmt sie sich aber nun den ganz grossen Fragen an. Zum Beispiel dieser: «Wie geht eine offene, tolerante Gesellschaft mit Intoleranz um?»
Nein, Gschwind nimmt sich hier nicht die SVP zur Brust. Sie knöpft sich zwei Schüler in Therwil vor. Lange hat sie sich Zeit gelassen mit der juristischen Aufarbeitung der sogenannten Händedruck-Affäre. Es wirkte besonnen: Als das Erregungslevel an die obere Skalengrenze stiess, Politiker und Leitartikler Land auf, Land ab die Nüstern blähten, ging sie in sich und dachte nach.
Dabei kam, das muss man heute traurig feststellen, nicht viel heraus. Jedenfalls nichts, was auf einen dem Amt angemessenen, verantwortungsvollen Umgang mit der sensiblen Thematik schliessen lässt.
Der Kurzschluss, den Gschwind hier zieht, ist bemerkenswert.
Wer künftig den Unterricht «massiv stört», wer sich Respektlosigkeiten zu Schulden kommen lässt, der muss gemeldet werden. Selbstverständlich nur, wenn er ausländischer Herkunft ist. So steht es im neuen Bildungsgesetz, das Gschwind nun in die Vernehmlassung schickt. Die Ausländerbehörde kann daraufhin Verwarnungen aussprechen, Bewilligungen entziehen.
Der Kurzschluss, den Gschwind hier zieht, ist bemerkenswert: Wer als Jugendlicher das tut, was Jugendliche mitunter tun, nämlich in der Schule negativ aufzufallen, muss nicht nach- oder aussitzen, sondern wird zum Fall für die Integrationspolizei. Selbstredend ist nur der ausländische Querulant schlecht integriert, der Schweizer Störenfried bleibt ein handelsüblicher Renitenter.
Übereifrigen Lehrern und Gesinnungsbeamten wird mit diesem Passus freie Fahrt ermöglicht. Willkommen im Denunziantenkanton Baselland.
Darüber, was ein Wert genau sein soll, schweigt sich das Papier aus.
Dem verweigerten Handschlag selbst, es sei an dieser Stelle an die Singularität des Ereignisses erinnert, hat Gschwind einen eigenen Gesetzesartikel gewidmet. Die «Lex Therwil» verlangt, dass Schüler die «hiesigen gesellschaftlichen Werte achten» und an «hiesig gängigen Ritualen wie namentlich dem Handschlag teilnehmen».
Abgesehen davon, dass man gerne aus berufenem Munde, etwa vom Bundesgericht, erfahren würde, was es von solch kurligen Rechtsbegriffen wie den «hiesigen Werten» hält und vom Handschlag als «hiesig gängiges Ritual», will man hier auch von Gschwind mehr wissen. Was sind denn die hiesigen Werte? Verletzt die hiesigen Werte, wer am Höhenfeuer seine Wurst über die Glut hält, statt das Baselbieter Lied anzustimmen? Darüber, was ein Wert genau sein soll, schweigt sich das Papier aus.
Aberglaube ist nur das, was andere glauben.
Vielleicht ist ja damit etwa gemeint, dass der Grundgedanke der Gleichstellung der Geschlechter durch das Verhalten des Schülers nicht verletzt werden darf. So etwas wird im Begleitschreiben zum Gesetz angedeutet. Aber wahrscheinlich ist etwas anderes gemeint. Sonst hätte die regierungsrätliche Wertewächterin längst den Liestaler Banntag, übrigens ein gängiges hiesiges Ritual, unter Strafe gestellt, wo sich nur Menschen männlichen Geschlechts volllaufen lassen und rumballern dürfen.
Aberglaube, schreibt Gschwind, habe keinen Platz in der Schule. Aber immerhin in der Baselbieter Verfassung, wo man sich gleich im ersten Passus in die Verantwortung Gottes begibt. Aberglaube, muss man daraus schliessen, ist nur das, was andere glauben.
Gschwind schindludert in ihrem Gesetz. Es ist ein brachialer, ein unverhältnismässiger Text. Ein dreister obendrein: Er kommt aus der Feder einer liberalen Politikerin, wurde massgeblich mitgeschrieben von deren liberaler Partei. Dass Schüler aus der Reihe tanzten, war schon immer so. Dass sie es nicht durften und dafür bestraft wurden ebenfalls. Dass es dafür – für einen Sonderfall – ein Gesetz braucht, ist neu.
Reine Symbolpolitik
Gschwind schwadroniert von der «christlich-abendländischen Tradition», von der «säkularisiert humanistischen Wertehaltung», von der «Einübung von Werten». Sie reaktiviert die längst im Sondermüll der Geschichte geglaubte Vorstellung, Kindern ihren kulturellen Hintergrund mit harter, züchtigender Hand auszutreiben.
Passend dazu fügt sie der Kantonsverfassung folgenden Absatz hinzu, der für alle Bürger gilt: «Weltanschauliche Auffassungen und religiöse Vorschriften entbinden nicht von der Erfüllung bürgerlicher Pflichten.»
Das ist reine Symbolpolitik, weil sich in der Bundesverfassung bereits ausreichend entsprechende Einschränkungen finden. Das Sprüchlein ist der längst revidierten Bundesverfassung von 1874 entnommen. Es ist ein Produkt des damals tobenden, religiös aufgeladenen Kulturkampfes. Und es illustriert die Reise von Monica Gschwind, auf die sie uns mitnehmen will: zurück in längst vergangene Tage.