Besitzstand wahren – das steht bei den Wahlen 2012 im Kanton Basel-Stadt im Vordergrund. Grosse Verschiebungen sind nicht zu erwarten, da die links-grüne Regierung schwer anzugreifen ist.
Schlagende Argumente, bissige Seitenhiebe, rote Köpfe – nein, all das bietet der Basler Wahlkampf 2012 nicht. Oder nur am Rande. Es geht, eine gute Woche vor dem Wahlsonntag, gesittet zu und her. Alle reden einander seit einigen Tagen nach, es sei ein besonders flauer Wahlkampf. Und es ist offenbar noch nie vorgekommen, dass zehn Tage vor dem Wahlsonntag so wenig Wahlzettel eingeschickt worden sind.
Ist das schlimm, ist gar die Demokratie langsam am Ende? Nein, der Grund liegt woanders. Sechs von sieben Mitgliedern der Regierung wollen weiter regieren und es gibt kaum stichhaltige Argumente, eine oder einen von ihnen abzuwählen. Man ärgert sich zwar manchmal über den ungelenk wirkenden Regierungspräsidenten, der sein neu geschaffenes Präsidialdepartement über Gebühr mit Personal ausgestattet haben soll. Über einen Regierungsrat, der die Zunge rausstreckt. Oder über ähnlich weltbewegende Dinge. Doch wenn dem vorübergehenden Unmut in traditionell baslerischer Art mit fasnächtlichem Biederwitz Luft gemacht worden ist und man herzlich über die Pointen gelacht hat, ist man wieder lieb miteinander. Das mag andernorts ähnlich sein, in Basel gibt es aber im Gegensatz zu anderen Kantonen, wo die Wogen vor Wahlen etwas höher gehen, eine besondere Konstellation.
Es regiert im Stadtkanton eine rot-grüne Regierung, die eine gutbürgerliche Politik betreibt. Sie hat in den letzten acht Jahren die Staatsfinanzen ins Lot gebracht, Steuern gesenkt, sie setzt sich für die Interessen der Pharma ein, hält die Strassen instand, hat das Polizeikorps aufgestockt und Weiteres mehr. Keine bürgerliche Kantonsregierung in der Schweiz macht das besser. Den bürgerlichen Parteien bieten sich wenig Möglichkeiten, die Wiederkandidierenden anzugreifen.
Wer die Macht hat, verteidigt sie
Die links-grüne Regierung hat aber auch ihre Wurzeln nicht vergessen. Sie setzt sich für den öffentlichen Verkehr ein, stellt einen ordentlichen Sozialdienst und ein respektables Bildungswesen sicher, macht sich für Kinderbetreuung stark. Linke Parteien sind darum ganz zufrieden mit ihren Vertretern, auch wenn sich diese im Gegensatz zur Parteibasis für tiefere Unternehmensgewinnsteuern einsetzen. Immerhin zeigen sie – wann immer es geht – soziales Engagement. Und zudem kritisiert man seine eigenen Leute nicht über Massen. Sondern man verteidigt die Macht, wenn man sie hat.
Die Linke hätte ja in Versuchung kommen können, diese Macht etwas auszuweiten. Zum Beispiel, indem sie auch den Sitz des zurücktretenden Hanspeter Gass (FDP) beansprucht hätte. Der Wahlkampf wäre anders verlaufen, mit Sicherheit. Aber das getrauten sich die Sozialdemokraten und Grünen bis hin zu BastA! dann doch nicht. Es hätte etwas grössenwahnsinnig wirken können, wäre unsympathisch angekommen und hätte unnötig Stimmen gekostet, weshalb links der Mitte gar niemand auf die Idee gekommen ist, auf einen weiteren Sitz zu schielen. Man will ja – wie gesagt – nicht die Macht aufs Spiel setzen mit unnötigen Provokationen.
Kurz: Alle haben sich miteinander arrangiert, dem Kanton geht es gut, dank der bisher krisenresistenten Pharma besser als vielen anderen. Soziale Spannungen sind wenig auszumachen, die Sicherheit in der Stadt wurde trotz grosser Anstrengungen einzelner Politiker und Medien nicht zum wahlkampfbeherrschenden Thema. Schlicht deshalb, weil sich die Bevölkerung sicher fühlt. Alles scheint gut, und eigentlich wollen alle, dass alles so bleibt, wie es ist. Die Frage, ob die freisinnigen Baschi Dürr oder Christophe Haller den freien Sitz erobern oder ob es der Grünliberale Emmanuel Ullmann oder einer der beiden SVP-Anwärter Lorenz Nägelin oder Patrick Hafner sein wird, elektrisiert vermutlich erst im zweiten Wahlgang.
Allerdings: Die Selbstzufriedenheit, mit der die grossen Parteien durch den Wahlkampf gehen, hat auch ihre Tücken. Denn selbst der Kampf um die Sitze im Grossen Rat mag in der Stadt kaum Emotionen wecken. Wen wunderts! Wenn die Wahlslogans grosser Parteien «Wohne, schaffe, lääbe» (SP) oder «Wohlstand mit Anstand» (CVP) heissen, dann verstärkt das den Eindruck, dass wenig verändert und möglichst viel bewahrt werden soll. Es werden keine Ziele und Visionen propagiert, die neue Wählersegmente mobilisieren könnten. Es vertrauen alle darauf, dass ihnen jene Wählerinnen und Wähler, die sie vor vier Jahren ins Amt geschickt haben, wieder ihre Stimme geben.
Das ist etwas wenig Einsatz für ein öffentliches Amt. Wenn Politik in der wahrscheinlich schwieriger werdenden Zeit etwas bewirken soll, sind doch eher Leute gefragt, die mit überraschenden, inspirierenden Ideen auffallen – auch wenn sie sich noch nicht dadurch auszeichnen, den Gang durch die Institutionen pflichtgetreu abgeschritten zu haben. Gewählt werden sie dann vielleicht nicht, aber sie sorgen dafür, dass es einen zweiten, gewiss spannenderen Wahlgang gibt. Oder – bei den Grossratswahlen – dass sich in den etwas träge gewordenen Parteien neue Leute in den Vordergrund schieben, die sich bewusst sind, dass Stillstand nichts anderes bedeutet als Rückschritt.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 19.10.12