Die Behauptung, dass sich die Geschichte nicht wiederhole, wird gerne wiederholt. Das ist der Geschichte allerdings relativ oft egal. Jedenfalls hat die Basler FDP wieder einmal bei der LDP angeklopft und zaghafte Annäherungsversuche gemacht. Man wollte also auch im Jahr 2017 herausfinden, wie die LDP einer möglichen Vermählung der beiden Parteien gegenüber eingestellt sei, die sich beide mit der Bezeichnung «liberal» identifizieren.
Die Umworbene will aber frei und unabhängig bleiben. Das hat LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein via «bz Basel» unmissverständlich zu Protokoll gegeben: «Solange ich in der Partei etwas zu sagen habe, kommt ein Zusammenschluss nicht infrage.»
Beziehungsstatus: Mehr als kompliziert
Die Verschmähte schmollt derweilen. Und das ausgiebig. Auf Facebook teilt FDP-Präsident Luca Urgese das Leid seiner Partei seinen Followern mit. Die LDP ist eine «vermeintliche Braut», die Parteimitglieder, die sie auf «die Möglichkeit einer Hochzeit angesprochen» haben – «nota bene ohne offizielles Mandat!» – haben nur einen «vermeintlichen Bräutigam» angeboten.
Eine persönliche Spitze geht an die Adresse von Patricia von Falkenstein: Statt «die Ernsthaftigkeit dieses Anliegens zu prüfen, wendet sie sich an die Medien», klagt Urgese gekränkt. Das sei «nicht gerade romantisch» und «keine ideale Basis für eine gemeinsame Zukunft».
Beziehungsstatus FDP – LDP: nichts Neues.
Ungleiche Partner
«Wir investieren unsere Zeit lieber in Projekte, die erfolgsversprechend sind», schreibt Urgese weiter. Man setze auch in Zukunft auf eine «partnerschaftliche Zusammenarbeit» mit der LDP – «für die kommenden Jahre weiterhin ‹nur› als Schwesterpartei».
Die Affäre trägt Züge einer politischen Liebestragödie. Denn aus den Zeilen des FDP-Präsidenten ist bei allem Schmäh der Wunsch nach einer Vereinigung zu lesen: «Aus der Perspektive der Stärkung und Bündelung der liberalen Kräfte in Basel wäre eine Fusion durchaus prüfenswert.» Exakt dieselbe Formulierung hatte der damalige FDP-Präsident Daniel Stolz schon im Jahr 2012 gewählt. Urgeses Erkenntnis: Die Eheschliessung sei einfach kein gangbarer Weg – «dessen sind sich das Präsidium und der Vorstand der Basler FDP bewusst», weshalb man auch von einem «Heiratsantrag» absehe.
Ein unausgesprochener Grund für das Single-Dasein dürfte sein, dass die Basler FDP (Wähleranteil bei den Grossratswahlen 2016: 9,2 Prozent) in einer Ehe mit der LDP (Wähleranteil: 13,8 Prozent) kaum die Hosen anhaben dürfte. Patricia von Falkenstein spricht es in der «bz Basel» direkt an: Die Freisinnigen machten sich «Illusionen, wenn sie glauben, dass sie mit einem Zusammenschluss langfristig gestärkt würden».
Zwei Parteien, zwei Prägungen
Eine Analyse des Abstimmungsverhaltens der Parteien im Grossen Rat zwischen 2013 und 2016, durchgeführt von der «bz Basel», hat den hohen Verwandtschaftsgrad zwischen FDP und LDP gezeigt: Man ist sich gleich ähnlich in der Legislative wie es SP und Grüne sind. Das bedeutet aber auch: Es gibt sie, die Unterschiede. Die Parteien sind eng verwandt – Schwestern eben – und da ist eine Heirat zur gegenseitigen Stärkung nicht unbedingt von Vorteil.
Von Vorteil ist das Single-Dasein der liberalen Schwestern dafür für Wählerinnen und Wähler, und damit für die politische Landschaft von Basel-Stadt. Ein Vergleich der gewählten LDP- und FDP-Grossräte auf Smartvote zeigt die kleinen, aber feinen Unterschiede noch deutlicher: Während die FDP-Grossräte ein einheitliches Cluster mit starker Ausprägung «liberal» und «rechts» bilden, sind die LDP-Grossräte politisch etwas breiter gestreut, und etwas weiter auf der Achse «konservativ» und minim weiter «links» zu verorten. Es gibt eine Schnittmenge mit der FDP, aber es gibt auch viele LDPler, die konservativer und weniger stark ausgeprägt liberal sind.
Die kleinen, aber feinen Unterschiede hat schon die TagesWoche-Auswertung der Smartvote-Profile der Grossratskandidaten gezeigt.
Beispiel «No Billag»
Würde eine Fusion wirklich eine «Bündelung» der liberalen Kräfte bedeuten? Manche Vertreter der beiden Parteien harmonieren jedenfalls problemlos. Aber bei einer Bündelung würde in vielen Fällen zusammenkommen, was nicht wirklich zusammenpasst. Fliehkräfte statt Durchschlagskraft: ein Hochzeitsstrauss, der Blumen verliert. Das wiederum bedeutete eine Schwächung der liberalen Kräfte – und nicht zuletzt eine Schwächung der Vielfalt dessen, was «liberal» genau bedeutet.
Wie weit die Positionen auseinanderliegen können, zeigt sich exemplarisch an den Positionen der Parteipräsidenten zur No-Billag-Frage. Die Schweizerinnen und Schweizer werden nächstes Jahr darüber abstimmen, ob dem Bund die Förderung von Radio und TV verboten werden soll. Ein Ja wäre das Ende von Schweizer Radio und Fernsehen in allen Landesteilen. Und es würde auch viele private Medienunternehmen in die Bredouille bringen.
Luca Urgese kämpft für die No-Billag-Initiative – er ist gar Mitglied im Initiativkomitee, hatte sich dort schon engagiert, bevor er Präsident der Basler FDP wurde. «Ich bin davon überzeugt, dass heute mit Zwangsgebühren ein Angebot finanziert wird, welches sich nicht mehr mit Service public, verstanden als Finanzierung eines im öffentlichen Interessen erforderlichen Angebotes, welches ohne öffentliche Finanzierung nicht überlebensfähig wäre, begründen lässt», sagt Urgese.
Urgese vertritt die Ansicht, «Zwangsgebühren» würden «einen ernsthaften Wettbewerb verhindern», die Initiative würde darum zu «Bewegung auf dem Medienmarkt führen, von welcher die Privaten gegenüber dem heutigen faktischen Monopol sehr profitieren können».
Ganz anders Patricia von Falkenstein. Sie sagt: «Persönlich lehne ich die Initiative ab. Die Informationsgefässe, der Kultur- und der Sportbereich der SRG sind hervorragend; nur wenige Printmedien erreichen dieses Niveau.» Diese Qualität kann laut Patricia von Falkenstein «ohne die nötige Finanzierungsbasis nicht gehalten werden, die Lücke könnten Private nicht schliessen».
Damit, so von Falkenstein, wäre «der Service public für alle Landesteile und Sprachregionen nicht mehr gewährleistet». Sie fügt an: «Nicht zu vergessen ist, dass viele kleinere private Sender ebenfalls kein Geld mehr erhalten werden. Dies ist meiner Meinung nach vielen, die die No-Billag-Initiative befürworten, nicht klar.»
Der Glücksfall
Die Positionen könnten verschiedener nicht sein. Natürlich entsprechen sie nicht den Parteimeinungen – weder die LDP noch die FDP haben bisher eine Parole gefasst. Und dennoch: Das Beispiel verdeutlicht, warum eine Hochzeit der beiden Basler bürgerlich-liberalen Kräfte ein Fehler wäre. Eine Vermählung von teilweise völlig unterschiedlichen Vorstellungen von dem, was liberal bedeutet, von der Rolle der öffentlichen Institutionen in einer Ehe, das bedeutet in der Politik nicht nur Hauskrach, sondern auch Nivellierung und damit Verlust der politischen Vielfalt.
So gesehen ist die Liebes-Tragödie für die Demokratie in Basel-Stadt ein Glücksfall.