Oscar Wilde, dem irischen Schriftsteller, entging selten etwas. «Wir hatten das Streckbett», schrieb er, «heute haben wir die Presse.» Anders gesagt: Wer in den Sommermonaten bei 28 Grad im Schatten die Nerven verliert, steht entweder kurz vor dem Zusammenbruch oder hat wenig zu vermelden.
Doch danach sahen die Schlagzeilen der letzten Tage rund um die Sekundarschule in Gelterkinden zuerst gar nicht aus. Was die «Volksstimme» da berichtete, wollte so gar nicht in das beschauliche Baselbiet passen und löste vielleicht auch deswegen einen medialen Sog aus, der sich rasch verbreitete – über die Kantonsgrenze hinaus.
Zuerst war da von «Zwölfjährigen» die Rede, von Kindern also, die «Drogen auf dem Pausenplatz» dealten und von «Koks», später dann von «konfiszierten Substanzen» und «Hausdurchsuchungen», von «Drogengeschäften abwickeln» und «Zwischenhändlern».
Man wähnte sich mit etwas Fantasie bereits in Sandtown, dem üblen Viertel in Baltimore an der US-Ostküste, in dem Drogen und das Dealen die Strassen und Schulen dominieren. Erinnerungen kamen hoch von der früheren Langstrasse in Zürich, um geographisch in der Schweiz zu bleiben.
Doch was ist eigentlich passiert?
Nicht wirklich Neues
Barbara Zwygart, seit sechs Jahren Schulleiterin der Sekundarschule, erzählt ruhig am Telefon. Vor einem Jahr hatte die Sekundarschule Gelterkinden den Sozialdienst und externe Fachstellen wie den Jugenddienst und die Polizei kontaktiert. Die Leistungen «einzelner Schüler» zwischen 12 und 15 Jahren hatten stark nachgelassen. Zum einen aus diesem Grund: Sie kifften.
Es ist zwar bedenklich, wenn unter 15-Jährige bereits Alkohol trinken, Cannabis rauchen und dealen. Der Konsum kann ihrer Hirnstruktur schaden, die noch nicht ganz entwickelt ist. Doch dass sie es tun, ist nichts Neues, das war in der Oberstufe auf dem Land und in der Stadt schon vor 20 und 30 Jahren so.
Kein neues Phänomen, bestätigt auch Adrian Gaugler, Mediensprecher der Polizei Basel-Landschaft. Der Konsum von Betäubungsmittel sei in den letzten Jahren unter Jugendlichen gestiegen. Dies nicht nur in Gelterkinden, sondern im ganzen Baselbiet. «Manchmal», sagt Adrian Gaugler, «ist der Konsum mehr, manchmal weniger.»
Der angebliche Drogenskandal entpuppte sich als vorbildliche Intervention einer besorgten Sekundarschule.
Der Konsum kommt und geht wie die wechselnden Themen über die Jugend, die uns immer wieder bewegt. Wie letztes Jahr im Februar das Rauschtrinken der zwischen 15- und 19-Jährigen. Im Juni dann folgte das Sexting und Polizisten erklärten Drittklässlern den Umgang mit Handy und Nacktbildern in Schulen. Und jetzt also Gelterkinden. «Wir mussten handeln», sagt die Schulleiterin Barbara Zwygart. «Wegen der schlechten Leistung war auch die berufliche Zukunft der Schüler gefährdet.»
Andererseits musste die Schule die Gruppendynamik der Schülerinnen und Schüler durchbrechen. Was in der Schule passiert, können Lehrpersonen und Schulleitung kontrollieren. Nicht aber, was sie in der Freizeit tun, also dann, wenn sich die Schülerinnen und Schüler mit anderen ausserhalb der Schule zum Beispiel am Bahnhof Gelterkinden treffen. Also folgten Gespräche mit den Eltern – mehrmals.
Ausserdem kontrollierte die Polizei am Bahnhof und an anderen Orten, ermittelte und markierte. Sie nennt das repressive Massnahmen, und die sollen präventiv, also abschreckend wirken. Das kann weit gehen: Besuche daheim, die Jugendlichen auf Suchtgefährdung abklären, und wenn unter 15-Jährige dealen, dann kann gemeinnützige Arbeit als Strafe folgen.
Und wie war das jetzt genau mit dem Kokain? «Wir vermuten, dass die Schüler am Bahnhof nicht nur Cannabis konsumierten, sondern auch andere Drogen», sagt Barbara Zwygart. Genau weiss sie es aber nicht. Ebenso wenig, ob die Schüler auf dem Pausenplatz gedealt haben. Es ist Spekulation.
Sie kümmern sich
Seit Frühling habe sich die Situation beruhigt, sagt Zwygart. Polizisten kamen in die Schule, erklärten, zeigten auf. Und dann gingen alle in die Sommerferien. Nun ist die Schulleiterin gespannt auf den Montag. Dann fangen 167 neue Schülerinnen und Schüler aus 16 Gemeinden in der Sekundarschule an.
Wie hat sie den Sturm der letzten Tage erlebt? «Ruhig», sagt sie. Umso besser. Denn der angebliche Drogenskandal in Gelterkinden entpuppte sich als vorbildliche Intervention einer besorgten Sekundarschule. Sie hat eine ungute Entwicklung erkannt und gehandelt.
Nicht weniger. Aber auch nicht mehr.