Die klägliche Niederlage gegen David Haye muss nicht das Ende der Karriere von Arnold Gjergjaj bedeuten. Er kann in dieser schweren Stunde zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist.
Schmerzen ist sich Arnold «The Cobra» Gjergjaj gewohnt. In seinem letzten Titelkampf gegen den Russen Denis Bakhtov musste er über acht Runden mit einer gebrochenen Hand boxen. Doch die Pein einer niederschmetternden Niederlage ist etwas Neues für den Profiboxer aus Pratteln. Was Gjergjaj am Samstagabend gegen den früheren Weltmeister David Haye in London in den Ring brachte, war beschämend. Diese Scham schmerzt mehr als gebrochene Knochen. Gjergjaj, der seiner Karriere und seinen Fans gegenüber immer nur die grösste Demut an den Tag legt, litt in erster Linie daran, seine Unterstützer in der Schweiz, im Kosovo und in der O2-Arena in London enttäuscht zu haben.
Und dies ausgerechnet in dem Moment, als Gjergjaj und sein Team endlich einmal die Aufmerksamkeit der Medien und Zuschauer über Basel und den Kosovo hinaus auf sich zogen. So lange schon bemühte sich Gjergjajs Manager und Trainer Angelo Gallina darum, seinem Kämpfer etwas Anerkennung auch ausserhalb der Boxwelt zu verschaffen. Und nun, als die Kameras der Fernsehsender und Boulevardblätter endlich auf Gjergjaj gerichtet waren, zeigte sich dieser von seiner schwächsten Seite.
Haye war der erste, echte Prüfstein für Gjergjaj
Die Frage ist nun, ob die Kobra an diesem Druck scheiterte oder ob David Haye einfach zu gut war. Gjergjaj sagt, dass er im Ring vom ganzen Drumherum jeweils nichts mehr mitbekomme. «Dann zählt für mich nur noch der andere Boxer.» Vielleicht wog aber die Last des ersten grossen Auftritts unterbewusst doch schwerer, als dies Gjergjaj im Moment realisierte. Der Kampf gegen Haye galt für viele als erster, echter Prüfstein dafür, wie gut die Kobra wirklich boxen kann. Waren die bisherigen Gegner doch boxerisch nicht ansatzweise mit dem Hayemaker vergleichbar.
Wahrscheinlicher aber ist, dass Haye ganz einfach der überlegenere Boxer war. Nach spätestens 40 Sekunden war der Klassenunterschied zwischen Gjergjaj und Haye offensichtlich. «Es ging einfach zu schnell, wir haben den Treffer aus der Ecke nicht einmal richtig sehen können», sagt Gallina. Im Schwergewichtsboxen kann ein einziger Wirkungstreffer den ganzen Kampf entscheiden. «Es war schrecklich. Ich wollte weiterkämpfen, doch meine Beine gehorchten mir nicht mehr», sagt Gjergjaj.
In die Seile gedrängt und vor Schmerzen gekrümmt bot die Kobra ein wahrlich klägliches Bild.
Danach habe er nur noch funktioniert und versucht, sich möglichst lange auf den Beinen zu halten. Das reichte natürlich nicht. Aussitzen ist gegen einen harten Puncher wie Haye die denkbar schlechteste Taktik. Gjergjajs Doppeldeckung hielt den Schlägen nicht stand, Hayes Fäuste fanden ihr Ziel mit zunehmender Häufigkeit. Kurz bevor der Kampf durch den Ringrichter abgebrochen wurde, musste Gjergjaj einem regelrechten Schlaggewitter standhalten. In die Seile gedrängt und vor Schmerzen gekrümmt bot die Kobra ein wahrlich klägliches Bild. Der Anblick war für das Team Cobra ebenso schmerzhaft wie für alle Fans des Prattlers.
In seiner Karriere hat Gjergjaj bisher stets gewonnen, oft dazu noch vorzeitig. Gewinnen ist einfach, wenn man der stärkere Boxer ist. Das Team Cobra und die Fans waren diesbezüglich vom Erfolg verwöhnt. Vielleicht war dieser Schritt letztlich doch zu gross. Doch er war auch überfällig. Weitere Kämpfe gegen zweitklassige Gegner bringen die Kobra nicht weiter. Die sportliche Grösse und echte mentale Stärke Gjergjajs werden sich erst jetzt zeigen. In dieser seiner härtesten Stunde entscheidet sich, ob er wirklich das Zeug zum Weltmeister hat und ob Gjergjaj von Gallina zurecht mit Rocky verglichen wird.
Rocky hat auch nicht immer gesiegt. Aber er ist immer wieder aufgestanden.