Gute Zeiten für Angstmacher

Es war ein Fehler der Baselbieter Behörden, das Militär im Kampf gegen Einbrecher beizuziehen. Das ist Aufgabe der Polizei.

Referenzpunkt jeder Debatte zu Militäreinsätzen im Innern: Streikende Arbeiter werden 1918 in Zürich von Kavallerie-Einheiten der Armee in Schach gehalten. (Bild: zVg)

Es war ein Fehler der Baselbieter Behörden, Militärpolizisten im Kampf gegen Einbrecher beizuziehen. Verbrecherkontrolle ist eine Aufgabe der Polizei, die sie ohne Militär erfüllen muss.

Am vergangenen Wochenende durfte das Bat 1 der Militär­polizei bei einer flächendeckenden Verkehrskontrolle rund um Muttenz die Baselbieter Polizei unterstützen. Ging es dabei um ein blosses Üben oder um eine akut notwendige Gewährleistung von Sicherheit?

Bei diesem ersten Einsatz sind ­offenbar keine zusätzlichen Kriminaltouristen ins Netz gegangen, und es hat keine empörten Reaktionen von Kontrollierten gegeben. Aber die Menschen der Region, die Medien und Politiker fühlten sich ein wenig in erhöhte Aufregung versetzt. Man musste sich fragen: War der Einbezug des Militärs rechtens, war er sinnvoll – und war er Auftakt zu einer Dauerlösung?

Diskutable Einsätze

Teile der Armee werden immer ­wieder zu Sondereinsätzen aufge­boten, die am Rande oder ausserhalb der zentralen Aufgabenbereiche liegen. Der Einsatz bei Naturkata­strophen (Lawinen, Überschwemmungen etc.) ist völlig unbestritten.

Doch bereits die Einsätze bei Grossver­anstaltungen – etwa am jährlichen Weltwirtschaftsforum von Davos, am G8-Gipfel in Evian von 2003, an der Euro 2008 oder am Eidgenössischen Schwingfest – werden als ­diskutabel eingestuft. Da muss, wie auch das Eidgenössische Departement für Verteidigung, ­Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) ­einsieht, mindestens eine saubere ­finanzielle Abgeltung sichergestellt werden.

Die Bundesverfassung bestimmt in Artikel 58, dass die Armee die zivilen Behörden «bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit» unterstützen kann. War dafür die Voraussetzung in Muttenz und Umgebung gegeben?

Erinnerungen an den Landesstreik

Bei der Verfassungsbestimmung geht es vor allem um den sogenannten Ordnungsdienst, der insbesondere in den beiden ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts (vor allem im Landesstreik von 1918) gegen die aufbegehrende Arbeiterschaft ein­gesetzt wurde.
Andere Varianten solcher Einsätze waren etwa 1968 die Stationierung von Truppen im Jura, die erwogene militärische Räumung des Anti-AKW-Protestlagers in Kaiseraugst in den 1970er-Jahren sowie – seit den 1980er-Jahren – der immer wieder zu hörende Ruf nach Militär zum Grenzschutz gegen illegal einreisende Immigranten.

Der gegen die «Flüchtlingsflut» gerichtete Ruf nach der Armee hat mit dem Baselbieter Einsatz gegen kriminelle Banden eine Gemeinsamkeit: nämlich den für einige durchaus erwünschten Nebeneffekt, dass man mit dem Beizug des Militärs zusätzlich darauf aufmerksam machen kann, wie angeblich katastrophal die Verhältnisse sind – offenbar derart katastrophal, dass die von unserer Gesellschaft bereitgestellten zivilen Institutionen (Grenzwache und ­Polizei) nicht mehr ausreichen.

«Die Bösewichte können sich bis zum Ende des WK gedulden.»

Die Schweiz hat eine Milizarmee, eine Bürgerarmee mit etwas militärischer Ausbildung, aber mit niedriger Professionalität. Das Volk hat diese Art von Armee eben kürzlich wieder bekräftigt (in der Abstimmung vom 22. September 2013). Diese Grundtatsache setzt dem Einsatz von Teilen dieser Armee gewisse Grenzen. Von Milizsoldaten durchgeführte Bürgerkontrollen sind formal wie in der Substanz problematisch. Das ist auch den Verantwortlichen des gegen­wärtigen Militäreinsatzes bewusst, betonen sie doch, dass die Militärs im Hintergrund blieben und nur «subsidiär» eingesetzt würden.

Von der Militärpolizei heisst es, dass ihre Aufgabenbereiche vor allem innerhalb der Armee liegen, in der es, armeespezifisch, einen stark hierarchischen Umgang gebe. Die Begegnung von Bürger zu Bürger ist sicher etwas anderes. Anderseits ist aber denkbar, dass Militärpolizei in Ernstfällen auch im Zivilbereich Ordnungsaufgaben übernehmen muss. Und im Hinblick auf diese Eventualität lässt sich der Einsatz als «Übung» rechtfertigen. Aber nur als das und nicht als Sicherung eines akuten Bedarfs an zusätzlicher Sicherheit.

Es sollte bei der Übung bleiben

Aufseiten der Armee gibt es einen verständlichen Übungsbedarf, dem sie Rechnung tragen soll. Hingegen sollte sie es nicht nötig haben, sich mit solchen Extraeinsätzen (wie bei Katastropheneinsätzen) zusätzlich zu legitimieren. Apropos «üben»: Ein Teil des Applauses für die «Operation Muttenz» war zweischneidiger Natur, wenn erklärt wurde, dass mit diesem Militärdienst – offenbar im Gegensatz zum üblichen «Leerlauf» – endlich mal «etwas Positives» ­gemacht werde.

Was von Baselbieter Seite als ­blosse «Ausbildungskooperation» präsentiert wurde, deuten andere als einen Einsatz, der wegen real vorhandener Gefahrenlage berechtigt, ja dringend geboten sei. Dazu gehören Verlautbarungen wie, dass es höchste Zeit sei, die Sicherheit «endlich wiederherzustellen» und dass das Militäraufgebot ein «Zeichen» für den dringenden Handlungsbedarf sei.

«Das Baselbiet hätte Polizeikräfte aus anderen Kantonen anfordern können.»

Wäre das tatsächlich der Fall ­gewesen, dann hätte die Polizei ­zunächst vor allem Polizeikräfte aus anderen Kantonen anfordern können und anfordern müssen. Aber es kann sich hier sicher nicht um die «Bewältigung einer Notlage» gehandelt haben.

Die Militärpolizei wird gemäss ­offizieller Erklärung in nächster Zeit bei weiteren Kontrollen mitwirken. Ja, das dürfte so weitergehen, bis der Wiederholungskurs (WK) der Militärpolizisten zu Ende ist.

Und dann? Sind dann keine Verbrecher-Herbstjagden mehr angesagt, obwohl doch ein Argument (frühes Eindunkeln) weiterhin Gültigkeit beanspruchen darf?

Medien in Aufregung versetzt

Am vergangenen Freitagabend konnte geübt werden, das versetzte eine Region ein wenig und ihre Medien etwas stärker in Aufregung. ­Bemerkenswerterweise gab es keine Meldung, wie viele vermutete Bösewichte eingefangen und Unholde geschnappt wurden. Wenn wenige oder keine, wird man das als Fragwürdigkeit nicht gelten lassen, man wird auf die Abschreckungswirkung verweisen können, wobei sich die ­Bösewichte auch auf diese temporäre Erschwerung einzurichten wissen und sich bis zum Ablauf des WK gedulden können.

Was aber bleibt, ist das Kultivieren der Debatte über eine «alarmierende Thematik» und die eilige Ver­sicherung, dass man das Problem mit Gegenmassnahmen ernst nehme. Beides ist von zweifelhaftem Wert. Bereits haben sich die notorischen Angstmacher und Angstbewirtschafter zu Wort gemeldet und auch in ­Basel-Stadt nach dem Einsatz von Militärpolizei gerufen.

Mehr Gelassenheit bitte!

Hier ist mehr Gelassenheit angezeigt. Der kleinen Aufregung könnte man etwas Positives abgewinnen, wenn sie die Einsicht festigt, dass «Verbrecherkontrolle» eine Daueraufgabe der Polizei sei und diese so ausgestattet sein muss, dass sie diese ohne Militär und ohne Inkaufnahme einer problematischen Symbolik erfüllen kann. Da ist einfach ein ruhiges «Wehret den Anfängen» am Platz.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 18.10.13

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