Mehrere Tage hat Sicherheitsdirektor Isaac Reber (Grüne) geschwiegen. Nun nimmt er Stellung zum umstrittene Einsatz der Militärpolizei im Baselbiet, die dort zusammen mit der Kantonspolizei auf Einbrecherjagd geht. Die Aktion steht im Widerspruch zur Verfassung.
Herr Reber, wie fühlt sich das als Justizdirektor an, ein Problem mit der Verfassung zu haben?
Ich bin Sicherheitsdirektor und als solcher gegenüber der Bevölkerung für die Sicherheit unseres Kantons verantwortlich. Sie dürfen erwarten, dass wir dies immer im rechtlich korrekten Rahmen tun.
Ist die innere Sicherheit in Ihrem Kanton denn tatsächlich schwerwiegend bedroht?
Das Baselbiet ist über alles gesehen einer der sichersten Kantone der Schweiz. Das einzig wirklich gravierende Problem sind die Einbruchsdiebstähle. Diese nehmen seit zwei Jahren leider wieder zu. Deshalb kam die Anfrage des Militärpolizei-Bataillons 1 im Rahmen ihrer WK-Vorbereitung vor über einem Jahr eigentlich zum richtigen Zeitpunkt: Das MP Bat 1 hat unsere Polizei angefragt, ob man zur Schulung der Zusammenarbeit mit Zivilen eine Einsatzübung machen könnte. Hand aufs Herz: Wenn Sie quasi zum Nulltarif unerwartet Unterstützung bekommen in einer Angelegenheit, die Sie ziemlich fordert – da greifen Sie doch zu, wenn das Gesetz eingehalten wird!
Laut Verfassung ist eine schwerwiegende Bedrohung die Voraussetzung für einen Armee-Einsatz.
Das Militär- wie auch das Polizeigesetz wird eingehalten, denn sämtliche Kompetenzen für polizeiliche Zwangsmassnahmen bleiben bei unserer Polizei. Es handelt sich zudem nicht um einen Armee-Einsatz, sondern um eine Einsatzübung. Die Militärpolizisten haben die Möglichkeit, einmal nicht im Sandkasten zu üben. Dabei behält die Polizei jederzeit die Führung. Und sie erhält mehr Kapazitäten für ihre eigentliche Jagd auf Einbrecher.
Auch die Basler Regierung stufte eine solche Zusammenarbeit mit der Militärpolizei schon als verfassungswidrig ein. Lag sie damit falsch?
Ihrer Einschätzung lag die komplett andere Frage zugrunde, ob Basel-Stadt von sich aus Unterstützung durch den Bund anfordern soll. Bei uns ist es umgekehrt. Die Armee fragte uns an, ob wir im Rahmen eines WK an einer gemeinsamen Einsatzübung interessiert seien.
Wer zahlt diesen Einsatz?
Die WK-Kosten gehen zulasten des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport. Die Kosten der Polizei Baselland für diese und weitere Schwerpunktaktionen laufen über das reguläre Budget der Polizei Baselland. Die Unterstützung durch die Militärpolizei kostet uns also keinen Rappen.
Auch das widerspricht den Bestimmungen, wie unter anderem der einstige Basler Polizeikommandant und Sicherheitsexperte Markus Mohler feststellte.
Das stimmt nicht. Herr Mohler ging wohl von falschen Annahmen aus.
Sie sehen also gar keine Probleme in der Zusammenarbeit?
Die Militärpolizei hat keinerlei polizeiliche Kompetenzen. Deshalb ist auch sicher immer ein Polizist auf drei Militärpolizisten unterwegs. Eine Einsatzübung lebt ja von der Praxis, es wird also draussen geübt, in echt quasi. Die Militärpolizisten ermöglichen es unserer Polizei, mehr abschreckende Präsenz zu markieren, die Militärpolizei profitiert von der Übungserfahrung unter realen Umständen.
Welche Reaktionen erhielten Sie auf den laufenden Einsatz?
Weitestgehend begrüssen die Leute diese Präsenz, denn sie dient dem subjektiven Sicherheitsgefühl, das ganz wichtig ist. Die Leserkommentare in fast allen Onlinemedien bestätigen uns in dieser Annahme. Vor allem, wenn wir gerade in dieser Jahreszeit leider wieder vermehrt Opfer von Kriminaltouristen werden. Diejenigen, die diese Einsatzübung kritisieren, müssen sich wohl die Frage gefallen lassen, ob sie sich der Befindlichkeiten zumindest von Teilen der betroffenen Bevölkerung bewusst sind. Wir haben ein Angebot zur faktischen Unterstützung bei der Bekämpfung von Kriminaltouristen bekommen – da haben wir zugegriffen.
Es gibt auch Menschen, die ein mulmiges Gefühl bekommen, wenn im Tram plötzlich ein bewaffneter Soldat vor ihnen steht.
Man erwartet sicher nicht, von bewaffneten Soldaten und Polizisten kontrolliert zu werden. Das kann schon ein unangenehmes Gefühl sein. Aber erstens: Wer kein schlechtes Gewissen hat, hat auch nichts zu befürchten. Zweitens: Entweder, wir haben ein Problem mit Kriminaltouristen – und dann müssen wir uns halt auch zeigen. Oder wir haben kein Problem, dann braucht es auch keine Massnahmen. Die Einbruchszahlen sprechen aber eine klare Sprache: Wir müssen handeln! Auch präventiv, abschreckend.
Sind die Militärpolizisten eigentlich gut genug ausgebildet?
Diese Frage müssen Sie der MP stellen.
In der offiziellen Ankündigung ist die Rede davon, dass die zivil-militärische Zusammenarbeit mit der gemeinsamen Aktion trainiert werden soll. Für den weiteren Kampf gegen Einbrecher? Zur Aufdeckung weiterer Delikte?
Diese Frage müssen Sie dem Führungssstab der Armee stellen, denn wie bereits mehrmals gesagt: Das MP Bat 1 hat uns angefragt. Abgesehen davon: Im Communiqué war auch angekündigt, dass die Polizei eine mehrmonatige Präventionskampagne durchführt. Mir scheint, Sie sind etwas auf diese Einsatzübung fokussiert.
Mit der Weiterentwicklung der Armee sind mehr subsidiäre Einsätze vorgesehen. Eine gute Idee Ihrer Meinung nach?
Wie sich die Armee weiter entwickelt, ist ja aktuell im politischen Prozess auf Bundesebene. In unserer Vernehmlassung haben wir uns im Namen des Baselbiets für den Entwurf ausgesprochen.
Armeenahe Verbände sehen die Gefahr, dass Soldaten zu Hilfssheriffs degradiert werden, was sie scharf kritisieren.
Die Vernehmlassungsantworten werden in Bern ausgewertet, ich werte andere Stellungnahmen nicht.
Wäre es nicht sinnvoller, die spezialisierten Kräfte wie die Polizei den den Grenzwacht zu stärken anstatt Armee beizuziehen?
Für den Grenzschutz ist der Bund zuständig, da sind die Kantone bestenfalls Bittsteller. Wir haben aber nicht vor, einfach auf den Bund zu warten. Deshalb haben wir uns bereits für eine Aufstockung des Grenzwachtkorps in unserer Region eingesetzt. Daneben wollen und müssen wir auch konkret handeln, wo wir das können. Das sind wir den Baselbieterinnen und Baselbietern schuldig.
Bei der Offensive gegen Einbrecher stehen bei der Militärpolizei nun einige Polizisten aus anderen Kantonen im Einsatz. Wäre es nicht sinnvoller, gleich die Polizei zu stärken, anstatt Polizisten zuerst ins Militär zu schicken, um sie dann doch wieder einen Polizeidienst leisten zu lassen?
Die Polizei Basel-Landschaft wird ja, wie Sie wissen, bis 2015 um netto zehn Stellen aufgestockt. Dies unter laufendem Budget und trotz Sparprogramm.
Ist der laufende Einsatz überhaupt ein Erfolg? Haben die Einbrüche abgenommen?
Wie die Polizei Basel-Landschaft angekündigt hat, wird es nach dem Abschluss eine Auswertung dieser Zusammenarbeit geben.
Wie haben sich die Zahlen der Einbrüche in diesem Jahr generell entwickelt?
Die Polizei hat schon mehrmals darauf hingewiesen, dass die Zahlen leider immer noch hoch sind.
Was aus Ihrer Warte für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Militärpolizei spricht?
Bis jetzt ist es als einmalige Einsatzübung gedacht, weil der WK in unserer Region stattfindet. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit werten wir zunächst einmal aus.
Interview und Wochendebatte. Wir baten den Baselbieter Sicherheitsdirektor Isaac Reber schon am vergangenen Sonntag um eine Stellungnahme zum umstrittenen Einsatz der Militärpolizei im Kanton. Dazu äussern wollte er sich aber frühestens in der Landratssitzung vom Donnerstag, was für unsere Wochenausgabe zu spät gewesen wäre. Also einigte man sich auf dieses Interview, das vor der Sitzung in schriftlicher Form geführt, aber erst nachher publiziert wurde.
Zum gleichen Thema läuft auch unsere Wochendebatte mit Samira Marti, Co-Präsidentin Juso Baselland, mit dem Grünen-Landrat Klaus Kirchmayr. Debattieren Sie mit!
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 18.10.13