Hunger auf den zweiten Sitz

Die SVP soll ruhig ihren zweiten Sitz in der Landesregierung erhalten. Viel dringender als das zu verhindern, ist ein politischer Gegenentwurf zum Klima der rechtspopulistischen Polarisierung.

Die SVP will wieder einen zweiten Sitz im Bundesrat. Oder den Familiensitz, wie ihn Karikaturist Tom Künzli nennt.

(Bild: Tom Künzli)

Die SVP soll ruhig ihren zweiten Sitz in der Landesregierung erhalten. Viel dringender als das zu verhindern, ist ein politischer Gegenentwurf zum Klima der rechtspopulistischen Polarisierung.

Die Schweiz hat gewählt, und der Wahlsieg der SVP ist ein Fanal: Die Partei ist so stark wie nie zuvor, hat zusätzliche Wähler mobilisiert und hält jetzt zusammen mit der FDP, die ebenfalls zulegen konnte, eine grosse Mehrheit im Nationalrat. Derweil das Wahlvolk die selbst ernannte Mitte pulverisiert hat.

Eine klare Ausgangslage für die Bundesratswahlen vom 9. Dezember. Bereits vor vergangenem Sonntag – und seither erst recht – erfolgte der Ruf nach einem zweiten Bundesratssitz für die SVP als stärkste parlamentarische Kraft. Natürlich zulasten der Mitte und speziell der BDP, die mit Eveline Widmer-Schlumpf immer noch jene Bundesrätin stellt, die der SVP seit ihrem Parteiwechsel nur noch ein Dorn im Auge war.

Selbst wenn Widmer-Schlumpf sich entscheidet, noch einmal zur Wiederwahl in den Bundesrat anzutreten, wird das Rennen angesichts der Kräfteverhältnisse im neuen Parlament hart. Es wird schwer zu verhindern sein, dass die SVP ihren zweiten Sitz im Bundesrat erringt – wie sie es das letzte Mal mit Samuel Schmid und Christoph Blocher tat, vor den Wirren um eine Oppositionsrolle der SVP und die Gründung der BDP 2008.

Zeit für den politischen Gegenentwurf

Fatal wäre daran nichts. Der Bundesrat würde in dieser Zusammensetzung das Kräfteverhältnis des Parlaments widerspiegeln und jenen Volkswillen, der am Sonntag zum Ausdruck kam. Die ewig polarisierende SVP wäre damit wieder in die Regierungstätigkeit eingebunden, in der sie diese Verantwortung wahrnehmen muss, die sie gerne ankündigt. Da spielen auch die übliche Konkordanzarithmetik oder das Pochen auf einen vermeintlichen Sitzanspruch keine Rolle.

Denn soll der politische Rechtsrutsch der Schweiz wirklich korrigiert werden, spielt es weniger eine Rolle, ob im Dezember der SVP machtpolitisch ein zweiter Bundesratssitz zugestanden wird oder nicht. Viel wichtiger ist es, einen politischen Gegenentwurf zum rechtspopulistisch aufgeladenen Klima dieser Nation zu entwickeln; und der SVP als Regierungspartei mit just diesen direktdemokratischen Mitteln auf die Finger zu klopfen, mit der sie dieses Klima geschürt hat.

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