Der Wahlkampf vor den Wahlen 2015 mag manchem Stimmberechtigten glatt die Lust am Wählen verderben. Doch die Gesetze werden nun mal im Parlament geschmiedet. Auch solche, die Sie existenziell betreffen.
Am 18. Oktober finden die eidgenössischen Wahlen 2015 statt. Gehören Sie dann auch zur Mehrheit der Stimmberechtigten, die ihr Stimmcouvert lieber ins Altpapier wirft als in die Wahlurne? Wenn ja, warum? Weil Sie den Politikerinnen und Politikern in Bern sowieso nicht trauen? Weil die wirklich wichtigen Entscheide nicht im Parlament fallen, sondern in den Chefetagen der grossen Unternehmen? Weil Sie vom Wahlkampf angewidert sind?
Angesichts des unsäglichen, von den SVP-Strategen inszenierten Sommertheaters um die Flüchtlingsfrage hätte ich dafür ein gewisses Verständnis. Auch das Trauerspiel, das «Bundesbern» um die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative aufführt, stärkt das Vertrauen in die Politik nicht besonders. Und die im Bundeshaus vorherrschende Apathie angesichts der von der Nationalbank verursachten Frankenkrise ist schlicht unbegreiflich. Wählen wir dafür unsere Vertreter nach Bern? Um Asylpanik zu verbreiten, menschenrechtswidrige Diskriminierungsgesetze auszuarbeiten und die Hände bei den wirklich brennenden Fragen in den Schoss zu legen?
Existenzielle Fragen
Die Unia ist keine Partei, sondern eine Gewerkschaft. Als solche kümmern wir uns in erster Linie um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für die Arbeitnehmenden in den Betrieben, in den Branchen, mit unseren Gesamtarbeitsverträgen. Als grösste Gewerkschaft der Schweiz haben wir aber auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Mit Initiativen und Referenden gestalten wir die Politik unseres Landes mit und bekämpfen die Sozialabbaupläne der bürgerlichen Parlamentsmehrheit, die auf Kosten der Beschäftigten gehen. Manchmal mit Erfolg, wie beim Rentenklau-Referendum gegen die Senkung des Umwandlungssatzes bei den Pensionskassen.
Dennoch: Referenden gewinnen ist zwar gut und wichtig. Aber Abwehrkämpfe allein genügen nicht. Sie binden Ressourcen, die wir andernorts in den Kampf für sozialen Fortschritt und bessere Lebensbedingungen investieren könnten. Und indem wir nur Schlimmeres verhindern, haben wir noch nicht die richtigen Fragen auf die Tagesordnung gebracht. Um beim Beispiel der Altersvorsorge zu bleiben: Wie bauen wir diese um, damit sie allen eine würdige Existenz im Alter garantiert?
Ich möchte nicht, dass sich die Schweiz ganz von sozialer Gerechtigkeit verabschiedet.
Es ist also nicht gleich, welche Gesetzesvorschläge das Parlament in Bern ausarbeitet. Mit den Plänen zur Erhöhung des Frauenrentenalters und der Senkung des Umwandlungssatzes sind wir mit dem grössten Rentenklau-Versuch aller Zeiten konfrontiert. Einziger Lichtblick: Dass die vorberatende Ständeratskommission vor wenigen Tagen eine lineare Erhöhung der AHV-Rente um 70 Franken vorgeschlagen hat, ist ein wichtiges Signal. Es zeigt, dass es nicht um eine «technische» Demografie- und Sparproblematik geht, sondern um eine wahrhaft existenzielle Frage, die uns alle betrifft. Kein Wunder speit die bürgerliche Presse dagegen Gift und Galle.
Echter Richtungswechsel
Die Umfragen für die Oktoberwahl prognostizieren einen Rechtsrutsch. Findet er tatsächlich statt, werden wir lange auf solche positive Signale aus Bern warten müssen. Die «Neue Zürcher Zeitung» träumt sogar von einem «Richtungswechsel»: Ein noch rechteres Parlament könnte eine generelle Erhöhung des Rentenalters in die Wege leiten.
Diese Richtung ist falsch. Ich möchte nicht, dass sich die Schweiz ganz von sozialer Gerechtigkeit verabschiedet. Darum wähle ich am 18. Oktober jene Kräfte, die sich auch in Bundesbern für soziale Sicherheit und Ausgleich einsetzen. Denn davon braucht es mehr. Das wäre doch ein echter Richtungswechsel.