Imsi-Catcher: Die Behörden schweigen und verhindern so die Diskussion

Ermittelt die Polizei mit einem Imsi-Catcher, sind die Kollateralschäden immens. Die Behörden entziehen sich dennoch der öffentlichen Diskussion. Vertrauen wird so zur wertlosen Währung.

Klandestine Ermittlung: Die Antenne hat den Schlapphut ersetzt.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Ermittelt die Polizei mit einem Imsi-Catcher, sind die Kollateralschäden immens. Die Behörden entziehen sich dennoch der öffentlichen Diskussion. Vertrauen wird so zur wertlosen Währung.

Die Polizei unternimmt alles, um gefährliche Kriminelle festzunehmen. Dabei muss sie ihre Ermittlungsmethoden stets an die Vorgehensweise der Täter anpassen. So ist es üblich, dass Drogendealer gleichzeitig mehrere Mobiltelefone und SIM-Karten benutzen beziehungsweise diese ständig wechseln. Entsprechend auf Zack müssen die Beamten der Betäubungsmittelfahndung sein. Wer sich ein Bild davon machen will, wie aufwendig eine solche Ermittlung per Telefon-Überwachung werden kann, dem sei die amerikanische Weltklasse-Serie «The Wire» empfohlen.

Den Ermittlern stehen verschiedene Methoden und Technologien zur Verfügung. So können einzelne Rufnummern direkt abgehört werden. Ein sogenannter Antennensuchlauf zeigt, mit welchen Telefonen wann und wo ein Anruf getätigt wurde. Und der Imsi-Catcher schliesslich erlaubt es, sämtliche eingeschalteten Mobiltelefone innerhalb eines bestimmten Radius zu identifizieren, zu lokalisieren, abzuhören, zu blockieren oder den Datenverkehr zu manipulieren.

Der erste konkrete Einsatz eines Imsi-Catchers durch die Basler Staatsanwaltschaft wurde anlässlich eines Gerichtsverfahrens gegen eine Kleinbasler Dealerbande bekannt.

Die Möglichkeiten sind gross, riesig ist aber auch das Missbrauchspotenzial. Bei Demonstrationen in Kiew setzten die Behörden die Technologie dazu ein, sämtliche Teilnehmer einer regimekritischen Demonstration zuerst zu identifizieren und sie danach per SMS darüber in Kenntnis zu setzen, dass man sie als Teilnehmer einer «Massenunruhe» registriert habe.

Vertrauen ist die einzige Währung in dieser Angelegenheit, denn Transparenz gibt es keine.

Die Basler Staatsanwaltschaft (Stawa) erklärt, dass mit dem Imsi-Catcher «keine Gesprächsinhalte, sondern nur Standortdaten von Rufnummern aufgezeichnet» würden. Sprich: Wir müssen darauf vertrauen, dass die Stawa nur einen Bruchteil der technologischen Möglichkeiten ausschöpft, die der Imsi-Catcher tatsächlich bietet. Und Vertrauen ist die einzige Währung in dieser Angelegenheit, denn Transparenz gibt es keine. Anfragen bei der Stawa werden, wenn überhaupt, nur äusserst knapp beantwortet. Weitere Fragen werden kategorisch abgeblockt, nicht einmal der Grund für die restriktive Informationspolitik ist zu erfahren.

Weil es für den Einsatz des Imsi-Catchers heute noch keine ausdrückliche Rechtsgrundlage gibt, müssen die Ermittler beim Zwangsmassnahmengericht (ZMG) eine Genehmigung einholen. In Basel handelt es sich dabei um eine Abteilung des Strafgerichts, wo unter Ausschluss der Öffentlichkeit etwa über die Anordnung von Untersuchungshaft oder eben über Überwachungsmassnahmen entschieden wird. Die Entscheide dieser «Dunkelkammer» werden nicht veröffentlicht, sondern finden lediglich Eingang in die Strafakten beziehungsweise in die Beweisführung der ermittelnden Behörde.

Die Intransparenz ist nicht nur ärgerlich. Sie verhindert auch eine kritische öffentliche Diskussion über das Thema.

Die Öffentlichkeit erfährt nur in Ausnahmefällen oder per Zufall davon, ob und wann ein solcher Imsi-Catcher eingesetzt wurde. Ein seltenes Beispiel ist ein Urteil vom September 2011, welches das ZMG Basel-Landschaft veröffentlicht hat. Darin wird der Imsi-Catcher mit dem bereits erwähnten Antennensuchlauf verglichen. In diesem sieht das ZMG einen «grösseren Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre» als beim Imsi-Catcher. Mit diesem werde «allenfalls das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die allgemeine Handlungsfreiheit» verletzt. Der Einsatz eines Imsi-Catchers sei deshalb als «geringfügiger Eingriff» zu werten.

Diese Intransparenz ist nicht nur ärgerlich, weil hier Überwachungstechnologien eingesetzt werden, die unsere Grundrechte verletzen. Sie verhindert auch eine kritische öffentliche Diskussion über das Thema. Heute fühlen sich viele Menschen noch immer nicht betroffen vom Überwachungsstaat. Wüsste jeder, ob er bereits einmal von einem Imsi-Catcher erfasst wurde, wäre die Betroffenheit grösser. Und die Diskussion erhielte mehr Relevanz, mehr Tragweite.

Ein Imsi-Catcher ist keine Präzisionswaffe, um grosse Fische zu fangen. Er ist ein Schleppnetz, in dem jeder hängen bleibt, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist.

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