Investieren wir in Flüchtlinge!

Die Diskussion um Sozialhilfekosten, die Flüchtlinge generieren, sollten wir nicht der SVP überlassen. Das Problem ist lösbar. Mit gezielten Investitionen.

Der Kanton startet eine Plakatkampagne zum Thema «Chancen». Das ist ein erster Schritt, aber nicht genug.

(Bild: PALACIOS PHOTOGRAPHY)

Die Diskussion um Sozialhilfekosten, die Flüchtlinge generieren, sollten wir nicht der SVP überlassen. Das Problem ist lösbar. Mit gezielten Investitionen.

Es läuft etwas schief im Schweizer Flüchtlingswesen. Nein, es geht nicht um «Asylchaos» und steigende Gesuchszahlen. Es geht um Integration: Nach wie vor findet nur jeder vierte anerkannte Flüchtling in der Schweiz eine Arbeit. Die übrigen leben oft über Jahre von der Sozialhilfe.

Ein Zustand, den nur die SVP anprangert – jedoch unter der falschen Prämisse, Flüchtlinge seien faul. Dabei ist Arbeitslosigkeit meist nicht die Schuld des Einzelnen, sondern ein strukturelles Problem – und das sollten alle Parteien anpacken, die an konstruktiven Lösungen interessiert sind.

Anerkannte Flüchtlinge wie Aron Gebreleul oder Ahmed Jizawi, die wir befragten, wollen arbeiten – wie wohl die meisten Flüchtlinge. Das Problem jedoch ist: Sie finden nur selten eine Stelle, weil ihre Ausbildung nicht anerkannt ist, ihre Sprachkenntnisse nicht ausreichen oder sie die falsche Hautfarbe und den falschen Namen haben.

Plakate für mehr Offenheit

Der Kanton hat deswegen gerade eine Plakatkampagne gestartet, um unseren Blick zu schärfen und für Offenheit zu werben. Das ist ein erster Schritt hin zu mehr Chancengleichheit. Das Thema Integration ist damit aber nicht erledigt.

Die Probleme, von denen Gebreleul und Jizawi erzählen, sind lösbar. Der Staat müsste dazu mehr Geld in die Hand nehmen und gezielt in Flüchtlinge investieren. Über Integrationsprojekte für Flüchtlinge wird seit Jahren gesprochen. Es gibt Pilotprojekte, in denen Flüchtlinge auf dem Bauernhof arbeiten, in der Gastronomie, auf dem Bau. Die Effekte blieben aber marginal. Das Projekt Flüchtlinge in der Landwirtschaft brachte 15 Flüchtlinge pro Jahr auf Schweizer Äcker. 15 – bei 6377 positiven Asylentscheiden im Jahr 2015.

Dabei ist klar, was weiterhilft: Sprachkurse und Ausbildungsplätze. Bei den Deutschkursen tut der Kanton Basel-Stadt bereits einiges. Bei der Ausbildung hingegen wenig. Hier könnte er zum Beispiel denjenigen eine Lehrstelle finanzieren, die es sich nicht leisten können, eine Ausbildung zu machen – eine Idee des Soziologen Ganga Jey Aratnam. Der Lehrlingslohn von unter 1000 Franken im Monat reicht nicht aus, um eine Familie über die Runden zu bringen. Hier müsste der Staat finanziell nachhelfen. Basel-Stadt könnte auch die Lehrstellen des Kantons gezielt an Leute vergeben, die es schwer haben, auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden.

Auch Ü50-Generation einschliessen

Ein solches Engagement könnte auch gleich weitere Personen einschliessen. Zum Beispiel Menschen, die bereits hier leben und auf dem Arbeitsmarkt ausrangiert wurden – die sogenannte Generation Ü50. Sie sind in einer ähnlichen Situation wie anerkannte Flüchtlinge: überfordert und alleingelassen auf dem Arbeitsmarkt.

Ein staatlich finanziertes Weiterbildungsprogramm würde auch ihnen helfen. Denn ein solches sollte sich nicht auf Flüchtlinge beschränken, sonst entsteht Neid und später Hass. Das niederschwellige Programm könnte für all jene offenstehen, die auf dem Weg in einen Job Hilfe benötigen.

Es geht dabei nicht nur darum, das eigene Gewissen zu beruhigen. Es geht um eine Investition, die langfristig massiv Kosten spart. Etwa eine Milliarde zahlt der Bund jährlich für Sozialhilfe, die Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge beziehen. Was sind da Zusatzkosten von 2000 Franken im Monat für eine Lehrstelle, wenn nach dem Lehrabschluss Sozialhilfekosten wegfallen und Steuersubstrat generiert wird?

Über neue Anreize könnten wir den Kreislauf brechen, den Rechtspopulisten seit Jahrzehnten bewirtschaften: Flüchtlinge werden diskriminiert, weil sie keine Arbeit finden – und finden keine Arbeit, weil sie diskriminiert werden. Investieren wir also in Flüchtlinge und entziehen den Populisten damit die Argumente, mit denen sie ein neues «Asylchaos» herbeireden können.

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