Jetzt bleibt nur noch der Rückzug der Initiative

Nachdem bekannt geworden ist, dass die treibende Kraft im Kampf gegen den Sexualkundeunterricht in den Schulen ein verurteilter Kinderschänder ist, wurde er vom Initiativkomitee ausgeschlossen. Doch das reicht nicht. Ein Kommentar.

Unfreiwillig im Mittelpunkt: Benjamin Spühler (Bildmitte, hier bei der Präsentation der Volksinitiative am Dienstag in Bern). (Bild: Keystone)

Nachdem bekannt geworden ist, dass die treibende Kraft im Kampf gegen den Sexualkundeunterricht in den Schulen ein verurteilter Kinderschänder ist, wurde er vom Initiativkomitee ausgeschlossen. Doch das reicht nicht.

Nein, er sei nie wegen sexuellem Missbrauch einer Minderjährigen verurteilt worden, versicherte Benjamin Spühler der TagesWoche wie auch allen anderen Medien, die gestern Donnerstag via Mail eine entsprechende Information erhalten hatten. Der Vorwurf, dass ausgerechnet einer, der seit Wochen Sturm läuft gegen den geplanten Sexualkundeunterricht in Kindergarten und Primarschule, ein verurteilter Kinderschänder sein soll, las sich zunächst wie eine Verleumdungskampagne.

Doch im Laufe der Recherchen verdichtete sich der ungeheuerliche Verdacht. So berichtete die Basler Zeitung im September 1996 über einen Gerichtsfall vor dem Liestaler Strafgericht, bei dem einem damals knapp 45-jährigen Mann vorgeworfen wurde, ein Mädchen zwischen dessen 12. und 15. Lebensjahr unzählige Male zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Die Berichte über diesen Gerichtsfall stimmten erschreckend mit den in der Mail erhobenen Vorwürfen überein. Der Versuch, beim Strafgericht Liestal kurzfristig eine Bestätigung von Spühlers Verurteilung zu erhalten, scheiterte. An einer gesetzlichen Bestimmung, wonach «Aussagen zu einem rechtskräftig abgeschlossenen Fall einer Amtsgeheimnisverletzung gleichkäme», so die Antwort aus Liestal.

Heute wissen wir: Benjamin Spühler ist ein verurteilter Kinderschänder. Unter dem zunehmenden Druck der recherchierenden Journalisten knickte er schliesslich ein und gab seine Verurteilung immerhin gegenüber seinen Gesinnungsgenossen in Sachen Sexualkunde zu. Zwar bestritt er die ihm vorgeworfenen Taten und tut das heute noch, aber das Gericht glaubte dem Opfer und schickte Spühler für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Dem Komitee der diese Woche in Bern eingereichten Volksinitiative «Ja zum Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule» blieb nichts anderes übrig, als sich von ihm zu trennen. Doch das reicht nicht.

Unser Rechtssystem sieht zwar neben der Bestrafung eines Täters auch dessen Resozialisierung vor. Einfacher formuliert: Wer seine Strafe abgesessen hat, hat das Recht auf eine zweite Chance. Heikel ist allerdings, wenn einer sich in einem Betätigungsfeld tummelt, in dem er straffällig geworden war. Und gerade die rechtskonservativen Kreise, die sich sehr schnell und bereitwillig Benjamins Spühlers Kampf gegen den Sexualkundeunterricht angeschlossen haben, schreien am lautesten, wenn es um Pädophilie geht. Von lebenslänglicher Verwahrung über öffentliches Anprangern bis zu Zwangskastration wird alles an Forderungen eingebracht. Was dann an den Stammtischen in den Ruf nach Wiedereinführung der Todesstrafe umgewandelt wird.

Der Fall von Benjamin Spühler zeigt einmal mehr, wie gern das Thema Sexualität von Heuchlern besetzt wird. Wie lange haben Kirchenvertreter dank der Tabuisierung der Sexualität Kinder missbrauchen können!

Tatsache ist eben, und das bestätigen sämtliche Fachleute – auch die Polizei: Aufgeklärte Kinder lassen sich nicht so leicht missbrauchen. Und genau darum geht es beim Sexualkundeunterricht. Exakt mit dem Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung argumentieren diejenigen, die einen moderaten, selbstverständlich dem Alter der Kinder angepassten Sexualkundeunterricht einführen wollen.

Dass ein verurteilter Kinderschänder die Initiative gegen diese Aufklärung ergriffen hat, sollte allen, die sich ihm angeschlossen haben, Grund genug sein, diese Initiative zurückzuziehen. Es geht nämlich darum, unsere Kinder vor solchen Menschen wie Benjamin Spühler zu schützen.

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