Auch nach den Anschlägen in Frankreich wird der Zustrom von Schutzsuchenden anhalten. Wichtig ist jetzt nicht das Errichten eines Notregimes, sondern der aufgeklärte Umgang mit den Menschen, die hier sind, und mit denen, die noch kommen werden.
Da kommen sie also über die Grenzen, vor allem im Osten und im Norden, und ihre Zahl soll die ursprüngliche Prognose des Bundes noch deutlich übertreffen. Mit 29’000 Asylsuchenden rechnete der Bund ursprünglich für 2015, kürzlich korrigierte er die Zahl auf 34’000, und es sollen noch mehr werden.
Laut Recherchen der «Basler Zeitung» rechnet das Staatssekretariat für Migration (SEM) allein im November mit bis zu 10’000 Menschen, die Zuflucht in der Schweiz suchen. Und selbst wenn das SEM die Zahl bereits wieder relativiert und sogar als «unseriös» bezeichnet hat, bleibt die Tatsache, dass jeden Monat Tausende von Schutzsuchenden in die Schweiz ziehen.
Die Herausforderung an die Zivilgesellschaft
Aktuell stammen die meisten aus Afghanistan; die Syrer machen derzeit nur rund 16 Prozent aus. Die kantonalen Polizeidirektoren liebäugeln bereits mit einem Notregime des Bundes, das unter anderem das Asylrecht einschränken kann. Sie beurteilen die Lage als angespannt, die Zahl der Unterkünfte wird knapp.
So stehen wir mitten im Brennpunkt der Zuwanderungswelle nach Europa. Sich dagegenzustellen ist sinnlos; die Migration findet statt. Stellen wir uns also besser der Tatsache, dass die Menschen kommen, und viel wichtiger noch: schon hier sind. Es ist die Herausforderung an unsere Zivilgesellschaft, sie aufzunehmen.
Wir lernen einmal mehr, dass die Grenzen eines Nationalstaats nicht die Grenzen der Welt sind.
Man muss nicht jeden Grund verstehen können, nicht jeden Fluchtweg im Geist oder gar zu Fuss selbst mitgegangen sein. Aber man muss die Menschen, die hier sind, akzeptieren – ob sie bleiben wollen oder weiterziehen. Das ist keine staatspolitische Aufgabe; es ist die grosse humanitäre Aufgabe unserer Zeit.
Wir lernen einmal mehr, dass die Grenzen eines Nationalstaats nicht die Grenzen der Welt sind. Entscheiden wir uns also, ob wir es auf die harte Tour lernen wollen, in einem Klima aus Angst, Zurückhaltung, Repression. Oder ob wir uns als aufrichtige Bürger einer Welt sehen, in der wir Verantwortung für andere Menschen wahrnehmen – mit Akzeptanz und Integration. Denn Sicherheit und Stabilität gibt es nur auf dem zweiten Weg. Und zwar für beide Seiten.
Artikelgeschichte
geändert 16. November