Jetzt wäre der Zeitpunkt, den Standort zu überprüfen

Der EuroAirport wächst unaufhaltsam. Jetzt wäre der Zeitpunkt, um über einen neuen Standort nachzudenken, fordert Madeleine Göschke-Chiquet, Präsidentin des Schutzverbands der Bevölkerung um den Flughafen Basel-Mulhouse.

Wachstum ohne Grenzen: Die Zahl der Flüge am EuroAirport soll auf 147 000 pro Jahr steigen. Das sind doppelt so viele wie 2010.

(Bild: Keystone)

Der EuroAirport wächst unaufhaltsam. Jetzt wäre der Zeitpunkt, um über einen neuen Standort nachzudenken, fordert Madeleine Göschke-Chiquet, Präsidentin des Schutzverbands der Bevölkerung um den Flughafen Basel-Mulhouse.

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) sagt dem EuroAirport im Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt (SIL) eine glänzende Zukunft voraus. Grenzen des Wachstums sind im SIL nicht vorgesehen. Ausgehend vom Jahr 2010 soll sich die Zahl der Flüge auf 147 000 verdoppeln. Das bedeutet auch eine Verdoppelung der Südlandungen. Danach ist zur weiteren Kapazitätssteigerung eine zweite Nord-Süd-Piste notwendig. «Gebiete mit Lärmauswirkung», also Gebiete mit Bauverboten, «müssen entsprechend angepasst werden.»

Der Euro­Airport (EAP) soll sich nachfrage­orientiert entwickeln. «Dabei muss im Interesse der ökonomischen und sozialen Dimension der Mobilität in Kauf genommen werden, dass die Belastungsgrenzwerte für Fluglärm in der Umgebung dieser Anlagen nicht überall eingehalten werden können.» Ökologische Nachhaltigkeit gilt, soweit sie wirtschaftlich tragbar ist.

Regierung gegen verlängerte Nachtflugsperre

Wie soll dieses immense Wachstum zustandekommen? Schon 2008 war im SIL zu lesen, der Flugverkehr werde am EAP stark zunehmen wegen der verlängerten Nachtflugsperre in Frankfurt und Zürich. Flughafen und Basler Regierung wollen die «Tagesrandflüge» weiter ausbauen, ein Monopol dank der andernorts verlängerten Nachtflugsperre.

Die Basler Regierung lehnt deshalb eine Verlängerung der Nachtflugsperre von heute 24 bis 5 Uhr auf 23 bis 6 Uhr, wie in Zürich, entschieden ab. Der Regierungsrat betont zwar, er wünsche keine «Ausweichflüge». Aber niemand kann den EAP in Zukunft daran hindern, Flüge aufzunehmen, die anderswo wegen längerer Nachtflugsperre nicht mehr landen können.

Bahnanschluss als Wirtschaftsfaktor

Ein entscheidender Wachstumsfaktor ist auch der geplante Bahnanschluss des EuroAirports. Laut SIL-Entwurf «dient der Bahnanschluss einer Entlastung der langfristig an ihre Kapazitätsgrenzen stossenden Flughäfen Zürich und Genf». Somit wird mit dem Bahnanschluss eine Verkehrsverschiebung von Zürich und Genf zum EuroAirport geplant. Noch deutlicher wird die IG Luftverkehr: «Wünschenswert wäre eine Verlagerung eines Teils der Passagiere (vom Flughafen Zürich) zum EuroAirport, der noch freie Kapazitäten hat.»

Im offiziellen französischen Dokument Nouvelle Liaison Ferroviaire EuroAirport von 2012 steht wörtlich: «Die Rolle des an das Schienennetz angebundenen EAP als internationales Eingangstor nach Europa wird zunehmend gestärkt.» Damit ist klar: Der Regionalflughafen soll zum Interkontinentalflughafen werden. Und mit dem Bahnanschluss will man bei Kurzstrecken die Verkehrsverlagerung aus der Luft auf Hochgeschwindigkeitszüge verhindern. Folglich soll diese Bahn den Bahnverkehr konkurrenzieren, ein ökologisch fragwürdiges Ziel.

Unruhe bei der Bevölkerung

Der SIL hat bei der betroffenen Bevölkerung erhebliche Unruhe ausgelöst. Die Regierungen beider Basel wünschten deshalb abgeschwächte Formulierungen etwa bei der zweiten Nord-Süd-Piste: «Die Erwähnung einer Parallelpiste im Objektblatt führt lediglich dazu, bestehende Widerstände gegen den EAP zu verstärken….», so die Begründung der Basler Regierung.

An den Plänen selbst hat sich damit nichts geändert, wie die mass­gebenden französischen Dokumente zeigen. Das Land einer zweiten Nord-Süd-Piste bleibt reserviert. Auch an der Möglichkeit der Verkehrsver­lagerung zum EAP wird in der Endfassung des SIL festgehalten: «Mit ­einem solchen (Bahn-)Anschluss soll die Einbindung des Flughafens ins innerschweizerische Luftverkehrssystem sichergestellt werden.»

Für Fluggäste aus der Schweizer Region genügt die leistungsfähige Busverbindung zwischen Basel SBB und EAP im 7 ½-Minuten-Takt vollständig. Auch die Eidgenössische Finanzverwaltung hielt im Rahmen der Vernehmlassung fest, der ÖV-Anschluss des Flughafens sei bereits heute sehr gut.

Umsteigen müsste man in Basel auch mit einem Bahnanschluss, weil die Schweizer Züge auf dem französischen Netz nicht verkehren können. Andere ÖV-Projekte sind wichtiger als eine Bahnlinie in Frankreich, etwa die S-Bahn, die Doppelspur ins Laufental oder der Wisenbergtunnel. Diese Projekte sind finanziell noch nicht gesichert.

Fluglärm wird zunehmen

Was bedeuten die offiziellen Vorgaben für die Betroffenen? Flugbetrieb und Fluglärm werden mit Sicherheit zunehmen, auch als Folge des Bahnanschlusses. Sonst würden sich die geplanten Investitionskosten von rund 300 Millionen einschliesslich Steuern gar nicht rechnen.
Mit ihren Wachstumsplänen laufen EAP und Kantonsregierungen Gefahr, den Fluglärm zu einer Belastung für Gesundheit und Lebensqualität der betroffenen Bevölkerung zu machen. Der Standortvorteil des Flughafens kann sich dadurch in einem Standortnachteil verkehren.

Betroffen sind auf Schweizer Seite rund 70 000 Personen, deren Wohngemeinden sich zum Gemeindeverbund Flugverkehr zusammengeschlossen haben. Sieben dieser Gemeinden gehören auch dem Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Basel-Mulhouse an. Beide Organisationen sind für eine nachhaltige Zukunft des EAP, aber gegen die zusätzliche Fluglärmbelastung von dicht besiedelten Wohngebieten.

Eine Verlegung des EuroAirports nach Norden würde die engere Region Basel weitgehend entlasten.

Eine Verlegung nach Norden um 15 bis 20 Kilometer in dünnbesiedeltes Gebiet würde die engere Region Basel weitgehend vom Fluglärm ­entlasten und die Zahl der einem ­Absturzrisiko ausgesetzten Personen drastisch senken. Laut EAP-Direktor Jürg Rämi käme die Verlegung auf etwa eine halbe Milliarde Euro zu stehen. Würde der EAP in die Nähe der bestehenden Bahnlinie Basel–Mulhouse verlegt, so liessen sich die Kosten für die umstrittene neue Bahnverbindung weitgehend einsparen. Damit würden sich die Verlegungskosten von 500 Millionen auf zirka 250 Millionen Euro reduzieren.

Bevor sich die Flüge am EAP laut SIL verdoppeln und die jetzige Pistenanlage 3,5 Kilometer vor unseren Wohnquartieren endgültig zementiert wird, lohnt sich die grundsätzliche Überprüfung des heutigen Standorts des EAP.

Madeleine Göschke-Chiquet ist Präsidentin des Schutzverbands der Bevölkerung um den Flughafen Basel-Mulhouse.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 14.06.13

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