Einmal mehr zeigt sich, wie schwer sich Basel mit Veränderungen tut. Das Stadtbild ja nicht beeinträchtigen, findet die Mehrheit der Abstimmenden. Das ist im Fall des Grossbasler Rheinuferstegs aber auch gar nicht so schlimm. Viel wichtiger wäre es, die Kräfte aufs Kleinbasler Ufer zu konzentrieren. Hier lockt die Riviera, hier spielt die Zukunft.
Während ich diese Zeilen verfasse, ist es längst schattig am Grossbasler Rheinufer. Schattig und – seien wir ehrlich – auch ein bisschen langweilig, auf der Pfalz, hinter dem Münster. So langweilig, dass es einen über die Brücke zieht.
Auf der Kleinbasler Seite hingegen räkeln sich mehrere hundert Sonnenhungrige. Ob sie sich an einem Grossbasler Steg ästhetisch gestört hätten? Kaum. Das heisst aber nicht, dass sie sich für den Steg so stark eingesetzt haben wie Initiant Daniel Goepfert. Denn den meisten Sonnenhungrigen ging diese Abstimmung schlicht am Schattenhang vorbei. Darum ging sie auch verloren: Weil der zwingende Mehrwert, die grosse Notwendigkeit, das echte Bedürfnis fehlte.
Da muss man – auch wenn es einem ein bisschen schwer fällt – den Ewiggestrigen um Heimatschützer Robert Schiess Recht geben: Die Stadt kann gut ohne diese Steg-Verbindung. Es kämen auch nicht mehr Touristen hierher, weil man im Schatten des Münsterhangs spazieren kann. Es geht ganz gäbig ohne diese durchgehende Verbindung in Basel.
«Das weltoffene Basel ist konservativer als sein Ruf.»
Dennoch ist es bedauerlich, dass mehr als die Hälfte jener Menschen, die abgestimmt haben, dagegen ist. Bedauerlich, weil «dagegen sein» diese Stadt in Zukunft nicht weiter bringen wird. Basel steht Veränderungen skeptischer gegenüber, als man gemeinhin denken könnte.
Bedauerlich ist der Entscheid auch, weil die Initianten aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und fast alles richtig gemacht haben: Sie haben keine Visualisierungen, kein pfannenfertiges Projekt ins Feld geführt. Und damit auch nicht die gleiche Angriffsfläche geboten, wie das beim Zaha-Hadid-Stadtcasino der Fall war. Die Initianten haben einfach mal einen grundsätzlichen Pflock für einen Steg einschlagen wollen. Dagegen gäbe es eigentlich nichts einzuwenden. Basel aber fürchtet sich sehr schnell vor Eingriffen in die jahrzehntelang gewachsene Stadtsubstanz. Und es entscheidet im Zweifelsfall konservativ, wenn es um bauliche Eingriffe geht. Das weltoffene Basel ist bedeutend konservativer als sein Ruf.
Nach vorne schauen – aufs andere Ufer
Vielleicht hätten Goepfert und Co. ihren Abstimmungskampf gewonnen, wenn sie mehr Leute mobilisiert hätten. Leute, die eine Zukunft vor sich haben und nicht in der Vergangenheit leben. Die Stimmen, die dem Grossbürgertum eins auswischen wollten, reichten jedenfalls bei weitem nicht aus. Nur um einigen Reichen klarzumachen, dass das Rheinufer zwischen Wettstein- und Mittlerer Brücke nicht ihnen allein gehört, sprechen sich keine Tausendschaften für ein Bauprojekt aus.
Das urbane Potential liegt im Kleinbasel
Aber: Statt diesem Steg jetzt nachzutrauern, sollten die 47 Prozent, die Befürworter, nach vorne schauen: Und damit meine ich ans Kleinbasler Ufer. Hier liegt das Potential der Zukunft.
«Für diese Generation ist der Grossbasler Rheinuferweg kein Thema mehr», sagte Goepfert im Regionaljournal von Radio SRF resigniert. Recht hat er. Umso wichtiger, dass er und seine Sympathisanten sich künftig für die weitere Aufwertung des Kleinbasler Rheinufers starkmachen.
Denn seien wir ehrlich: Das Kleinbasler Ufer ist die schönere Flaniermeile, die sonnigere auch – und die Aussicht von dieser Seite des Rheins attraktiver. Hier sollte man ansetzen, das Potential ausschöpfen, aus touristischer Sicht wie auch in Sachen Lebensqualität: Wer Städte wie Berlin, Hamburg oder Barcelona schätzt, erkennt, was Basel aus dem Kleinbasler Ufer noch rausholen könnte.
Und das ist gerade auch deshalb realistisch, weil die konservativen Kräfte sich für diese Seite des Rheins weit weniger stark interessieren als für das historisch gefestigte Basel. Hier sollte man daher die Kräfte einsetzen, und zwischen Tinguely Museum und Dreiländereck die urbane, moderne Seite unserer Stadt präsentieren.
Gerade zwischen Hafen und Dreirosenbrücke bietet sich eine fantastische Chance, ein Berlin Basel des 21. Jahrhunderts zu gestalten, nah am Zeitgeist, nah am Wasser. Go with this flow!