Matteo Renzi verleiht Italiens Linken Flügel

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi geniesst in der Bevölkerung einen Rückhalt, wie ihn in den 1950er-Jahren zuletzt die Democrazia Cristiana erreichen konnte. Seine Mitte-Links-Partei hat im ganzen Land gesiegt und die EU-feindlichen Populisten von Beppe Grillos 5-Sterne-Bewegung in die Schranken gewiesen.

Premier Matteo Renzi bricht für Italiens Linke alle Rekorde. (Bild: ALESSANDRA TARANTINO)

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi geniesst in der Bevölkerung einen Rückhalt, wie ihn in den 1950er-Jahren zuletzt die Democrazia Cristiana erreichen konnte. Seine Mitte-Links-Partei hat im ganzen Land gesiegt und die EU-feindlichen Populisten von Beppe Grillos 5-Sterne-Bewegung in die Schranken gewiesen.

Beppe Grillo hatte schon im Vorhinein einen «Tsunami» angekündigt, einen Erdrutschsieg, der die Kräfteverhältnisse in Italien für immer verändern würde. Der Ex-Komiker und seine europaskeptische 5-Sterne-Bewegung hatten ein Referendum über den Euro versprochen und gaben sich siegesgewiss. «Wir werden gewinnen!», brüllte Grillo zuletzt am Freitag in Rom.

Allerdings triumphierte dann doch ein anderer bei der EU-Wahl in Italien und wurde anschliessend von der heimischen Presse mit Superlativen gefeiert. «Renzis Triumph», titelte die linksbürgerliche Zeitung «La Repubblica». Auch «Il Fatto Quotidiano», ein unabhängiges Blatt, das Grillos Bewegung aufgeschlossen gegenüber steht, erkannte den Erfolg des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten an. «Tsunami Renz» titelte die Zeitung am Montag.

Historischer Sieg der Linken

Matteo Renzi hat seine Demokratische Partei (PD) bei der Europawahl mit knapp 41 Prozent zu einem historischen Sieg geführt. Noch nie war in Italien einer Partei links von der Mitte ein so gutes Ergebnis gelungen. Historiker mussten weit in die Geschichte der Republik zurück blicken, um Vergleiche zu ziehen, etwa mit Erfolgen der Christdemokraten in den 1950er-Jahren. «Ich bin stolz, ein Land zu repräsentieren, dass Europa ein außerordentliches Signal der Hoffnung gegeben hat», sagte der Premier auf einer Pressekonferenz am Montag. Als hohen Sieg der Vernunft über die EU-Skeptiker, so interpretierte Renzi selbst das Ergebnis und kündigte an, bisher geltende Regeln etwa zur Begrenzung der Neuverschuldung weiter zu beachten.

Grillos Protest-Bewegung erreichte mit 21 Prozent nur gut die Hälfte der Stimmen der Sozialdemokraten. Bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr war die 5-Sterne-Bewegung noch auf mehr als 25 Prozent der Stimmen gekommen.

Statt wie Grillo lautstark Wut gegen die EU zu schüren, setzt Renzi auf einen besonnenen Reformkurs.

Es ist unstrittig, dass Premier Renzi, der erst seit drei Monaten im Amt ist, die entscheidende Figur für den Wahlsieg seiner Partei war. Statt wie Grillo lautstark Wut und Zorn gegen Berlin und die EU zu schüren, mit der Kündigung des Fiskalpakts und Online-Tribunalen gegen missliebige Journalisten zu drohen, setzte Renzi auf einen besonnenen Reformkurs. Er sprach sich im Wahlkampf für Wachstum und konstruktive Reformen in der EU aus. Italien müsse sich zunächst selbst verändern, dann gelte es die EU zu reformieren, sagte Renzi.

Diesen Kurs kann der 39-Jährige nun insbesondere während der italienischen EU-Ratspräsidentschaft ab Juli verfolgen. Italiens grosse Mitte-Links-Partei hat Rückenwind, sie schickt nun sogar mehr Abgeordnete nach Brüssel als die deutsche SPD.

Erfolgreichster Regierungschef der Europawahl

Renzi war der erfolgreichste Regierungschef bei dieser Wahl in Europa, seine Partei legte im Vergleich zu 2009 um 15 Prozent zu. Beobachter erklärten Renzis Erfolg gegen die Anti-Euro-Populisten wie Grillo und Berlusconi (17 Prozent) in seinem teilweise ebenfalls populistischen Auftreten.

Der im Umgang mit Medien äusserst wendige Premier hatte bei seinem Amtsantritt im Februar eine Reform pro Monat versprochen. Konkrete Ergebnisse stehen noch aus. Geringverdienern versprach Renzi vor der Wahl eine Steuererleichterung in Höhe von 80 Euro monatlich.

Auch innenpolitisch profitiert der Ministerpräsident von dem Wahlerfolg. Renzi, der von Staatspräsident Giorgio Napolitano eingesetzt wurde, verfügt nun über die Legitimation bei den Wählern, die ihm bislang fehlte.

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