Mehr als bloss Wutbürger

Die «Fünf Sterne»-Bewegung um den Komiker Beppe Grillo hat Italiens Parteienlandschaft aufgemischt. Jetzt erhält die «verlorene Generation» der 30-Jährigen eine Chance, die festgefahrene Politik mitzugestalten.

Beppe Grillo: Der populistische Komiker hat die Fünf-Sterne-Bewegung zur ernstzunehmenden politischen Grösse in Italien gemacht. (Bild: TONINO DI MARCO)

Die «Fünf Sterne»-Bewegung um den Komiker Beppe Grillo hat Italiens Parteienlandschaft aufgemischt. Jetzt erhält die «verlorene Generation» der 30-Jährigen eine Chance, die festgefahrene Politik mitzugestalten.

Eine «Absage an die EU», eine «Katastrophe», «Unregierbarkeit»: So lauten die einhelligen Reaktionen auf das Ergebnis der Parlamentswahl in Italien. Sorgenvoll blicken die EU-Regierungschefs auf den Achtungserfolg von Silvio Berlusconi, der ins Zentrum der Macht zurückgekehrt zu sein scheint. Für Stirnrunzeln sorgt aber auch der Erfolg des polemischen Komikers Beppe Grillo und seiner Fünf-Sterne-Bewegung, für die ein Viertel der italienischen Wähler gestimmt hat.

Der Erfolg der antieuropäischen Populisten geht mit der Niederlage der gemässigten, europafreundlichen Kräfte einher. Pier Luigi Bersani und seine Demokratische Partei waren monatelang als Sieger gesetzt – angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Senat stehen sie jetzt vor einem unbefriedigenden Patt.

Symbol für Europas Niederlage

Zum Symbol der Niederlage Europas geworden ist Mario Monti: Der vielgepriesene Garant für den Reformweg Italiens wurde von der Mehrheit der Wählenden ignoriert und kam gerade einmal auf zehn Prozent der Stimmen.

Unverständnis und Kopfschütteln über die Nachbarn im Süden hilft aber nicht weiter. Auch ist die Schuld für den Wahlausgang nicht bei einer ignoranten Bevölkerung zu suchen, wie das einige Kommentatoren nach dieser Wahl tun. In Berlin, Paris oder London sollte man sich vielmehr die Frage stellen, warum Europa nicht nur die Zustimmung der meisten Griechen, sondern auch das Wohlwollen von immer mehr Italienern zu verlieren droht. Der zuweilen auch explizit geäusserte Vorwurf, bei den Menschen im Süden handle es sich vor allem um faule Schmarotzer ist ebenso populistisch wie das laute Gebrüll gegen das Spardiktat der EU.

«Beppe Grillo ist ein unberechenbarer, demagogischer Volkstribun.»

Nach dieser Wahl in Italien müssen sich die Partner in Nordeuropa die Frage stellen, wie die EU zusammen gehalten werden kann, ohne dass sich in Italien oder Griechenland der Eindruck weiter verbreitet, eine Nation allein, nämlich Deutschland, diktiere die Bedingungen.

Die Situation nach der Wahl in Italien ist nicht hoffnungslos. Entscheidender politischer Faktor wird fortan die Fünf-Sterne-Bewegung sein. Dass ihr Gründer nicht selber im Parlament sitzen wird, macht zuversichtlich. Denn Beppe Grillo ist ein unberechenbarer, demagogischer Volkstribun.

Die «verlorene Generation» erhält eine Stimme

Die «Fünf Sterne»-Bewegung ist mehr als ein Zusammenschluss von Wutbürgern. Hinter ihr stehen enttäuschte, aber auch engagierte junge Menschen. Die Generation der 30-Jährigen in Italien bekommt die Krise am Deutlichsten zu spüren. Laut Mario Monti handelt es sich bei ihnen um eine «verlorene Generation». Dass diese Menschen sich nun an der Lösung der Probleme Italiens beteiligen können, ist begrüssenswert.

Natürlich hat die Fünf-Sterne-Bewegung auch Schwächen. Bislang haben ihre Vertreter keine konkreten politischen Programme präsentiert. Ein Unsicherheitsfaktor bleibt auch der autoritäre Führer der Bewegung, der jede Allianz mit anderen Parteien ablehnt: Kritiker befürchten, dass Beppe Grillo allzu stark und negativ auf die 160 Abgeordneten und Senatoren seiner Bewegung einwirken könnte.

Politisch mit Grünen und Piraten verwandt

Politisch sind die «Grillini» in Ansätzen mit den deutschen Grünen verwandt, etwa was Themen wie Umweltpolitik und Bürgerbeteiligung betrifft. Ihre mangelnde Organisation rückt sie allerdings auch in die Nähe einer Piratenpartei mit italienischen Themen. So sind die bislang wichtigsten konstruktiven Vorschläge der «Fünf Sterne»-Bewegung ein Gesetz gegen den Einzug von verurteilten Straftätern ins Parlament und ein Gesetz gegen Medienmonopole. Möglich ist, dass eine von der Demokratischen Partei und Pier Luigi Bersani geführte Minderheitsregierung diese Vorschläge umsetzt und das Wahlrecht ändert.

In Sizilien funktioniert die Kooperation zwischen den «Grillini» und der Demokratischen Partei bereits auf regionaler Ebene – vielleicht wird eine moralische Wende bald in ganz Italien Wirklichkeit.

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