Ist es Zufall oder ein Akt der föderalistischer Schlaumeierei? Überraschend deutlich wurde die Initiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung abgelehnt. Mit einer einzigen Ausnahme haben sogar Kantone, die den Steuerprivilegien innerhalb ihrer eigenen Grenzen bereits einen Riegel vorgeschoben haben, der Vorlage eine Abfuhr erteilt.
Das Schweizer Stimmvolk ist ein unberechenbares Wesen. Nein, dass die Initiative «Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre», besser bekannt unter dem Titel «Abschaffung der Pauschalbesteuerung» keine Volksmehrheit hinter sich vereinen konnte, ist keine Überraschung. Die Mehrheit der Schweizer Stimmbürger ist der Schlaumeier-Politik treu geblieben, dass man sich sogar selber übers Ohr hauen lässt, wenn unter dem Strich ein Profit herausschaut.
Es ist auch keineswegs überraschend, dass die Tourismus-Kantone, in denen der Grossteil der privilegierten ausländischen Millionäre und Milliardäre Wohnsitz haben, sich besonders deutlich gegen die Abschaffung ausgesprochen haben. Der Bäcker in Saas-Fee (mit einem Nein-Anteil von knapp 90 Prozent) nimmt also freudig in Kauf, dass sein hundertmal reicherer Nachbar womöglich weniger Steuern bezahlt als er selber.
Das Land, das sich gerne als Wiege der Demokratie bezeichnet und dabei so beflissen das Fähnlein mit dem Zusatz «direkte» emporstreckt, erteilt also einem der zentralen Anliegen eben dieser Demokratie, nämlich der Steuergerechtigkeit, eine Abfuhr. Lieber die Taube des vollen Geldbeutels auf dem Dach als den Spatz der sozialen Gerechtigkeit in der Hand, hiess das Motto selbst in der sonst eher links stimmenden Romandie.
Selbst die Abschaffer sagten Nein
Überraschend ist indes die Tatsache, dass sogar die Kantone, welche den Steuerprivilegien innerhalb ihrer eigenen Grenzen bereits einen Riegel vorgeschoben haben, Nein zur gesamtschweizerischen Abschaffung gesagt haben – mit Ausnahme des Kantons Schaffhausen, der als einziger, wenn auch knapp, Ja zur Initiative gesagt hat.
Ist dies nun als Votum zu werten, dass die Stimmbürger aus beiden Basel, Zürich und Appenzell Ausserrhoden ein staatspolitisches Votum für den Föderalismus abgegeben haben, wie die Initiativgegner nach der Abstimmung sagten? Also dass man anderen Kantonen nicht vorzuschreiben habe, wie sehr sie sich im Steuerwettbewerb Vorteile einheimsen können?
Wechselnde Mehrheiten
Hinter diese Interpretation ist ein Fragezeichen zu setzen. Natürlich darf man dem Stimmvolk nicht grundsätzlich ein gewisses staatspolitisches Denken absprechen. Aber letztlich schneiden sich die Kantone, die «ihren» reichen Ausländern keine Privilegien mehr gewähren, ins eigene Fleisch, wenn sie ihnen die Fluchtmöglichkeit in Steueroasen nicht verwehren.
Vielleicht ist es ganz banal so, dass das aktive Stimmvolk, das sich jeweils aus knapp 50 Prozent der Stimmbevölkerung beschränkt, ein unberechenbares Wesen bleibt. Bei knappen Mehrheiten – der Kanton Zürich weist eine Nein-Mehrheit von gerade mal 50,9 Prozent aus – kann das Zünglein an der Waage auf beide Seiten ausschlagen, je nachdem, welche Seite ein paar Hundert Abstimmende mehr zu mobilisieren vermag. Die direkte Demokratie sorgt also nicht immer für ein wirklich demokratisches Abbild.
Die nächste Steuervorlage steht vor der Tür
Die gesamtschweizerische Nein-Mehrheit von 60 Prozent ist ein Zeichen dafür, dass es Vorlagen für mehr Steuergerechtigkeit in der Schweiz nicht leicht haben. Das wird sich wohl bei der nächsten entsprechenden Vorlage bestätigen, wenn die Volksinitiative für die Einführung einer Erbschaftssteuer für Millionäre zur Abstimmung kommen wird.
Dann wird der Bäcker aus Saas-Fee dem inländischen Nachbarn, der soeben durch eine Erbschaft steuerbefreit um ein paar Millionen Franken reicher geworden ist, freundlich lächelnd die Hand reichen, wenn er für zwei Franken ein Schoggiweggli gekauft haben wird.