Roger Köppel tritt für die SVP bei den Nationalratswahlen an. Der «Weltwoche»-Chef strebt aber nach mehr: Er will Nachfolger von SVP-Übervater Christoph Blocher werden. Dafür riskiert er sogar seine Rolle als Freigeist, mit der er gerne kokettiert.
Dass Roger Köppel dereinst in die Politik einsteigen wird, darüber wird schon seit Längerem gemunkelt.
Dass es schon bald passieren könnte, wurde im Frühjahr 2014 klar, als der «Weltwoche»-Verleger und -Chefredaktor eine Vortragstour durch die grossen Deutschschweizer Städte machte und vor vollen Sälen und ganz auf der Parteilinie der SVP über die Schweiz und Europa dozierte – auch im rotgrünen Basel, wo sich im vergangenen März mehrere hundert Leute im Stadtcasino drängelten.
War es ein erster Öffentlichkeits-Test für Köppel als Politiker in spe? War es die langfristig angelegte Rekrutierungsstrategie einer Partei, die unter Führungspersonalmangel und akuten Alterungserscheinungen leidet?
Überalterte Partei
Sicher ist: Schon damals musste sich die SVP-Führung die Frage stellen, wer dereinst Christoph Blochers Erbe antreten wird. Christoph Mörgeli ist seit der Zürcher Uni-Affäre auf dem Abstellgleis, Toni Brunner hat nicht die dafür nötige Aura eines Intellektuellen.
Schon damals beklagt wurde auch die alarmierende Überalterung der Zürcher SVP, für die Köppel jetzt in die Hosen steigen wird. Hans Fehr, Max Binder und Toni Bortoluzzi werden dieses Jahr 68-jährig. Fehr und Bortoluzzi wollen zwar nochmals antreten – doch dann wird die Personaldecke dünn. Das hat der Zürcher Parteipräsident Alfred Heer längst erkannt, lange Zeit lief er aber mit seinen Verjüngungsanstrengungen bei der alten Garde auf.
Es war just auch die Zeit, als Roger Köppel erstmals als möglicher SVP-Hoffnungsträger ins Spiel gebracht wurde. «Er hat nicht Blochers gebückte, bäuerische Haltung, kommt aber bei einfachen Leuten wie bei Akademikern an», feierte etwa «Schweiz am Sonntag»-Chefredaktor Patrik Müller Köppels missionarische Vortragsreise durchs Land: «Zurzeit ist keiner geeigneter, Blochers Nachfolger zu werden, als Roger Köppel.»
Ähnlich wird auch Christoph Blocher denken, auch wenn er Köppel noch vor einem Jahr riet, lieber Journalist zu bleiben, als Politiker zu werden: Ohne Blochers Segen wird kein so wichtiger Personalentscheid wie die Nomination Köppels gefällt.
Das langjährige Investment in Roger Köppel und die «Weltwoche» hat sich für Christoph Blocher gelohnt. Beharrlich hat der 49-Jährige das einst linksliberale Autorenblatt zum Kampfblatt der Blocher-Partei umgeformt. Für die SVP zweifelt Köppel am Klimawandel, am Feminismus, an der Annäherung an Europa, an der Zuwanderungspolitik. Für Blocher kämpft er gegen den sogenannten «linken Mainstream» in den Medien, gegen die classe politique, gegen die Sozialwerke, gegen «Kuscheljustiz» und «Kuschelpädagogik».
Anders als BaZ-Chefredaktor und Blocher-Intimus Markus Somm aber, der sich als publizistischer Statthalter des SVP-Übervaters versteht, versuchte Köppel bei seinen öffentlichen Auftritten bislang immer, eine emanzipierte Position gegenüber Blocher einzunehmen. Auf seine ideologische Nähe zur SVP angesprochen, betonte der «Weltwoche»-Chef stets, dass er als Journalist parteipolitisch unabhängig agiere.
Diese Aussage ist jetzt nicht mehr möglich: Die «Weltwoche» ist heute offiziell zum Zentralorgan der SVP geworden.
Und das könnte mittelfristig zum Problem für Köppel werden, auch wenn er an der Zürcher Nominierungs-Medienkonferenz vom Donnerstag trotzig an seiner Rolle als autonomer Verleger und Chefredaktor festhielt und betonte, dass er als Journalist im Notfall nicht über «politische Missstände» in Bern werde schweigen können.
Diese Haltung wird er revidieren müssen. Sollte er im Herbst tatsächlich in den Nationalrat gewählt werden und dereinst in Kommissionen Einsitz haben, muss er sich wie alle seine übrigen Kolleginnen und Kollegen ans Amtsgeheimnis halten.
Der Preis des Ehrgeizes
Das weiss der «Weltwoche»-Chef natürlich selber auch. Und er weiss auch, dass er sich im Wahlkampf – zumindest rhetorisch – klar von Christoph Blocher abheben muss, um das Image des unbequemen Freigeists wahren und sich an der SVP-Parteispitze als Alpha-Tier durchsetzen zu können.
Köppel ist kein Parteisoldat wie Toni Brunner & Co. Er will die Nachfolge Blochers antreten. Gleichzeitig liebt er die Rolle des autonomen Querdenkers, mit der er gerne kokettiert. Jetzt offiziell in die autokratische SVP-Wahlkampfmaschinerie eingebunden, wird er erstmals um diese Freiheit kämpfen müssen.