Schallende Ohrfeige für Vasella & Co.

Das Volk greift durch: Fast 70 Prozent der Abstimmenden sagen Ja zur «Abzocker-Initiative». Damit werden die Lohnexzesse auf Schweizer Teppichetagen zwar nicht gestoppt. Doch der heutige Wahlsonntag gibt der «1:12-Initiative» der Jungsozialisten Auftrieb: Die Annahme dieser Vorlage würde die Topverdiener wirklich schmerzen.

Haushohes Ja zur «Abzocker-Initiative»: Das Volk hat genug von der Casino-Mentalität auf den Teppichetagen. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Das Volk greift durch: Fast 70 Prozent der Abstimmenden sagen Ja zur «Abzocker-Initiative». Damit werden die Lohnexzesse auf Schweizer Teppichetagen zwar nicht gestoppt. Doch der heutige Wahlsonntag gibt der «1:12-Initiative» der Jungsozialisten Auftrieb: Die Annahme dieser Vorlage würde die Topverdiener wirklich schmerzen.

Das Stimmvolk hat seinen Topmanagern eine schallende Ohrfeige verpasst. Eine grosse Überraschung ist das nicht: Spätestens seit Bekanntwerden des Geheimkontos, das Novartis für Daniel Vasella einrichten liess, war dies zu erwarten. Der als Konkurrenzverbots-Entschädigung getarnte goldene Fallschirm für den abtretenden Novartis-Präsidenten erzürnte nicht nur die Volksseele, auch aus Unternehmerkreisen hagelte es harsche Kritik. Spektakulär ist aber die hohe Zahl der Pro-Stimmen: Selten erhielt eine Volksinitiative eine so grosse Zustimmung wie die «Abzocker»-Vorlage von Thomas Minder.

Von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen

Der Erfolg des Mundwasserherstellers aus Schaffhausen ist eine beispiellose Schlappe für die Economiesuisse, die von Beginn weg unglücklich und peinlich agierte. Der Verband der Topverdiener tappte von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen: Eine gezinkte Internetkampagne, in der Studenten unter falschem Namen in Onlinemedien Leserkommentare veröffentlichen sollten, flog auf und musste notfallmässig gestoppt werden. Ebenfalls zurückgezogen wurde der bei Erfolgsregisseur Michael Steiner  («Missen Massaker», «Sennentuntschi») bestellte Kampagnenfilm «Grounding 2026», der in völlig übertriebener Art und Weise eine in Armut und Chaos versunkene Schweiz heraufbeschwor, sollte die Minder-Intitiative angenommen werden.

In dieser von Peinlichkeiten und Vasellas neuem Lohnskandal aufgeheizten Stimmung hatte es der moderatere parlamentarische Gegenentwurf zu Thomas Minders «Abzocker-Initiative» schwer. Dieser verzichtete auf den Stimmenzwang für Pensionskassen, einen ausformulierten Strafenkatalog sowie die jährliche Wiederwahl der Verwaltungsräte, wäre aber in einigen Punkten sogar über die Initiative hinausgegangen – mit verschärften Bestimmungen zur Sorgfaltspflicht des Verwaltungsrates, zur Offenlegung der Spielregeln im Salärbereich sowie zur Rückerstattung von ungerechtfertigten Vergütungen.

Initiative schürte falsche Hoffnungen

Was bringt die Annahme der Initiative konkret? Was die Lohnexzesse betrifft, wenig. Die Vorlage mit dem plakativen Titel «Initiative gegen Abzocker» schürte falsche Hoffnungen: Sie richtet sich in erster Linie gar nicht gegen die Topsaläre auf den Teppichetagen.

Das verhehlte auch Drahtzieher Thomas Minder nie. Mehrere Male gab er öffentlich zu, dass es ihm vor allem um die Stärkung der Aktionäre gehe. Deren Einfluss auf Lohnentscheide wird mit der Annahme der «Abzocker-Initiative» nun zwar grösser – doch sind die Investoren nicht selber oft «Abzocker» und die Antreiber der durch überrissene Managersaläre geschmierten Giermaschinerie?

Einer Mehrheit der Abstimmenden ging es heute aber um viel mehr: Sie forderte einen Kulturwandel.

Kommt dazu, dass die viel gelobte «Aktionärsdemokratie» ein Mythos ist. Die massgebenden Aktionäre grosser Schweizer Firmen sind institutionelle Investoren, vielfach auch aus dem Ausland. Sie besitzen die grössten Aktienpakete und vereinen am meisten Aktionärsstimmen auf sich. Für sie spielt es keine grosse Rolle, ob ein Konzernchef acht oder zehn Millionen Franken verdient – Hauptsache die Rendite stimmt.

Einer Mehrheit der Abstimmenden ging es heute aber um viel mehr: Sie forderte einen Kulturwandel. Sie protestierte gegen die Masslosigkeit einer Minderheit von Grossverdienern, die sich unkontrolliert an den Unternehmenserfolgen schadlos hält, während vielen Angestellten nur die Brosamen bleiben.

Und sie wünscht sich unternehmerische Führungspersönlichkeiten vom Format eines Alex Krauer, Otto Ineichen oder Nicolas Hayek  zurück: Diese Patrons verdienten ebenfalls sehr viel Geld. Sie kannten aber auch Mass, verstanden ihre Firmen als Schicksalsgemeinschaften, deren gutes Gedeihen vom Wohlbefinden aller Angestellten abhängig war, und sie übernahmen gesellschaftliche Verantwortung.

Die grosse Party ist vorbei

Diese Zeiten sind vorbei. Auf den Teppichetagen der grossen Schweizer Firmen wirken international zusammengesetzten Führungsgremien, anstelle der Kultur der Patrons hat sich das angelsächsische Modell etabliert: Wirtschaftlicher Erfolg wird nicht als Teamleistung aller Mitarbeitenden gesehen (und belohnt), sondern als Leistung der Spitzenmanager, die wie Fussball- oder Musikstars mit Gold aufgewogen werden. Sozialpartnerschaft und sozialer Friede sind für diese Managersöldner Fremdworte: Für sie regelt alles der Markt – sogar den eigenen Lohn.

Nach der heutigen Abstimmung ist klar: Das Volk hat genug von dieser Casino-Mentalität, die Manager wie Marcel Ospel und Daniel Vasella auf Schweizer Teppichetagen salonfähig gemacht haben. Die grosse Party ist vorbei.

Je früher die Salär-Ritter zu dieser Einsicht kommen, desto besser. Denn weiteres Ungemach ist im Anzug. Mit der Annahme der Minder-Initiative erhält unser Land das weltweit strengste Aktienrecht – bald könnte es auch die schärfste Lohngesetzgebung der Welt bekommen: Voraussichtlich im Herbst wird über die «1:12-Initiative» abgestimmt. Diese Vorlage verlangt, dass das höchste Salär in einem Unternehmen nicht das Zwölffache des tiefsten Lohns übersteigen darf.

Die Chancen für die «1:12-Initiative» sind nach dem heutige Volksverdikt gestiegen – ihre Annahme würde die Topverdiener wirklich schmerzen.

Nächster Artikel