Vor einem Jahr versagte die Art Basel, als sich junge Leute vor ihren Toren zur Gegenfavela zusammentaten. Die Situation auf dem Migrolareal ist nicht unähnlich. Die Scope könnte es besser machen. Wird sie aber vermutlich nicht. Schade.
Als junge Leute vor einem Jahr zur Gegenfavela aufriefen und auf dem Messeplatz campierten, fand das die Art Basel bald nicht mehr lustig. Messe und Regierung liessen zu, dass der Platz in einer umstrittenen Aktion geräumt wurde (wir erinnern uns an die Bilder).
Es ging damals nicht nur darum, Tadashi Kawamatas ursprüngliches Kunstwerk des Favelacafés zu kritisieren, sondern Räume zu fordern, die sich spontan entwickeln dürfen. Der Wagenplatz auf dem Migrolareal funktioniert im Grunde nicht anders. Und wie vor einem Jahr die Gegenfavela kollidiert er mit einer Kunstmesse, in diesem Fall mit der gleichzeitig stattfindenen Kunstmesse Scope. Eine gute Gelegenheit, es besser zu machen als die Art Basel.
Der Scopechef hat ein Herz für Mittellose
Die Art, in der sich die Wagenleute äussern, wird zunehmend arrogant. Und die Scope? Hat signalisiert, dass sie mit dem jetzigen Zustand bereits leben könnte. Wenn der Wagenplatz am Sonntag also wirklich geräumt wird, dann weil die Stadt zürnt, und nicht, weil die Scope Anzeige erstattet hat.
Das ist edel. Richtig smart wäre aber, wenn die Scope den Wagenplatz einbinden würde, in irgendeiner Form. Die Scope versteht sich als Kunstort, ihr Gründer und Präsident Alexis Hubshman als Künstler, der sich von Anfang an gerne als Idealist inszenierte. Im New York der 1990er fand der junge Unbekannte keine Galerie und gründete prompt selber eine. Mit dieser jungen Galerie fand er wiederum keine Messe und machte auch hier sein eigenes Ding. Die Scope machte sich nicht zuletzt dafür einen Namen, dass die Standmieten deutlich billiger waren als anderswo und dass mittellose aber interessante Galerien gratis ausstellen konnten – ganz im Dienste der jungen und progressiven Kunst.
Grenzüberschreitung ist Programm
Auf der Scope-Website wirbt man für «Art Shows» (also nicht primär Messen), «that extend beyond the ordinary in Contemporary art». Um Grenzüberschreitung soll es gehen. Und Auflösung von Grenzen wäre der Ausdruck von Grösse im Umgang mit dem Wagenplatz. Warum nicht soweit gehen und einen Teil des Wagenplatzes in die «Show» integrieren? Whatever! Eine Bretterbude der Besetzer in der Holzhalle, die der Verein Shift Mode gern für die Scope bauen würde – sofort wäre die Messe Kult.
Sie würde Anerkennung für das Leben zeigen, das die Wagenleute ohne Mittel auf dem Migrolareal aufgebaut haben. Gemessen daran, wie Alexis Hubshman sich inszeniert, könnte die Scope in den Wagenleuten Seelenverwandte erblicken und ihnen eine Plattform anbieten – als vorübergehende Kunstaktion. Denn genauso wie die Wagenleute eine utopische Gesellschaftsform vorleben, steht die Utopie der Kunst gut an.
«Wir sind keine Kunstveranstaltung»
Wahrscheinlich würden die Wagenleute jeden Vorschlag in diese Richtung ablehnen. Man ist ja absolut. Und die Scopemacher haben anderes im Kopf. «Keine weiteren Stellungnahmen», sagte uns Patrick Tschan von der Scope entnervt auf die entsprechende Anfrage. Alexis Hubshman sei dieser Tage nicht erreichbar, da im Spital. Abschliessend heisst es: «Wir sind eine Messe und keine Kunstveranstaltung.»
Eine ehrliche Antwort, aber sehr schade. In einem ungerechten Vergleich gesprochen ist das etwa so, wie wenn ein Bibelverkäufer einen Verunfallten vor seinem Laden liegen liesse mit der Begründung, er sei Händler und nicht Christ. Gute Galerien wird man an der Scope vielleicht ja finden, aber keinen künstlerischen Geist.