Spanien fordert den Untertanengeist der Katalanen ein

Die auf den Donnerstag angesetzte Neuwahl des katalanischen Parlaments demonstriert die mutwillige Zerstörung des spanischen Rechtsstaates.

Wenn Vizepräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría gegen Katalonien wettert, ist ihr der Applaus ihrer Partei, des Partido Popular, gewiss. 

Die vom spanischen Regierungschef Mariano Rajoy für den 21. Dezember angesetzte Neuwahl des katalanischen Parlaments wird von einer seit Anfang November wirkenden «Wahlkommission», der Junta Electoral Central (JEC), überwacht.

Diese Kommission macht seit Wochen mit Vorschriften und «Beschlüssen» von sich reden, die in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat mindestens ungewöhnlich sind. In einem ausführlichen Online-Artikel auf «La Vanguardia» wurde vor einigen Tagen auf diese «Übungen» der Wahlkommission hingewiesen.

Um das nachfolgende Zitat aus dem Artikel zu verstehen, muss man zunächst einiges über aktuelle Symbole und deren Bedeutung in der katalanischen Öffentlichkeit wissen:

  • Die Farbe Gelb wird zurzeit in Katalonien als Zeichen der Verbundenheit mit den politischen Gefangenen verwendet. Sehr viele Menschen tragen eine gelbe Schleife an ihren Jacken, Blusen, T-Shirts und  Pullovern. Sie entspricht in ihrer  Form der Aids-Schleife, ist aber gelb gefärbt.
  • Man sollte wissen, dass Zehntausende Katalaninnen und Katalanen am 7. Dezember in Brüssel für die Anliegen der Unabhängigkeitsbewegung protestiert haben und gegen die Anwendung des Notstandsparagrafen (§ 155) der «Magna Charta» (der spanischen Verfassung) sowie gegen die Tatsache, dass der spanische Zentralstaat über eine politische Justiz politische Gefangene hält. Das waren keine «faulen» Menschen, die sich einfach mal frei genommen haben: In Katalonien sind sowohl der 6. Dezember (Sankt Nikolaus) als auch der 8. Dezember (Marias unbefleckte Empfängnis) Feiertage. Viele Geschäfte haben auch am 7. Dezember geschlossen – in Deutschland oder in der Schweiz bezeichnet man solcherlei als «Brückentag». Das Protestdatum 7. Dezember war also der katalanische Brückentag.

Hier nun ein Ausschnitt aus dem oben genannten Artikel:

«Die PP (spanische Volkspartei, Anm. d. Red.) und die Ciudadanos (katalanische Regionalpartei, Anm. d. Red.) haben die Beschlüsse der JEC und der lokalen Wahlkommissionen mit grossem Trara gefeiert, welche die Beleuchtung von Springbrunnen und von öffentlichen Gebäuden in Gelb verboten haben; die Wegnahme von Bannern an öffentlichen Gebäuden, welche die Freilassung von politischen Gefangenen fordern, befohlen hat; welche das Tragen von gelben Bändern am Wahltag für die Mitglieder der Wahlbüros, die Streitschlichter usw. verboten hat. Die JEC hat auch die öffentlichen Medien der katalanischen audiovisuellen Mitjans Corporation (CCMA) aufgefordert, Ausdrücke wie «inhaftierte Minister», «president’s list» oder «government in exile» nicht zu verwenden oder die Ausstrahlung der Demonstration in Brüssel am 7. Dezember, die nach Angaben der belgischen Polizei 45’000 Katalanen zählte, auf eine Minute pro halbe Stunde zu beschränken. 
Die katalanischen öffentlichen Medien wiederholen dieses Verbot, das sie schwer belastet, ständig und betrachten es als «Zensur» und «ernsthafte Einmischung in ihre Informationsinhalte». 
Der zentrale Wahlausschuss hat im übrigen die Möglichkeit von internationalen Beobachtern, die die Parlamentswahlen am 21. Dezember überwachen, abgelehnt.» (Ins Deutsche übersetzt durch den Autor)

Solcherlei ist nichts anderes als Zensur, ausgeübt von der staatlichen Wahlkommission.

Die JEC wurde – es herrscht der Vollzug des § 155 – von der Madrider Zentralregierung eingesetzt. Die Regierung Rajoy ist für das Tun und Lassen dieser Kommission verantwortlich. Das heisst: Rajoy und seine Vizepräsidentin, die für die Regierungsausübung in Katalonien derzeit verantwortlich sind, befehlen nichts anderes als Zensurmassnahmen gegen die freie Meinungsäusserung in einem Wahlkampf.

Das ist für ein Mitgliedsland der EU ungeheuerlich. Aber es wird bei der EU-Kommission nicht wahrgenommen. Es wird im EU-Parlament nicht wahrgenommen. Es wird innerhalb der europäischen Regierungsöffentlichkeit so getan, als existiere all dies nicht – auch nicht die politischen Gefangenen oder die Prozessvorbereitungen gegen unzählige Menschen, die sich für öffentliche Belange in Katalonien eingesetzt haben, auch für die Unabhängigkeit des Landes mit demokratischen Mitteln und völlig gewaltlos.

Die Parteien, die eine Unabhängigkeit befürworten, könnten beinahe gleich viele Stimmen wie vor zwei Jahren erhalten.

Am 18. Dezember, am letzten Montag, hat die Verantwortliche für die katalanische Politik zu Zeiten der Anwendung des Notstandsparagrafen 155, die bereits genannte Vizepräsidentin der Madrider Zentralregierung, Soraya Sáenz de Santamaría, vor dem Senat einen «Rechenschaftsbericht» über ihre Tätigkeit vorgetragen.

Dass es ein «Rechenschaftsbericht» gewesen sein soll, ist allerdings beim Nachlesen ihrer Rede-
Intervention nicht zu erkennen. Es war ausschliesslich eine Wahlkampfrede, zeitlich so angelegt und mit einer Nicht-Aussprache im Senat versehen, die nun schon mehr als nur ein «Geschmäckle» hat.

Ich habe zwei umfangreiche Zusammenfassungen dieser Rede gelesen, in «La Vanguardia» online und in «El Periodico online».

Sáenz de Santamaria begann mit der Feststellung, dass sich die Regierung, die vom zu wählenden Parlament bestimmt werde, an Recht und Gesetz halten werde. Was Recht und Gesetz denn seien? Recht und Gesetz ist allein das, was die Zentralregierung als solche bestimmt.

Was bedeutet diese Aussage?

Angenommen, die bisherigen Meinungsumfragen würden am Donnerstag in der Wahl bestätigt, dann bedeutete dies, dass die Befürworter der Anwendung des Notstandsparagrafen 155 weit von einer Regierungsmehrheit entfernt vielleicht gleich viele Stimmenanteile (39 bis 40 %) wie bei den Wahlen zum von Rajoy aufgehobenen Parlament von 2015 erreichen würden.

Die eine Unabhängigkeit befürwortenden Parteien erhielten beinahe gleich viele Stimmen wie vor zwei Jahren. Allerdings ziehen PDeCAT (Puigdemont) und ERC (Junqueras) dieses Mal mit getrennten Listen in die Wahl, was die Gesamtzahl ihrer Abgeordneten etwas verkleinern könnte. Die antikapitalistische CUP wiederum dürfte etwas weniger Stimmen erhalten als letztes Mal. Zusammen kommen diese Parteien bei allen seriös vorgenommenen Umfragen aber nach wie vor auf etwa die Hälfte der Mandate oder sogar einige wenige mehr.

Die Vizepräsidentin der Madrider Zentralregierung fordert den Untertanengeist der Wählerinnen und Wähler ein.

Zünglein an der Waage, was eine Regierungsbildung betrifft, dürfte wohl die Comu Podem bilden. Es ist schlicht unvorstellbar, dass diese Partei mit PP und Ciudadanos zusammen eine Regierung bilden oder eine Regierung, in der diese Parteien beteiligt wären, unterstützen würde. Ziemlich sicher ist aber auch, dass die Comu keine Regierung mit PDeCAT unterstützen oder bilden würde.

Zudem kommt es durchaus auch auf das Verhalten der katalanischen Sozialisten an, was nach den Wahlen politisch in die Wege geleitet wird. Diese haben sich nach anfänglichen Umarmungsübungen mit Ciudadanos und PP in den letzten Woche immer deutlicher vom PP-Ciudadanos-Allmachtgehabe gegen die katalanische Autonomie ab- und auch gegen die weitere Inhaftierung der politischen Gefangenen gewandt. Dies nicht zuletzt, weil aus den lokalen Parteisektionen der PSC harte Kritik an solcher Umarmerei geübt wurde – bis hin zu etlichen Parteiaustrittsdrohungen von wichtigen sozialistischen Mandatsträgern in den vier katalanischen Provinzen und in vielen grossen Städten.

Vor diesem Hintergrund ist der montägliche Auftritt von Sáenz de Santamaria vor dem Senat zu «würdigen», denke ich. 
Unausgesprochen, aber im Tonfall Untertanengeist fordernd, verlangt sie, dass die Wählerinnen und Wähler gefälligst eine Parlamentsmehrheit zu wählen haben, die eine «spanientreue» Regierung bilden würden.
In der Folge ihrer Rede unterstellte Sáenz de Santamaria den abgesetzten Generalitat-Mitgliedern – die, wie auch die Vorsitzenden der beiden grossen zivilgesellschaftlichen Organisationen katalanischer Kultur und Politik, ANC und Omnium, teilweise nach wie vor gefangen gehalten werden –, sie hätten bewusst (wörtlich, laut «La Vanguardia») «Fälschung auf der Grundlage von Besitzgier» betrieben.

Sie behauptete, dass die Separatisten «diese quasi-religiöse Fälschung so weit gebracht hätten, dass sie einige Katalanen glauben liessen, dass sie in einer unabhängigen Republik lebten, während ihre Regenten (Gobernos) selbst wussten, dass es unmöglich und nicht machbar sei.»

Es ist die reine Arroganz der erschlichenen Macht, welche sich da zu Regierungserklärungswort meldet.

«Einige Katalanen»! 
Man muss da schon genau sein: Diese «einigen Katalanen» sind zu vielen Hunderttausenden (vor zwei Wochen gingen 750’000 Menschen für die Befreiung der politischen Gefangenen auf die Strasse) an vielen Demonstrationen erschienen, immer absolut friedlich für ihr Ziel manifestierend, endlich eine Republik mit demokratischen Strukturen zu erreichen. «Einige» verspottet diese «Katalanen» als «Dummköpfe» oder als «uninformierte Blödiane». Es ist die reine Arroganz der erschlichenen Macht, welche sich da zu Regierungserklärungswort meldet.

Sollten die entsprechenden Umfragen sowie die Tatsache, dass am 1. Oktober immerhin rund 2,2 Millionen Stimmen für die Unabhängigkeit Catalunyas abgegeben worden sind, auch nur annähernd eine Realität wiedergeben, handelt es sich bei diesen «einigen Katalanen» um deutlich über zwei Millionen Erwachsene von rund 7,5 Millionen Bewohnern Catalunyas, mitsamt Kindern und nicht Stimmberechtigen.

Was den Begriff «Regenten» oder «Besitzgier» betrifft:

Man muss sich vor Augen führen, WER solcherlei verkündet. Es ist die  Vizepräsidentin der PP-Minderheitsregierung Rajoys, Repräsentantin einer Partei, die einen wahren Skandal-Korruptionsschweif hinter sich herzieht und überall dort, wo sie national oder lokal Macht besitzt, seit Jahren von Anklage zu Anklage geführt wird – allerdings immer in so gestaltete Anklageverläufe, dass Verjährungen zur Tagesordnung gehören.

Als Beleg für ihre Behauptung, die Generalitatsmitglieder seien «besitzgierig» gewesen, führt sie beispielsweise wortreich an, dass deren Dienstwagen mit einem CAT-Länderzeichen versehen und die Consellers (Regierungsräte) ganz gierig auf Dienstwagen mit diesem Länderkennzeichen gewesen seien. 
Ob so etwas ein Beleg für «Besitzgier» ist? Ob es überhaupt wahr ist?

Besucht ein katalanischer Regierungsrat seine französischen Nachbarn, wird er gleich des Landesverrats bezichtigt.

Des weiteren behauptete Sáenz de Santamaria, die katalanischen Vertretungen im Ausland (bei der EU und in New York) hätten Millionen verschlungen, welche bei der Gesundheitsversorgung und bei der Errichtung von Kindertagesstätten abgezogen worden seien. Man habe ganze Spitalabteilungen der Kindermedizin schliessen müssen.

Das ist eine Doppelbehauptung, welche von Ciudadanos- und von PP-Wahlkämpfenden laufend in ihre Wahlkampfwelt getragen wird. Ich habe aber in der gesamten Regierungszeit der abgesetzten Generalitat noch keine einzige Spitabteilungsschliessung in Catalunya wahrnehmen können, einfach deshalb, weil es diese nicht gab. Bekannt geworden sind hingegen mancherlei Schliessungen ganzer Spitäler in Regionen, in denen die PP seit Jahr und Tag regiert – was im übrigen, betreffend fehlender Kindertagesstätten, mit zur geradezu massiven Abwahl einer PP-Bürgermeisterin und von zahlreichen PP-Stadträten in Madrid geführt hatte.

Denn diese PP-Politikerinnen und -Politiker haben Gelder, welche für Kindertagesstätten parlamentarisch gesprochen worden waren, durch Klientelkorruption verschwinden lassen. Diese Herrschaften sind nun alle wegen Korruption angeklagt. Allerdings wartet die betrogene Bürgerschaft immer noch auf Gerichtsverhandlungen. Da eilt es, nach bekanntem Muster im PP-Staat, geerbt vom Franco-Staat, auch der Staatsanwaltschaft gar nicht. Das kann man nicht nur «wahrnehmen», sondern belegen.

Auch bezüglich «Cat-Diplomatie» (Sáenz de Santamaria) möchte ich Feststellungen und Vergleiche anstellen: 
Der Freistaat Bayern, ein deutsches Bundesland,  unterhält in Brüssel bei der EU eine bayerische Landesvertretung. Dasselbe gilt für Schottland und auch für die Lombardei und Venezia. 
Deutsche Länderministerpräsidenten besuchen regelmässig ausländische Zentralregierungen, von Washington über Paris und Moskau bis Bern. Baselstädtische Regierungsräte verhandeln mit elsässischen Regionalpräsidenten und süddeutschen Regierungspräsidien.

Wenn aber ein katalanischer Conseller den Regionalpräsidenten der benachbarten Region Languedoc-Roussillon in Frankreich auch nur höflichkeitshalber besucht, wird das von Sáenz de Santamaria als Landesverrat bezeichnet und als «Rebellion» und «Aufruhr gegen die Verfassung» durch die spanische Justiz mit Gefangennahme «geahndet» – nicht etwa mit Anklagen, sondern mit Inhaftierungen, damit man «Beweise» finden könne, die eine Anklage überhaupt erst ermöglichen. Darüber allerdings – über die politische Justiz – findet sich im «Rechenschaftsbericht» der Vizepräsidentin kein einziges Wort.

In den Kreisen der PP gilt: Hauptsache es geht gegen die Katalaninnen und Katalanen.

Dafür hat Sáenz de Santamaria einen grossen Teil des Berichts dafür verwendet, ausführlich die Gier der Generalitat betreffend einer Republik Catalunya zu geisseln. Allerdings ohne auch nur einen einzigen Beleg für ihre Behauptungen über angeblichen Machtmissbrauch vorzulegen. Wirklich: keine einzige inhaltlich nachzuprüfende Nennung.

Anderseits erhebt sie den Vorwurf, die Generalitat habe versucht, die Möglichkeiten einer staatlichen Unabhängigkeit Catalunyas im Ausland zu erkunden und zu bearbeiten. Die dafür vom katalanischen Parlament in den Budgets rechtmässig  eingesetzten Mittel erwähnt sie mit keinem Wort. Dafür behauptet sie und behauptet die spanische Generalstaatsanwaltschaft, die katalanische Regierung habe für die Vorbereitungsarbeiten der Republikbildung, welche durch die Ergebnisse der Parlamentswahlen von 2015 aufgrund der Wahlkampfaussagen der Parteien Politikhandlungen erforderlich machten, öffentliche Gelder unterschlagen. Deshalb müssten sie allesamt verurteilt werden. Und mit ihnen Tausende von Gemeinde- und Stadträtinnen und -räte, welche beispielsweise die Referendumsabstimmung vom 1. Oktober unterstützt hätten.

Über diese Verhaftungs- und Bestrafungspläne der politischen Justiz des Zentralstaates Spanien hat die Regierungsvizepräsidentin in ihrem «Rechenschaftsbericht» kein Wort verloren, obwohl all die Anklagepunkte suchenden Staatsanwälte und Richter sich praktisch täglich drohend medial  darüber verbreiten – was man durchaus als Versuch, Angst zu erzeugen und damit Wahlen zu beeinflussen, erkennen muss.

Natürlich muss eine Vizepräsidentin der Regierung Rajoy kurz vor den Wahlen vom Donnerstag in ihrem «Rechenschaftsbericht» nicht auf konkrete Inhalte verweisen – sie tut das schon deswegen nicht, weil der grösste Teil des Gremiums, bestehend aus einer absoluten Mehrheit der PP, für jeden Satz, den sie in den Saal schreit, applaudiert. Hauptsache ist in jenen Kreisen, dass es gegen die Katalaninnen und Katalanen geht.

Hier sind keine Neofaschisten, keine Rassisten am Werk, sondern demokratisch gesinnte Bürgerinnen und Bürger.

Das einzig Konkrete, was zur Zeit politisch in der katalanischen Politik wirklich herrscht, ist die Machtausübung der PP in Catalunya.

Bei Wahlen in Catalunya ist die PP mit Abstand seit Jahrzehnten immer die Partei mit dem geringsten Wähleranteil gewesen. Und das aus guten Gründen. (Ich habe darüber in der TagesWoche bereits zu berichten versucht).

Feststellen lässt sich: Mit solcher Politikrhetorik, wie sie die spanische Vizeregierungspräsidentin offiziell und öffentlich  vorgetragen hat – und zwar als Regierungsverantwortliche, nicht als «Wahlkämpferin», angelehnt an das, was Trump der Welt vordemonstriert – wird diese «Krise» in keiner Art und Weise «behoben» werden. Dazu versammeln sich in Catalunya viel zu viele initiative, kreative, gebildete, offene und sehr tolerante Menschen hinter der Idee der Republik. Das sollte man im Rest Europas nun schon langsam zur Kenntnis nehmen.

Hier sind keine Neofaschisten, keine Rassisten, keine Nationalchauvinisten am Werk, sondern demokratisch gesinnte Bürgerinnen und Bürger. Viele jener Katalaninnen und Katalanen, welche gegen eine Unabhängigkeit sind, sind deswegen noch lange keine PP-Anhänger oder Ciudadanos-Unterstützer. Die Neofaschisten, Populisten, Rechtsverdreher und korrupten Langzeittäter operieren aus zentralspanischen Gremien und gewissen Medienhäusern heraus oder über Fernsehanstalten mit reiner Regierungspropaganda als «Nachrichtenwahrheit» – man kennt solcherlei aus den Trump- und Foxnews-USA.

Man kennt dies in Europa aus Spanien heraus offensichtlich nicht. Insgesamt muss man festhalten: Der katalanischen vielfältigen Gesellschaft steht eine PP-Staatsvorstellung gegenüber, in die sich Millionen Menschen in Catalunya nicht untertänig einreihen wollen, auch nicht einreihen werden.

Der spanische Rechtsstaat muss wieder hergestellt werden, sonst bleibt es nicht bei der «katalanischen Krise».

Wenn man in Barcelona wohnt und auch nur ein wenig informiert ist, weiss man: Da wird durch regionale Parlamentswahlen – von der Zentralregierung befohlen, nachdem diese das vor zwei Jahren rechtsstaatlich gewählte Parlament aufgelöst hatte, dessen eindeutige Mehrheit über ein klares Programm für die Bildung einer Republik Catalunya zu Stande kam – nichts «geregelt», wenn diese Zentralregierung sich nicht endlich demokratisch zu bewegen beginnt.

Was heissen muss: Verhandlungen über die Wiedereinsetzung des von der PP und einem nicht verfassungskonform zusammengesetzten Verfassungsgericht 2010 zerstörten Autonomiestatuts für Catalunya von 2006.

Das wäre allerdings nicht die «Lösung» der katalanischen Krise für die nächsten Jahrzehnte, sondern bloss die Wiederherstellung des spanischen Rechtsstaates. Denn dieser wurde durch die beiden eben genannten Institutionen mutwillig und zielgerichtet zerstört. Darüber hinaus muss endlich eine Verfassungsreform an die Hand genommen werden. Jetzt, nicht irgendwann. Sonst bleibt  es in Spanien bei Weitem nicht bei der «katalanischen Krise».

Es würden eine balearische, eine baskische, eine galicische Krise folgen. Was auch EU-Krisen sind – oder würden.

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