Das St. Johann sei ein «Trendquartier», schreibt die TagesWoche. Stimmt schon, sagt ein ehemaliger Quartierbewohner. Bloss geht der Trend in die falsche Richtung.
Was muss ich da über mein altes Quartier lesen? «Sehr urban, sehr hip, sehr angesagt» sei es, das St. Johann, ein «Trendquartier». Steht so in der neusten Ausgabe der TagesWoche. Das kann ich so nicht stehen lassen.
Zugegeben, wer den Voltaplatz früher und heute erlebt hat, kommt nicht umhin, eine Beruhigung zu konstatieren. Die Beruhigung setzt sich fort bis zum Vogesenplatz und beschränkt sich auch überhaupt nicht auf den Verkehr. Das aus dem Boden gestampfte Quartier ist ganz einfach: tot.
Das, was andere Quartiere und bisher noch grosse Teile des St. Johanns so bunt und lebendig macht, wird es dort nie geben. Das wurde durch bauliche Massnahmen für immer verhindert. Das Bunte und Lebendige entsteht nämlich dort, wo es nicht geplant war. Und im neuen «Volta-Quartier» gibt es keine Nischen, wo ein wildes Pflänzchen gedeihen könnte. Beim Robispielplatz kann man noch darauf hoffen, dass es Betreibern und Kids mit Kreativität gelingen wird, das aktuell an Guantánamo erinnernde Unding seiner ursprünglichen Bestimmung zuzuführen. Die Ex-Pats, die sich eine Bleibe in einer der auf den ersten Blick noch schönen Blocks leisten können, werden das in ihrer «Neighborhood» käumlich tun.
Alles gehört einem
Wenn ich ein Ex-Pat wär, würd mich das auch nicht kratzen. Wer in zwei Jahren sowieso versetzt wird, ist zufrieden, wenn der Coop mit den Convenience-Schnitzeln von Betty Bossi nicht weit ist. Für feines Essen gibt’s die Kantine im Campus. Ob das Springbrünneli vornedran tut oder nicht, wär mir auch grad wurscht. Coop und Migros finden das klasse. In Erwartung von kaufkräftigen Neuzuzügern bauen sie neue Filialen. Sie haben auch genug Cash um durchzuhalten, bis sie tatsächlich kommt, die Kundschaft. Und wenn sie ausbleibt, tjä nu, dann ist es nicht die erste Migros-Filiale in Basel, die nicht läuft. Siehe Stücki.
Weniger Schnauf haben der herzige Kiosk beim St. Johannstor, der tolle Denner-Satellit von Herrn Thambo. Pippo, der beste Metzger der Stadt, wird seinen berühmten Salsicce vielleicht vermehrt an gutsituierte Neusantihanslemer verkaufen, denen die keimverseuchten Cervelats nicht mehr auf den Wegwerfgrill kommen. Wenn Pippo mal nicht mehr mag, wird sein Geschäft kaum weitergeführt werden. Damit sind nur die Geschäfte aufgezählt, die direkt an der Elsässerstrasse liegen. Der Portugiese hinten in der Mülhauserstrasse, der Bioladen «Witwe Bolte», sie alle werden die Konkurrenz der Grossen spüren, wenn sie ihr nicht zum Opfer fallen werden. Die Liste ist damit längst nicht komplett. Keine Angst muss man um die Apotheken haben, von denen es zwischen Mülhauserstrasse und Voltaplatz gleich drei gibt. Sie gehören alle dem Gleichen. Und an Warennachschub wird es wohl auch nicht fehlen.
Von Bürokraten geplant
Das neue St. Johann ist ein Beispiel dafür, was dabei herauskommt, wenn man seine Stadt von Bürokraten planen lässt. Allein, dafür hätte man kein Quartier opfern müssen. Vis-à-vis vom mondänen Novartis-Campus steht ein Mahnmal, das uns allen eine Warnung hätte sein müssen: die Voltahalle – eine mit besten sozialdemokratischen Absichten gezeugte Totgeburt.
Zurück zum Vogesenplatz. Weil man es sich mit den Autofahrern nicht verderben wollte, teilt sich der ach so bevorzugte Velofahrer das relativ neue Strassenstück von dort hinauf zum Kannenfeldplatz eben mit den fetten SUVs der Neubaubewohner. Aber ohne die Parkplätze an der Seite hätte die Strasse vermutlich gar nicht gebaut werden können. Demokratie halt.
Man muss nicht unbedingt Kommunist und Moskau-Fan sein, um die Vorzüge einer nicht von Petitionen und Einsprachen gegängelten Stadtplanung zu erkennen. Jeder Potentat, egal welcher Couleur und sei sein Land noch so arm, hätte einen Lachanfall bekommen, wenn er einmal die Freie Strasse runterspaziert wäre. Schauen Sie sich nur mal die panzerparadentauglichen Prachtsalleen von Lissabon an. Aber wenn das reichste Land der Welt ein neues Quartier baut, kommt das neue St. Johann heraus.
Es ist wie mit den Hors-sol-Tomaten beim Grossverteiler. Wenn man ihn fragt, wieso seine Tomaten hart wie Stein sind und nach gar nichts schmecken, sagt er: «Die Leute wollen es so.» Na, dann halt. Immerhin muss man die störenden Prekarier bei uns nicht zwangsumsiedeln. Der Markt regelt das von alleine.