Offenbar ist die Baselbieter FDP nun endgültig entschlossen, die SVP bei der Ersatzwahl vom 3. März zu unterstützen. Wir erinnern darum nochmals gerne an unseren Kommentar über die Ballmer-Nachfolge – eine Suche, die schon sehr unglücklich begonnen hat (Heft 51).
Die Rücktrittsankündigung des FDP-Regierungsrates Adrian Ballmer kam, zumindest vom Zeitpunkt her, überraschend – und sie war erfreulich. Die Reaktionen der Baselbieter Politik sind dagegen wenig überraschend – und unerfreulich.
Die zerstrittenen Bürgerlichen erinnern sich plötzlich wieder an die bürgerliche Zusammenarbeit (von alters her BüZa genannt), obwohl diese im politischen Alltag schon längst nichts mehr taugt. Aber das ist den Politikern jetzt egal. Schliesslich geht es wieder einmal um Posten. Da können die alten Beziehungen nur nützlich sein.
Darum haben die Präsidentinnen von FDP (Christine Pezzetta) und CVP (Sabrina Mohn) der SVP und ihrem noch unbekannten Kandidaten bereits Unterstützung in Aussicht gestellt. Ihre Parteien haben Angst vor einer neuen Dynamik in der Baselbieter Politik. Angst vor dem Scheitern einer eigenen Kandidatur bei der Ersatzwahl im März 2013. Und Angst, bald einmal auch noch den letzten Sitz in der Regierung zu verlieren. Die Aufregung ist so gross, dass die Politiker fast keine Zeit mehr finden, um sich zur Abwechslung auch wieder mal einer inhaltlichen Frage zuzuwenden.
Die Presse ist nicht besser
Leider denken auch die Medien nicht sehr viel weiter. Die «Basler Zeitung» (BaZ) beschwor den faktisch längst gescheiterten Gesundheitsdirektor Peter Zwick (CVP), im Amt auszuharren. Wenn er schon in der Gesundheitspolitik nichts erreicht, so das Kalkül der BaZ, soll er wenigstens dafür sorgen, dass die Situation im Baselbiet nicht noch unübersichtlicher wird – und ein Regierungswechsel zu Rot-Grün noch wahrscheinlicher.
Die Zeitung «Sonntag» wiederum räumte dem Haudrauf-Blogger Manfred Messmer breiten Raum ein, um den Bürgerlichen zu erklären, wie sie nach der zu erwartenden Niederlage im März 2013 bei den Gesamterneuerungswahlen 2015 einen «überwältigenden Sieg» einfahren können: mit einer Blockadepolitik im Landrat. Eine Strategie, die Rot-Grün ein erfolgreiches Regieren verunmöglichen würde. Eine Idee, die für die Politiker sicher sehr interessant klingt. Für den ganzen Kanton würden zwei Jahre Blockade allerdings zwei Jahre Stillstand bedeuten.
Na und, kann man als Zyniker sagen, schliesslich geht in diesem Kanton schon seit Jahren nichts mehr. Wer nur halbwegs konstruktiv denkt, wird sich vielmehr fragen, was dem Baselbiet tatsächlich fehlt, was es wirklich braucht.
Offensichtlich sind die Geldprobleme, der Mangel an flüssigen Mitteln. Ein Grund dafür ist der extreme Zentralismus. Der heruntergewirtschaftete Kanton hat viel zu viele Aufgaben. Und dennoch sind die vielen Klein- und Kleinstdörfer schon jetzt überfordert. Also überantwortet man ihnen lieber keine weiteren Kompetenzen – und den grossen und finanziell eigentlich gesunden Gemeinden auch nicht.
Die grossen Probleme
Noch gravierdender sind die Identitätsprobleme: Das Baselbiet weiss nicht mehr, was es sein will und sein soll. Ein möglichst sparsamer Landkanton? Oder nicht vielleicht doch lieber aktiver Bestandteil der erfolgreichen Wirtschaftsregion, des international ausgerichteten Forschungs- und Bildungszentrums Basel? Ein Kanton also, der mutig investiert und entsprechend verdient, gleich wie Basel-Stadt, zusammen mit Basel-Stadt vor allem auch.
Die SVP steht für den eigenständigen Landkanton, in dem möglichst alles beim Alten bleibt, auch was die Privilegien für die eigene Klientel anbelangt, fürs Gewerbe, für die Landwirtschaft, die Häuschenbesitzer. Rot-Grün steht für das andere Modell, für das offene Baselbiet, für neue Strukturen im Kanton und vielleicht sogar für eine Fusion mit Basel. Legitim sind beide Haltungen, zukunftsgerichtet aber ist nur eine. Jene von Rot-Grün.
In diesem Kanton sind tiefgreifende Reformen nötig. Das haben auch einige Freisinnige und vor allem die Mitteparteien eingesehen, zumindest, wenn man ihren Strategiepapieren und früheren Äusserungen Glauben schenkt. Schade, dass sie sich ausgerechnet jetzt, vor der richtungsweisenden Ersatzwahl vom kommenden März, nicht mehr dafür interessieren.
Die grossen Widersprüche
Dabei verwickeln sie sich in teilweise krasse Widersprüche. Das gilt nicht nur für überraschend schnell gealterte Jungpolitikerinnen wie Sabrina Mohn, die sich aus der eben erst geschaffenen Mitte bereits wieder verabschiedet. Eine fast noch schlechtere Figur geben gestandene Männer wie Franz Saladin ab. Als Direktor der Handelskammer beider Basel steht er für vieles ein, das der SVP suspekt oder gar zuwider ist: Investitionen in Bildung, offene Grenzen, einen einheitlichen Wirtschaftsraum, eine Fusion der beiden Basel. Nur konsequent ist darum auch sein Lob für die SP-dominierte Basler Regierung.
Und was sagt der gleiche Saladin als Baselbieter FDP-Politiker? Gemeinsam mit der SVP müsse man nun alles unternehmen, um die links-grüne Mehrheit doch noch zu verhindern.
Na ja. So wird wohl nichts aus der Verwirklichung all der grossen Ziele, die der Handelskammerdirektor Saladin für die ganze Region formuliert hat. Damit diese erreicht werden könnten, müssten die konstruktiven Kräfte endlich mal zusammenspannen. Auch im Baselbiet.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 21.12.12