Es ist ein Ja zu einer modernen Fernsehgebühr, ein Ja zur SRG und ein Ja zur Vernunft. Warum das hauchdünne Ergebnis zur neuen Fernsehabgabe ein gutes Zeichen ist, aber Fragen offen lässt.
3696 Stimmen machten am Ende den Unterschied: Die Schweizer Stimmbevölkerung nahm das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) mit einer hauchdünnen Mehrheit an – noch nie war ein Ergebnis bei einer nationalen Abstimmung so knapp. Die Gegner um den Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) Hans-Ulrich Bigler erwägen nun eine Beschwerde zur Nachzählung der Stimmen.
Bigler und seine Gefährten taten bereits im Abstimmungskampf alles Machbare, um das neue RTVG zu verhindern. Die entscheidenden Stimmen für sich zu gewinnen, gelang dennoch nicht.
Der Gewerbeverbandsdirektor verstieg sich im Abstimmungskampf in mancherlei Hinsicht. Er stellte die Behauptung auf, die Fernsehabgabe koste den Bürger bald 1000 Franken – eine aus der Luft gegriffene Zahl. Zudem griff er den SRG-Direktor Roger de Weck persönlich an und die Gewerbezeitung behauptete, das Tierheim beider Basel gehe Konkurs, wenn die neue Abgabe eingeführt werde.
Ausserdem präsentierte der Gewerbeverband eine Liste mit RTVG-Gegner, die gar keine waren. Und zur Krönung schaltete Bigler Plakate, auf denen blutige Finger zu sehen waren – eine Plakat-Serie, die nicht nur an SVP-Hetzkampagnen erinnerte, sondern auch von derselben Agentur erstellt wurde, die sonst SVP-Plakate kreiert.
Vorsicht Mausefalle: Wer nach dem Geldgeschenk greift, schneidet sich ins eigene Fleisch, so die Botschaft eines Plakats der RTVG-Gegner (Bild: SGV)
Dass emotionalisierte Kampagnen im Abstimmungskampf laufen, ist nichts Neues. Es ist auch nicht verkehrt, wenn Politiker und Verbände Sachverhalte zuspitzen und Gefühle in staubtrockene Debatten bringen. Nur so erreichen sie die Leute, nur so entstehen Diskussionen und nur so bewegen sich die Bürgerinnen und Bürger an die Urne.
Dass jedoch Sachverhalte verdreht werden und tendenziös informiert wird, ist eine unschöne Erscheinung. Deswegen ist es ein gutes Zeichen, dass die Stimmbevölkerung das RTVG annahm. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Vernunft der Stimmbürger gegen eine hochemotionalisierte Schmutzkampagne gewinnt. Vielleicht trieb die Hetzkampagne einige Stimmbürger gar zu einem Ja.
Aus rationalen Gründen sprach wenig gegen das revidierte RTVG. Eine Abgabe auf Empfangsgeräte zu erheben, wie es bisher der Fall war, ist nicht zeitgemäss. Bald jedes Kind verfügt über ein Smartphone, das Internet hält Einzug in beinahe alle Haushalte.
Das neue System vereinheitlicht, schafft Bürokratie ab und senkt erst noch die Gebühren für alle privaten Haushalte. Wer das Gebühren-System oder die SRG nicht grundsätzlich in Frage stellt, konnte an diesem Abstimmungssonntag kaum ein Nein einlegen.
Ein Nein hätte niemandem geholfen ausser denjenigen, die die SRG ohnehin abschiessen wollen. Dass Fundamental-Kritiker wie Bigler oder die SVP-Nationalrätin Natalie Rickli so viel Gehör fanden, erstaunt dennoch.
Sie transformierten den Streit um technische Modalitäten eines Abgabesystems zu einem Kampf gegen die SRG. Das knappe Resultat zeigt nun, dass die SRG-Kritik bei den Stimmenden durchaus verfing.
Bei der No-Billag-Initiative dürfen die SRG-Gegner wieder in die Kampagnen-Trickkiste greifen, dann setzt die Kritik auch am richtigen Punkt an.
Und der Kampf gegen die SRG geht weiter. Die No-Billag-Initiative, die einer faktischen Abschaffung der SRG gleichkommt, steht in den Startlöchern. Sofern die Initiative zustande kommt und wir darüber abstimmen, steht die Fundamental-Kritik erneut an.
Dann dürfen die SRG-Gegner wieder in die Kampagnen-Trickkiste greifen und ihrem Ärger über die SRG Luft verschaffen – sie müssen ihre Kritik dann nicht unter dem Deckmantel einer technischen Modalität der Gebührenzahlung tarnen, sondern können mit ihrer Initiative direkt auf die SRG schiessen.