Die Zwischennutzung des Kantons auf der Klybeckinsel ist gründlich schiefgegangen. Bei näherer Betrachtung überrascht das wenig.
Der Plan sah so aus: Der Kanton wollte eine Industriebrache im Kleinhüninger Hafen beleben. Gute Ideen waren gesucht, junge Kreative gefragt. Das Schlagwort der Stunde heisst «Zwischennutzung», die stadtplanerische Allzweckwaffe. Es sollte ein Lehrstück der Urbanität werden, «partizipative Form» nennen es die Kantonsvertreter. Also wurde ein Wettbewerb veranstaltet und gross gestaunt ob der Anzahl und Qualität der eingereichten Projekte. Aus 60 Vorschlägen suchte eine hochdotierte Jury aus, was ihr am besten gefiel. Danach gabs Projektpräsentationen, Workshops, Arbeitsgruppen, Pläne, Einsprachen, Ernüchterung. In dieser Reihenfolge. Verwirklicht wurde wenig.
Zwischennutzungen leben von Spontanität, Unmittelbarkeit treibt sie voran. Wer nicht weiss, wie lange er beispielsweise eine Bar noch betreiben darf, hält sich nicht mit Plänen auf, sondern setzt Ideen um. Je schneller, desto besser.
Regulierte Spontanität?
Naturgemäss sperrt sich jede Form von Spontanität und Improvisation der staatlichen Regulation. Wie soll etwas, das so schwerfällig ist wie die Basler Verwaltung, mit dem schnelllebigen Konzept der Zwischennutzung umgehen können? Staatlich kontrollierte Freiräume? Das funktioniert nur auf dem Kinderspielplatz.
Dem Kanton, allen voran dem Präsidialdepartement, ist eines hoch anzurechnen: Das Zwischennutzungsprojekt im Kleinhüninger Hafen ist ein starkes Votum für solche Formen der urbanen Kultur. Auch der Wille, sich auf solche Experimente einzulassen, ist lobenswert. Allein, der Kanton sollte seine Grenzen (lies Kompetenzen) kennen.
Bei Zwischennutzern der früheren Generation herrscht über einen Punkt Einigkeit: Der Staat soll Brachen jedweder Art zur Verfügung stellen, allenfalls noch die Bewilligungshürden punktuell und vorübergehend verringern. Punkt. Keine Steuerung des Angebots. Keine Einflussnahme auf die Art der Projekte. Und schon gar keine organisatorische Verantwortung.
Amöbenhaft hat sich der Staat die Zwischennutzungen einverleibt
Tatsächlich geschehen ist jedoch etwas anderes. Die Stadtentwickler haben erkannt, dass Brachen wertlos sind. Sie haben eingesehen, dass Alternativkultur Nischen besetzen und beleben kann. Der Staat hat sich amöbenhaft die Ideen der Zwischennutzung einverleibt und sie zum stadtplanerischen Instrument erhoben.
Mit der gross angelegten und lautstark angekündigten Projektausschreibung der Zwischennutzungen am Klybeckquai hat der Kanton hohe Erwartungen geschürt. Das umfangreiche und wohlformulierte Papier war eine einziges grosses Versprechen. Das hat Hoffnungen geweckt. Die nun enttäuscht worden sind. Die Fallhöhe war gross, angekündigt waren die «neuen Freiräume» auf das Frühjahr 2012, heute ein Jahr später muss man feststellen, dass damit auch 2013 nichts werden wird.
Noch fataler ist eine andere Konsequenz der vollmundigen Versprechungen. Bei den Zwischennutzern entstand eine Anspruchshaltung: Der Staat solls richten. Worte von Behördenvertretern wiegen ungleich schwerer als jene einer Privatperson. Regierungsrat Hans-Peter Wessels hat anfangs Februar anlässlich des Rosenau-Abbruchs den verqueren Anspruch auf staatliche Alternativen auf den Punkt gebracht, als er sagte: «Besetzen müssen sie das Haus schon noch selber.»
Die Renitenz ist verloren gegangen
Sind sie etwa bequem geworden, die Zwischennutzer mit Zielort Klybeckquai? Der Kampf mit Widrigkeiten und gegen Obrigkeiten, das kurzfristige Umdenken, Plan B und Plan C, das alles war erforderlich wie stilprägend bei früheren Zwischennutzungen. Seit aber der Staat sich ins Spiel eingemischt hat, hat man vielleicht voreilig auf Alternativpläne verzichtet, liess man sich allenfalls zu leicht abspeisen, ist man gutgläubig geworden. Die Kunst der Improvisation ist verloren gegangen. Zusammen mit dem Selbstbewusstsein, der Aufmüpfigkeit und der Konfliktbereitschaft.
Ironischerweise hat sich, mitten im Stillstand am Klybeckquai, doch noch etwas bewegt. Die Ausschreibung der grössten Brache, des ehemaligen Geländes der Migrol, war von der Projektleitung eigentlich für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen. Dennoch gehen dort die Zwischennutzungspläne am schnellsten voran. Dort darf sich nämlich die Kunstmesse «Scope» Ende Mai vorübergehend einrichten. Soweit der genehmigte Verlauf.
Das eigentliche Lehrstück
Daneben haben sich aber am Karfreitag einige Besetzer niedergelassen. Rund zehn sogenannte Wagenleute wohnen nun auf dem Areal, ausserdem gibt es eine Bar, eine Bühne und eine offene Küche. Frech haben sie sich genommen, was ansonsten eine öde und nutzlose Kiesfläche geblieben wäre.
Für die offiziellen Zwischennutzer ist dies eine eigentliche Ohrfeige. Wer sich an die Regeln hält, bleibt auf der Strecke. Wer vollendete Tatsachen schafft, profitiert von der fehlenden Flexibilität der Behörden. Das ist das Lehrstück.