Weshalb auch Fusionsbefürworter ein Nein einlegen können

Die wichtigste Debatte in den beiden Basel seit Jahren wird mit einfältigen Gesten und Sprüchen geführt.

Verunfallt: die Kampagne für einen Kanton Basel. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Linden gegen Tannen, Grillfest gegen Höhenfeuer – statt eine echte Diskussion um eine allfällige Kantonsfusion zu führen, verlieren sich Befürworter und Gegner in einem symbolischen Wettrüsten.

Es gibt eigentlich keinen Grund, die Prüfung der Kantonsfusion abzulehnen. Weshalb sollten die Einwohner von Baselland und Basel-Stadt nicht wissen dürfen, was für Vorteile eine Fusion brächte und was für Nachteile? Wo die Risiken liegen, wo die Gewinne? Welche Hoffnungen berechtigt sind, welche naiv?

Sagen die Kantone am 28. September Ja zur Bildung eines Verfassungsrats, der die Fusion vorbereiten würde, könnten endlich Antworten auf diese Fragen gefunden werden. Doch dazu hätten sie überhaupt erst einmal gestellt, geschweige denn diskutiert werden müssen.

Die Debatte zur Kantonsfusion erschöpft sich bislang in einem symbolischen Wettrüsten. Pflanzen die Gegner eine Freiheitslinde, kontern die Befürworter mit einer Fusionstanne. Mit Grillfesten wird gegen Höhenfeuer gekämpft. Baselbieterlied gegen Birsköpfli-Hymne. Fahnenstreit. Hauptortstreit. «Packen wir die Chance!» – «Keine teuren Experimente!» Die wichtigste Debatte in den beiden Basel seit Jahren wird mit einfältigen Gesten und Sprüchen geführt.

Die Gräben werden tiefer

Das ist zunächst ein Erfolg der Fusionsgegner, die die Befürworter auf ihr Terrain gelockt haben. Wo sie, im Wissen um die Schwäche der eigenen Argumente, munter volkstümeln und Mythen konstruieren, wie das Schlachtenepos der Hülftenschanz, von dem die meisten Baselbieter und Basler vor der Fusionsdebatte noch nie gehört oder es längst vergessen haben. Als Alternative wird die vertiefte Partnerschaft propagiert, ein Modell, von dem nicht mal jene, die ein solches fordern, wissen, was es bedeuten könnte.

Die Fusionsdebatte zweier Halbkantone ist wenig mehr als ein Innerbaselbieter Kulturkampf, wo mit jedem Tag vor dem Urnengang der Graben tiefer gezogen wird, auch jener zur Stadt. In dieser fehlt mittlerweile jedes Interesse an einem Zusammengehen. Die Basler Politik hat sich komplett abgemeldet aus der Diskussion. Die Regierungsräte, offiziell glühende Verfechter der Fusion, sind abgetaucht.

«Wo ist die Diskussion, wie man sich finden könnte?» 

Auch die Parteien behandeln die Abstimmung mit Gleichgültigkeit. Vielleicht, um Baselbieter Stimmbürger mit unbedachten Äusserungen nicht vor den Kopf zu stossen, vielleicht, weil man von einem Basler Ja ausgeht, wahrscheinlich auch, weil man selber spürt, dass das Riesenprojekt ein Debakel werden könnte. Als das Pro-Fusion-Komitee diese Woche seine Kampagne vorgestellt hat, war mit dem Jungfreisinnigen Carol Baltermia ein einziger Vertreter aus Basel-Stadt mit dabei.

Den Jungparteien, vor allem den Baselbieter, ist kein Vorwurf zu machen. Wöchentlich nehmen sie eine CD auf, stellen sich auf eine Brücke, führen «Grenzkontrollen» durch. Halten das Thema also in den Medien. Sie sorgen für das Salz in der Suppe, bloss hat die Suppe nie einer gekocht.

Es fehlt an Ernst in der Debatte

Gerade in der Verkehrspolitik besetzen die beiden Basler Kantone konträre Positionen. Ist in Basel jeder Parkplatz einer zu viel, wird jeder Baselbieter, der eine Wohnung oder ein Haus baut, zur Schaffung eines Parkplatzes verpflichtet. Wo ist die Diskussion, wie man sich da finden könnte? Wann sind die Stadtentwickler und Raumplaner hingestanden und haben einen so nötigen gemeinsamen Entwicklungsplan diskutiert? Wann wurde Verhandelbares und nicht Verhandelbares in den beiden Verfassungen aufgezeigt? Die Mühe, Differenzen zu identifizieren und Lösungen zu debattieren, hat sich keiner gemacht.

Stattdessen verschickte einer der wichtigsten Köpfe der Pro-Kampagne, der grüne Landrat Klaus Kirchmayr, Selfies von seiner einsamen Wanderung durch die Basler Landen.

Die Enthusiasten, auch die Skeptiker einer Heirat von Baselland und Basel-Stadt hätten verdient, dass vor einer Abstimmung ausgedehnt diskutiert wird, wenn nötig drei, vier Jahre. Dass Studien erstellt werden und Gegenstudien – und die Bereitstellung der Fakten nicht der Grossbank Credit Suisse überlassen wird, die Anfang September eine Einschätzung des Potenzials der Fusion abgibt. Beide Seiten, auch beide Kantone haben nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit die Kantonsfusion debattiert. Auch als Fusionsbefürworter kann man Ende September ein Nein in die Urne werfen.

Nächster Artikel