Bundesrat Alain Berset will die Altersvorsorge der Schweizer auf eine gesundere finanzielle Basis stellen, und zwar sowohl die AHV als auch die betrieblichen Pensionskassen. Der Versuch, das Gesamtbild im Auge zu behalten, ist lobenswert.
Bersets Rezepte für die AHV: Rentenalter 65 auch für die Frauen, flexibleres Rentenalter, erschwerte Frühpensionierung sowie die Anpassung der Beiträge und Leistungen an die veränderte Wirtschaftslage. In der zweiten Säule soll ein Umwandlungssatz auf «adäquatem Niveau» finanzielle Linderung bringen.
Richtig ist, dass die Altersvorsorge wegen der sich verändernden Altersstruktur (höhere Lebenserwartung, tiefere Geburtenraten) finanziell zusehends in Schieflage gerät. Wann das Finanzloch zu gross wird, hängt auch von der wirtschaftlichen Entwicklung ab, und die lässt sich nicht über zwei Jahrzehnte voraussagen. Wer also jetzt von «spätestens 2030» redet, stellt eine Behauptung auf – wissen kann er das nicht.
Es gibt zwei Möglichkeiten
Wenn das Geld nicht mehr reicht, gibt es grundsätzlich zwei Lösungen: mehr einnehmen oder weniger ausgeben – also mehr Prämien oder weniger Rente. Das von Alain Berset vorgesehene Reformpaket setzt im wesentlichen bei den Ausgaben von AHV und Pensionskassen an; es sollen Leistungen gekürzt werden.
Das Rentenalter 65 für Frauen ist eine solche Leistungskürzung. Interessanterweise fragt sich heute kaum mehr jemand, warum man in den Anfangszeiten der AHV für Frauen ein tieferes Rentenalter ansetzte. An der Doppelbelastung durch Berufs- und Familienarbeit, an der ungleichen Behandlung in Sachen Lohn hat sich seit diesen prähistorischen Zeiten zwar einiges, aber noch längst nicht genug verändert.
Flexibel zum Arbeitsamt
Die «Flexibilisierung» des Rentenalters ist offenkundig als Einbahnstrasse gedacht; schliesslich will Berset den frühestmöglichen Pensionierungszeitpunkt (heute Alter 58) anheben. Dazu freilich müsste Berset dafür sorgen, dass auch Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer zu Verfügung stehen. Sonst landen diese ganz «flexibel» bei den Arbeitsämtern.
Auch die «Anpassung an die veränderte Wirtschaftslage» dürfte sich als Einbahnstrasse erweisen. Runter mit den Renten, wenn es der Wirtschaft schlecht geht; und wenn es ihr besser geht, bleiben die Renten unten, weil man nun «Reserven für schlechtere Zeiten» bilden muss. Dieses üble Spiel kennen wir aus dem Zusammenhang zwischen Hypothekarzinsen und Mieten.
Tendenz gegen Null
Ähnliches gilt in der zweiten Säule für das «adäquate Niveau» des Umwandlungssatzes. Für die Finanzinstitutionen im Pensionskassengewerbe ist der «adäquate» Umwandlungssatz selbstverständlich «flexibel», mit einer klaren Tendenz gegen Null.
In der Frage, wo allenfalls neue, zusätzliche Einnahmen für die Altersvorsorge aufgetrieben werden könnten, geben sich Berset und seine Experten eher bedeckt. Die Mehrwertsteuer allein kann ja nicht die Antwort sein, denn die trifft auch wieder wenig verdienende Konsumenten am stärksten. Irgendwann sollte man schon einmal daran denken, das Geld dort zu holen, wo es ist. Besonders ein sozialdemokratischer Regierender sollte diese Politik-Variante nicht ganz aus den Augen verlieren.