Die Basler Polizei setzt bei illegalen Partys auf Machtdemonstration statt Deeskalation. Ist diese Taktik sinnvoll und verhältnismässig? Leider nein.
Womöglich gibt es Leute, die begeistert sind von all den politischen Aktivitäten, die den öffentlichen Raum in Basel betreffen. Ich gehöre nicht dazu. Dass neuerdings improvisierten Festen mit Kampfmontur begegnet wird, halte ich für unvernünftig.
Das offizielle Basel, man wird den Eindruck nicht los, pflegt einen verkrampften, widersprüchlichen Umgang mit seiner Urbanität – nicht nur bei unbewilligten Partys. Auf der einen Seite haben die Behörden das Bedürfnis nach Freiräumen erkannt, sie estimieren den positiven Schwung, den das nt/Areal zehn Jahre lang der Stadt verliehen hat. Deshalb darf der kreative Wildwuchs in unserer Stadt, die geografisch stark begrenzt ist, in diesem Sommer durch Zwischennutzungen neu im Hafen spriessen.
Verhältnismässigkeit
Zugleich hat die Basler Regierung aber auch Gottfried Kellers Seldwyla für sich entdeckt und eine neue Regelung betreffend Strassenmusik verabschiedet. «Überlauter Gesang» scheint ihr ein so grosses Problem, dass dieser verboten werden musste. Wurde das an der Meisterfeier auf dem Barfüsserplatz auch konsequent durchgesetzt? Nein. Muss ja nicht sein. Ist doch eine Frage der Verhältnismässigkeit. Nur scheint der Basler Regierung das Gespür für Verhältnismässigkeit ein bisschen abhanden gekommen zu sein. So begegnet sie unbewilligten Festivitäten mit unverhohlenen Drohgebärden. Schon im letzten Jahr fuhren Kastenwagen in den Langen Erlen vor, um zwischen Wald und Wiese einige Tanzende einzukesseln. Fertig lustig!
Kleine, unbewilligte Veranstaltungen wurden auch in den letzten Wochen aufgelöst. Mal unter freiem Himmel, mal in einer alten Abbruchgarage. Uniformierte traten den Feiernden mit Schäferhund und Gummischrot entgegen. Bei der Grosspeter-Kreuzung sollen sich drei, vier Partygänger vermummt, die vorrückenden Beamten bedroht und einen Polizisten mit einem Laserpointer verletzt haben. Ein Polizist wiederum soll aus nächster Nähe Gummischrot auf einen jungen Mann abgefeuert haben. Beides ist unschön. Beides ist unnötig. Und beides ist eine Folge der neuen Polizeistrategie: Machtdemonstration statt Deeskalation.
Weshalb fährt Basel-Stadt so harsch ein? Will man denen in Liestal zeigen, dass Schäferhunde so effektvoll eingesetzt werden können wie Superpuma-Helikopter (ein solcher überwachte 2010 einen Harassenlauf)?
Aufgeschreckt durch die Besetzung des alten Kinderspitals und eine Open-air-Party auf der Voltawiese 2011, scheint ausgerechnet Regierungsrat Hanspeter Gass, der ja gar nicht erst wiedergewählt werden möchte, zum Schluss gekommen zu sein, dass nach 30 Jahren wieder Jugendunruhen stattfinden. Seither greift die Polizei bei unbewilligten und spontanen Veranstaltungen repressiv durch. Einige Politiker hatten das gefordert, nachdem die Lokalredaktion der BaZ, die man zwar nachts nie vor Ort antraf, die aber dennoch stets genau wusste, was geschehen war und wer schuld war, mächtig gepoltert hatte. «150 Chaoten» zählte die BaZ in der Voltanacht, unsereiner sah – vor Ort – primär friedlich tanzende Jugendliche und anstelle eines «riesigen Feuers» ein paar Bretter, die loderten.
Dass Schaufensterscheiben zu Bruch gingen, ist destruktiv und bedauerlich. Ein paar Leute mit wenig Hirn und viel Hormonen wollten London spielen. Aber versank Basel deshalb im Chaos? Nein. Zürich brannte 2011 stärker und hat reagiert: Die Limmatstadt testet derzeit eine «Jugendbewilligung für Outdoor-Partys», um Ausschreitungen vorzubeugen. Deeskalation pur.
In Basel hat die Polizei eine andere Idee: Repression und Provokation. Das ist eine neue Stossrichtung, zuvor beschränkte sich die Polizei jahrelang klug und bedacht auf die Rolle von Beobachtern, etwa an der «Village Sauvage» in Riehen, wo sich 2009 rund 2000 Menschen trafen, um zwei Nächte lang in Abrisshäusern zu tanzen, bei günstigem Bier und guten Konzerten. Ein paar Fenster gingen in Bruch, ein paar Riehener verbrachten eine unruhige Nacht. Niemand kam zu Schaden. Man verzieh den Übermut. Zu Recht. Man kann nicht verlangen, dass junge Leute aus der Geschichte gelernt haben. Denn sie blicken ja noch gar nicht auf eine solche zurück. Ganz im Unterschied zu den grau melierten Politikern, die dabei sind, Ordnung nach alter Schule zu erzwingen. Als hätte sich in ihren eigenen Jugendjahren erwiesen, dass dies sinnvoll sei (1968! 1980!).
Zauberwort «Duldung»
Improvisierte Partys hat es seit den 80er-Jahren immer gegeben, veritable Jugendunruhen hingegen nicht. Am 1. Mai klirrten in Basels Innerstadt nur Klarinetten. Und im Baselbiet becherten einige junge Harassenläufer, begleitet von fast gleich viel Polizisten. Ist die neue politische Stossrichtung also nicht unverhältnismässig? An den Freiluftfesten, die ich zuletzt erlebt habe, wurden Bebbi-Säcke verteilt und keine Backsteine.
Den teuersten Vandalismus der vergangenen Monate hat Basel am letzten Wochenende erlebt: Als der FCB Meister wurde, die Regierung eine Freinacht ausrief und Fans ihrer Begeisterung mit Spraydosen Ausdruck verliehen. Stundenlang haben Putztrupps die Spuren dieser amtlich bewilligten Feier beseitigt. Das wars der Stadt wert. Wie kann solches Geld eingespart werden? Indem künftig ein DJ, der mit Freunden unter einer Brücke steht, total geschröpft wird? Nein. Der Stadtkanton sollte bei einer improvisierten Party das Gummischrot und die abgerichteten Hunde im Revier einparken und wieder die vermittelnde Rolle einnehmen. So, wie es sich bewährt hat. «Duldung» lautete früher das Zauberwort des Polizeisprechers Klaus Mannhart.
Das Korps wird andernorts sowieso viel stärker gebraucht. Nur ein Beispiel: Die Frauen, die ich kenne, fühlen sich nachts in Basel an einer unbewilligten Party bedeutend wohler und sicherer als auf dem Heimweg danach.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 04.05.12