Wir wohnen in einer Parterrewohnung im Neubad. Direkt an der Grenze zu Binningen, wo die ganzen Reichen wohnen. Dahinter sind gute kleine Fluchtweglein, über Bächlein, da bist du grad im Wald. Perfekte Voraussetzungen also. Wir haben eine grosse Terrasse, die intensiv genutzt wird. Von da kommt man in ein Wohnzimmer mit offener Küche, dahinter ins Foyer mit abgehendem Schlafzimmer, Bad und Kinderzimmer.
Ich bin jemand, der nie abschliesst. Meine Frau schon. Die hat mal einen Einbruch erlebt und hat es sich seither angewöhnt. Ich tus dann der Familie zuliebe auch. Die Terrassentür kippen wir aber meist nur, vor allem wenns so heiss ist.
An jenem Abend des Einbruchs sind alle zeitig ins Bett – die Kinder um neun, wir um etwa halb zwölf.
Die Sideboards waren ausgeräumt, Sachen lagen auf dem Boden.
Am nächsten Morgen stand meine Frau auf, rief ein «Aufstehen» in die Kinderzimmer und ging in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten.
Dann steht sie im Wohnzimmer und das Erste, was sie denkt, ist: «He, so habe ich das doch gar nicht hinterlassen.»
Die Sideboards waren ausgeräumt, Sachen lagen auf dem Boden verstreut, auf der Küchenablage lagen Zettel und Medikamente durcheinander.
Also ruft sie mich her: «Schau, das sieht aus, als wäre hier eingebrochen worden.» Was machen wir da? Ich sage: «Na, die Polizei rufen.»
Am Anfang weiss man noch gar nicht genau, was fehlt. Der Schock ist gross. Kaum zu fassen, dass hier jemand drin war, während du schliefst. Die Situation kennt man aus dem Fernsehen, aber wenns dann wirklich passiert – das ist ein ganz komisches Gefühl.
Dann kamen die Kinder schlaftrunken rein und fragten, was los sei, fingen an zu weinen. Unser Sohn feierte an dem Tag seinen dreizehnten Geburtstag und meine Frau hatte ihm am Abend zuvor fünf Geschenke schön eingepackt und auf den Wohnzimmertisch gelegt. Die waren jetzt alle weg.
Der Typ wusste genau, was er da tat.
Irgendwann kam die Polizei und nahm alles zu Protokoll. Die Spurensicherung schaute sich die Situation an und meinte: «Ah, Klassiker. Angekippte Terrassentür, mit Brecheisen ausgehebelt.» Die Tür hatte unten genau diese Kerbe. Der Typ wusste genau, was er da tat.
Dann erklärten sie uns, was geschehen war: Der Einbrecher war über die Terrasse eingestiegen, hatte sich im Wohnzimmer umgeschaut, den Turnsack meines Sohnes genommen, dessen Inhalt auf den Boden geleert und später die gestohlenen Dinge reingepackt.
Dieser Turnsack löste weitere Tränen aus, er war ein Geschenk eines verstorbenen Freundes gewesen.
Das ganze Administrative läuft ja heute alles hochprofessionell. Polizei, Spurensicherung, Versicherung – alles gedeckt. Aber irgendwann waren alle diese Menschen wieder aus dem Haus und man blieb alleine zurück. Erst dann kam schwallartig dieses Bewusstsein hoch: Hier war jemand drin. Und man überlegte an dem herum, was die Spurensicherung erzählt hatte.
Ok, er war erst im Wohnzimmer, dann ging er ins Foyer, sah dort drei offene Zimmer, in denen jeweils Kinder oder Erwachsene schliefen. Dann durchsuchte er die Tasche meiner Frau und nahm zweihundert Franken aus dem Portemonnaie. Während wir alle nebenan schliefen, hat er also sehr gründlich alles durchsucht, direkt vor unserer Nase.
Der war so nah, den hätte man fast berühren können.
Du stellst dir vor, wie er im Foyer steht und dich schlafen sieht. Du denkst: «Der war so nah, den hätte man fast berühren können.»
Er steht also da, schaut sich alles an, nimmt die Tasche mit dem Geld, geht zurück auf den Balkon – und raucht noch eine.
Raucht noch eine!
Von den Zigaretten meiner Frau, die auf dem Balkontischchen lagen. Sie leert immer den Aschenbecher bevor sie ins Bett geht, und an diesem Morgen lag eine Zigarette drin. Und auf einer Tasche, die er auf der Terrasse liegen liess, lag noch Asche. Das heisst, der hat da in einer Seelenruhe noch eine geraucht. Ich meine, das muss man sich mal vorstellen.
Nachdem die Polizei hier war, sind unsere beiden Kinder etwas verspätet in die Schule. Und hatten da eine tolle Geschichte zu erzählen, klar. Am Abend verkündete die zehnjährige Tochter dann aber gleich, dass sie auf keinen Fall mehr alleine zu Hause bleiben könne, obwohl das früher nie ein Problem war.
Am Abend krochen die beiden zu uns ins Bett, jedes Knacken erschreckte sie. Unser Sohn schlief sofort ein, aber die Tochter konnte stundenlang nicht einschlafen, zog sich drei Decken über den Kopf, obwohl es wahnsinnig warm war. Sie wollte sich unsichtbar machen.
Die Polizei meinte, es würde uns die nächste Zeit noch beschäftigen. Sie boten auch noch eine Sicherheitsberatung an. Die ist aber nicht psychologisch, nehme ich an. Sie meinten, manchmal komme der Schock erst nach ein paar Tagen, in Form von Abneigung. Dass man zum Beispiel gewisse Kleidungsstücke nicht mehr anziehen mag. Oder sogar nicht mehr im Haus schlafen kann.
Jeder hat zum Thema Einbruch eine Geschichte parat.
Meine Frau hat Mühe, ihr Portemonnaie in die Hände zu nehmen, weil sie weiss, dass der Dieb es angefummelt hat. Es löst Ekel in ihr aus. Bei meiner Tochter muss ich abends fünfmal nachschauen ob auch alles richtig abgeschlossen ist. Den Sohn scheints weniger zu stören, der verarbeitet das anders.
Auch die Nachbarn verarbeiten mit. Der alte Italiener von nebenan erzählte uns gleich, wie er normalerweise jede Nacht stundenlang wach sei und alles höre, nur eben gerade an dem Abend habe er komischerweise geschlafen. Das hat ihn wahnsinnig aufgeregt.
Im Coop wissen alle: «He gell, bei euch wurde eingebrochen!» Andere Nachbarn erzählen von eigenen Erfahrungen. Jeder hat zum Thema Einbruch eine Geschichte parat.
Wir sind sehr offene Menschen, haben ständig Leute zu Besuch – für jemanden, der gerne für sich alleine ist, stelle ichs mir noch viel schlimmer vor. Und trotzdem ist es auch für uns nicht einfach. Man überlegt sich ständig, was gewesen wäre, wenn man erwacht wäre. Am liebsten würde ich dem jetzt jeden unserer Designkerzenständer in seine Körperöffnungen rammen.
Gleichzeitig habe ich auch eine seltsame Sympathie für ihn. Ich weiss zum Beispiel von einer befreundeten Familie, der dasselbe passiert war, dass dort der Täter ein siebzehnjähriger Roma war. Ich meine, das war halt ein armer Siech. Der hat ja auch ein Scheissleben.
Aber jetzt bist du selbst das Opfer.
Mehr zum Thema: Psychologin Rahel Bachem spricht im Interview über die psychischen Folgen bei Einbrüchen. Und sie sagt, was dagegen unternommen werden kann.