Was nützt’s?

Was nützt es, gegen die gesellschaftliche Eindimensionalität und die Verhetzung durch die Rechtspopulisten anzuschreiben? Ein paar ganz un-weihnachtliche Gedanken zur Bedrohung des christlichen Abendlandes.

Die Islamisierung wird dort am meisten gefürchtet, wo es die wenigsten Muslime hat: «Pegida»-Kundgebung in Dresden. (Bild: HANNIBAL HANSCHKE / Reuters)

Was nützt es, gegen die gesellschaftliche Eindimensionalität und die Verhetzung durch die Rechtspopulisten anzuschreiben? Ein paar ganz un-weihnachtliche Gedanken zur Bedrohung des christlichen Abendlandes.

«Was nützt das Geschriebene? Es ist, wie wenn eine Mauer um die SVP besteht, die auch vor dieser Kritik schützt. Wie in der Community: es gibt ja kaum jemanden, der gegen unsere Argumente argumentiert. Das macht mir ANGST…»

Piet Westdijk, 13.12.2014 auf tageswoche.ch

Was hat es genützt, dass Franz Kafka «Der Prozess» geschrieben hat? Die Ungerechtigkeit in der Verwaltung des Menschlichen, gerichtet gegen viele Menschen aus den Tiefen bürokratischer Unmenschlichkeit, besteht nach wie vor. 

Was hat es genützt, dass François Truffaut seinen grossen Erziehungsfilm «L’enfant sauvage» geschrieben, inszeniert, gedreht und geschnitten sowie in die Kinos gebracht hat? Die Voraussetzungen in der Erfüllung des Gleichheitsprinzips in demokratisch verfassten Rechtsstaaten für Kinder aus so genannt bildungsferner, auch aus armer Herkunft sind nach wie vor gleich wie eh und je: Sie existieren kaum, in Ansätzen, etwa der deutschen KITA-Gesetzgebung, nur in sehr mühsam voranschreitender Verwirklichung.

Was hat es genützt, dass der deutsche Bundesjustizminister Maas die «Pegida»-Demonstrationen kürzlich öffentlich «eine Schande für Deutschland» genannt hat? Am Montag darauf sind gleich 15’000 Leute in Dresden auf die Strasse gegangen, um gegen «die» Flüchtlinge zu demonstrieren, welche mit ihrer Ankunft angeblich das deutsche Heimatgefühl stören sowie das Christentum mittels Islamisierung aus Europa vertreiben wollen.

Jeder wollte der Mohr sein 

Was hat es genützt, dass wir «früher» in der Vorweihnachtszeit gerne Krippenspiele einübten und weder Ochs noch Esel darzustellen vergassen und natürlich auch nicht die Hirten vom trostlosen Feld und die drei Weisen aus dem – ja wirklich – aus dem Morgenland samt dem Mohren Caspar?

Eine Genesisspur der Geschichte dieser Weisen oder Magier führt nach Persien. Die Genesis einer Legende allerdings interessierte die Sternsinger in meiner Kindheit kaum. Umso mehr beschäftigten wir uns aber mit dem dank Theaterfarbe braun eingefärbten Gesicht von Caspar, was gerade deshalb eine der attraktivsten Kinderrollen aus meiner Kindheit darstellte – Fremder zu sein unter «Normalen»!

Heute stehen die bereits genannten Pegida-Demonstranten, aber auch viele FN-Anhänger in Frankreich, viele FPÖ-«Normalos» in Österreich, viele SVP-Blindlings-Gefolgsleute in der Schweiz als Verteidiger des «christlichen Abendlandes» gegen die Morgenländer vor den Kameras jener Medien, von denen einige, vor allem TV-Redaktionen, wieder einmal nicht merken, dass sie es sind, die «Pegida» mit ihrem Getue mindestens massiv aufplustern.

Die Religionsfreiheit der Mauren

Was nützt’s, wenn man als historisch zwar nicht detailliert ausgebildeter, aber etwas belesener Mitteleuropäer weiss, dass das sephardische Judentum – das seit der Römerzeit in Spanien gelebte – in der Zeit, als die islamischen Mauren nach 711 n.Chr. die Macht ausübten, ihr wirklich «Goldenes Zeitalter» kannten, anerkannt, nicht bloss geduldet, als Teil der maurischen Gesellschaftsstruktur ihre Religion ohne Beeinträchtigung leben konnten, wie übrigens jahrhundertelang auch die Christen.

Nicht immer gleich ausgeglichen, aber nie mit Pogromen verfolgt, wie es dann unter den kastilischen Königen, kaum hatten sie dazu die Macht und den Segen der Kirche, an der Tagesordnung war (beispielsweise im Pogrom von Sevilla 1391, wo zehntausende der 300’000 im Gebiet lebenden jüdischen Menschen getötet wurden).

Was nützt’s, wenn man weiss – offenbar damit in Gesellschaft von nur wenigen, die das auch wissen – dass Judenverfolgung und der systematische Mord an jüdischen Menschen eine christliche Spezialität ist – etwa im weitherum  zwangsweise zur Katholizität gezwungenen Spanien, wo dann 1492 die katholische Königin Isabella von Kastilien und der katholische König Ferdinand II. von Aragon im Zuge der christlichen Wiedereroberung Spaniens ein Alhambra-Dekret erliessen? Befohlen wurde darin die vollständige Ausweisung aller Juden aus diesen Königreichen innerhalb von vier Monaten – oder als Alternative: die sofortige Taufe, also die Zwangschristianisierung. 

Ohne Zweifel: Ein Schandmal des «christlichen Abendlandes». Bis zu 400’000 jüdische Menschen wurden damals durch das «christliche Abendland» gejagt, viele von ihnen ermordet, die meisten von den christlichen Königen, Fürsten und Zunftregierungen in vielen Städten, egal ob katholisch oder reformiert, rechtlos gehalten bis hinein ins 19. Jahrhundert.

Ausgerechnet Dresden 

Was nützt’s, solcherlei zu wissen, wenn die unwissenden Schreihälse und die bigott als Biedermann und fleissiges Lieschen mit den Rechtsextremen und Neofaschisten gemeinsam auftretenden, medial zu angeblich verängstigten «Menschen aus der Mitte der Gesellschaft» ernannt, so tun, als hätten sie irgendwelche «Erfahrung» mit Muslimen, mit Juden, mit «Fremden» an und für sich, die eine «Vernichtung des Abendlandes» befürchten lassen müssten? 

Ausgerechnet in Dresden, wo es kaum Muslime, und darüber hinaus noch viel weniger jüdische Menschen und insgesamt gerade mal 4 Prozent der Bevölkerung gibt, die als Migranten aus ausserdeutschen europäischen Gegenden oder die als Flüchtlinge vielleicht aus Syrien zu erkennen sind?  

Ja, ich gehe hier einer bestimmten Spur nach, wenn ich versuche, auf die Frage nach der Nützlichkeit solcher Texte, wie hier eben einer entsteht, einzutreten.

Von wegen «Mitte»

Zwei Sätze, zur Zeit oft zitiert, verdienen dabei (meine) Aufmerksamkeit:

1. Pegida-Anhänger kommen aus der Mitte der Gesellschaft.

2. Kritik an der SVP ist nutzlos, weil die SVP-Propaganda gegen jegliche Kritik eine Mauer hochzieht, so dass es dann erkennbar ein Innen und ein Aussen gibt. Im Innen kommt Kritik logischerweise, wegen Mauerbildung, gar nicht an. Vielmehr verstärkt Kritik die Mauerbildung und bestärkt das Innen in seiner sektiererischen Rechthaberhaltung.

Zu erstens:

Bedeutet «Mitte der Gesellschaft», dass es «normal» ist, bei Gelegenheit ein wenig rassistisch zu sein, ein wenig xenophob, ein wenig «antiislamisch» genau so wie ein wenig «antisemitisch»?

Die Aussage, wonach die Antiflüchtlings-Demonstrationen (die es auch in schweizerischen Gegenden «aus der Mitte» einiger Kantonsgesellschaften gegeben hat) in deren Beunruhigung gegenüber den Zeitläuften, deren Angst vor Überfremdung, kurz der Verunsicherung von vielen Menschen «aus der Mitte der Gesellschaft» begründet sei, täuscht vor, dass diese «Mitte» an sich ausgeglichen, im allgemeinen tolerant und durchaus hilfsbereit sei, wenn es wirklich um Not gehe. 

Dem ist aber nicht so.

Genauer: Die «Mitte der Gesellschaft» ist kein Garant für Mitmenschlichkeit. 

Vielmehr ist etwa der Aufstieg von Hitler und den Nationalsozialisten nur dank der begierig begangenen Gefolgschaft aus der «Mitte der ‚Weimarer‘ Gesellschaft» Realität geworden. 

Ein Politiker wie Berlusconi, sehr präzise erkennbar in kriminelle Aktivitäten verwickelt, liess sich aus der «Mitte der italienischen Gesellschaft» mit ihrem Hang zur blindgewordenen Bewunderung für einen angeblichen Selfmade-Milliardär und seine alltägliche 24-Stunden-TV-Pornogaphie, welche diesen Selfmade-Milliardär erst zum Milliardär gemacht hatte, fast zwei Jahrzehnte lang (und immer mal wieder wiedergewählt) als «Stimme des Volkes» jenseits rechtsstaatlicher Strukturen feiern. 

Ein Unsinn wie das «Minarettverbot», welches nun unübersehbar in der schweizerischen Bundesverfassung steht, drückt auf lange Zeit ein durch allerlei Hetze akut gewordenes xenophobes Machtgefühlsmoment jener «Mitte der Gesellschaft» aus, die nicht einmal mehr bemerkt, wie lächerlich solcherlei ist.

Eine «Mitte der Gesellschaft», die mit irgendwelchen Ideen, Urteilen, vor allem aber, weitaus am häufigsten in ihren Gefilden anzutreffen, ihren Vorurteilen hantiert, ist immer eine Gesellschaft im völlig «Ungefähren». Das führt dann dazu, dass ihre jeweils total kategorisch vorgetragene vorübergehende, ihr aus rechtspopulistischen PR-Zentralen vorgesetzte «Realität» sich immer wieder dadurch auszeichnet, dass sie sich hinter Führern und deren Propagandisten versammelt und «Masse» abgibt. Masse, die es im Fall von «Pegida» allerdings nur deshalb gibt, weil man sich schlauerweise auf Dresden beschränkt hat, um sie vorzuführen. Der Funke, den man mit einem gewöhnlichen Mehrfachkriminellen (Vermögensdelikte, Körperverletzungsdelikte usw.) als Chef in der Bewegungsführung zündete, ist nicht auf andere, was etwa den Ausländeranteil an der städtischen Bevölkerung betrifft, bedeutend relevantere Städte (Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main, von Genf oder Basel zu schweigen) übergesprungen. Auf einen vorübergehenden Sensationsbalkonplatz gesprungen ist bloss der TV-Medienrummel. 

Daraus wird nun im weitgefächerten vorweihnachtlichen Politikgeschwafel und in den unzähligen Talkrunden flugs eine «Mitte der Gesellschaft» konstruiert. Mit einer bemerkenswerten Blindheit für tatsächliche Grössenordnungen in Deutschland, ja sogar nur in Sachsen, folgt der Medientross mit seinen «Bildernachrichten» einer Schimäre, welche sich in Dresden abspielt, ohne dass – etwa medienintern – gefragt würde:

Warum nur in Dresden? Warum nicht auch im sächsischen Leipzig? Warum nicht auch im sächsischen Chemnitz? Warum nicht im hessischen Wiesbaden oder im bayerischen Regensburg? 

Sie verteidigen nicht das «christliche Abendland», sondern ihren kleinbürgerlichen Ordnungs- und Überwachnungswahn.

Fest steht: Die medial behauptete «Mitte» namens «Pegida» hetzt zu allererst gegen Flüchtlinge. Sie behauptet nur nebenbei, erkennbar nachgeschoben, quasi fürs Album des angeblich «anständigen Deutschland», das christliche Abendland sei in Gefahr, von Islamisten übernommen zu werden.

Dass dieses «christliche Abendland» einer Idee aus dem Morgenland, dem jüdischen, dem persischen, dem aramäischen Kulturkreis folgend eine Geschichte von Hilfe für Hilfsbedürftige, von Barmherzigkeit, von Zuneigung zu den Armen, den Obdachlosen, von der Gastfreundschaft gegenüber den Fremden war und vielerorts auch nach wie vor ist, heisst für die lautstark und plakativ vorgetragene «Gesinnung» der Pegida-Demonstranten in Dresden: «Christlich» gesinnt sind sie nicht. Denn sie demonstrieren offensichtlich gegen einige zentrale christliche Werte, etwa solche, die sich auf den christlichen Umgang mit Flüchtlingen, mit Verfolgten, mit Verfemten und Fremden beziehen.

Sie verteidigen nicht das «christliche Abendland», sondern ihren kleinbürgerlichen Ordnungswahn, ihren von Diktatlust gegen «Abweichungen aller Art» angetriebenen Überwachungswahn, ihre Abneigung gegenüber jeder Regung eines freiheitlichen oder offenen Geistes. 

Natürlich kommt solcherlei immer auch aus der Mitte der Gesellschaft. Wie im übrigen auch die Toleranz, die Offenheit, aber auch die Gleichgültigkeit sozialen Phänomenen gegenüber. Die «Mitte der Gesellschaft» ist kein «Argument» für oder gegen irgend etwas, sondern die Beschreibung eines Zustandes sozialer Strukturierung. Und solcherlei ist – naturgemäss – voller Widersprüche.

Zu zweitens:

Ein berühmtes Zitat des evangelischen Pastors Martin Niemöller erklärt zur Genüge, weshalb es von Bedeutung ist, sich gegen die scheinbar auf selbstgenügsame Isolation, im Grunde genommen gut erkennbar aber gegen die menschliche Vielfalt und Offenheit gegenüber der Vielfalt gerichtete permanent inszenierte SVP-Propaganda zur Wehr zu setzen. Nicht, dass ich annehmen würde, die SVP könnte in die Lage kommen, eine Art Alleinherrschaft über «die Schweiz» zu erreichen. Was diese Propaganda allerdings bereits weitgehend erreicht hat: Die Sprache in der deutschen Schweiz ist in Bezug auf «Asyl», auf «Ausländer», auf «Nachbarschaft EU» und so weiter weitgehend von den «Werten» der SVP-Propaganda besetzt. «Asyl» ist immer sofort mit «Scheinasylant» und ähnlichem verbunden. EU ist sofort mit «Bürokratiemonster» angeblich endgültig als Diktatur überführt. Menschen- und Völkerrechte werden als «Verletzung unserer Souveränität» disqualifiziert. Einer der Gründe für diese Sprachsituation besteht darin, dass man dieser Propaganda viel zu lange nicht wirklich entgegengetreten ist, sie vielmehr erst einmal belächelt, dann als nicht relevant abgetan hat. Und nun?

Die seit Jahren anhaltende PR-Offensive der SVP hat Begriffe okkupiert und sie mit Beschränkungsmustern gefüllt.

Nun besteht die Gefahr, dass die Schweiz durch zwei oder bald vielleicht noch mehr Verfassungsinitiativen der SVP aus Europa herausgerissen werden könnte. Dass «die Schweizer» sich darin sonnen, Menschenrechte nicht schützen zu müssen, da sie sowieso nur für «Ausländer» wichtig seien. «Ausländer» aber hätten, wird suggeriert, in keinster Weise über die Schweiz zu bestimmen. 

Die seit Jahren anhaltende PR-Offensive der SVP, deren konsequente Eindimensionalität natürlich für denkfaule Menschen eine Einladung darstellt, nichts mehr lernen, nichts Neues mehr anerkennen zu müssen, was einem auch nur der Spur nach fremd oder unbekannt ist, entfaltet schleichend ihre  Wirkung. Sie hat Begriffe okkupiert und sie mit Beschränkungsmustern gefüllt. Beispiele: «Souveränität», «direkte Demokratie», «Mehrheit», «das Volk».

Und jene, welche mit solchen Begriffsverfälschungen nicht einverstanden sind, reiben sich verwundert die Augen: Was ist denn da passiert? Es ist Zeit, die genannten Begriffe wieder mit ihrem vollen Leben zu füllen. Das gilt auch für «Abendland», «christlich», «Flüchtlingshilfe», «Diplomatie», «EU» und so weiter.

Mindestens das Begriffspaar «christliches Abendland» und «Flüchtlingshilfe» gehört in dieser Weihnachtszeit auf jenen Gabentisch, auf dem wir unsere alltäglichen Begriffs- und Spracherweiterungen immer wieder neu lernen können.

Der Diskurs muss weitergehen

Wenn jene, welche gegen gesellschaftliche Eindimensionalität sind, nichts mehr schreiben, nichts mehr publizieren, nichts mehr gegen die Sprachunterwanderung durch rechtspopulistische Vereinfacher unternehmen würden, verlöre die Sprache, nicht nur die politisch gebrauchte Sprache, ihre Aussagekraft. Das würde irgendwann jeglicher Art von Missbrauch ungehindert Türen öffnen lassen. Es würde den allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs Schritt um Schritt abschaffen. Die Abschaffung des Diskurs aber bedeutete die Abschaffung der Demokratie.

Es steht nicht die «eine Meinung» einer anderen gegenüber. Es geht nicht darum, SVP oder «wir» zu formulieren oder zu fordern. Nein. Es geht darum, dass die Vielfalt menschlichen Daseins Öffentlichkeit jenseits von Blockwartdenunziation und eindimensionaler, dafür endgültiger Lebenserklärung behält. 

Die Vielfalt weist immer vielerlei auf, was nicht zusammenpasst. Aber gerade, dass vieles nicht zusammenpasst, ist Lebensrealität jeglicher Demokratie und jeglichen demokratisch verfassten Rechtsstaats. 

Was aber machen die Rechtspopulisten?

Mit einfachsten Zutaten – Kuhglocken, Peitschenknall, Alphorn und dergleichen mehr, natürlich all dies nebst dem Vierradantrieb und der Motoguzzi für den Alpenpass-Spass an Sommerwochenenden in der Garage, pardon, natürlich «im Stall» – wird eine Einheitssauce namens «typisch», also etwa «typisch Schweiz» oder «typisch la gloire de la France» oder, das selbstredend sächsisch-deutsch ausgesprochen «das typische christliche Abendland» produziert.

Wer solch «Typisches» nicht erfüllt, behaupten die Rechtspopulisten überall in Europa, natürlich auch in den USA, sei nicht normal, sei eben kein «normaler» Schweizer (kein «normaler Amerikaner», sei halt eben kein «Weisser» und deshalb diesem terroristischen Teufelsislam quasi ausgeliefert – was auch in Dresden, wenn von Pegida-Exponenten Reden gehalten werden, immer eine Rolle spielt).

Fremde Personen seien «bei uns» grundsätzlich nur auf Zusehen hin zu dulden, nämlich ausschliesslich solange man sie brauchen könne. Wen man nicht gebrauchen könne, gar, wer einfach so hierher geflüchtet sei, der habe «bei uns», im «christlichen Abendland», rein gar nichts zu suchen.

In solch wortradikaler Begriffswelt mitsamt ihrem von weltoffenen Menschen kaum zu ertragenden Heimatkitsch versteckt sich die rechtspopulistische Zielsetzung: Es soll «gesäubert» werden, die Politiker, alle, welche nicht rechtspopulistischen Unsinn von sich geben, seien weit weg «vom Volk» und so weiter. Nur Le Pen, Blocher, Wilders, Strache, Berlusconi seien mit dem Volk in Übereinstimmung. Was Blocher und Co. wollen, das sei auch, was «das Volk» wolle. Dorthin, etwa zu Blocher eben, müsse also die Reise gehen, damit «die Schweiz» oder «Frankreich», damit «das Abendland», namentlich das «christliche» vor dem Islam und vor den Molochen der Zeit «gerettet» werde.

Mit Sprache gegen die Vernichtungsideologie

Gegen diese sich scheinbar unaufhaltsam ins Zeitalter drängende rechtspopulistische Vernichtungsideologie muss man sich, wenn man es vermag und kann, jetzt wenden. Auch, um die Sicherheit über die eigene Sprache, über die Bedeutung von Begriffen der Humanität, der Menschenrechte, des Gleichheitsgrundsatzes im konkreten Alltagsverlauf nicht zu verlieren.

Und auch, damit nicht passiert, was der oben genannte – lange Zeit in seinem Leben sehr rechtsnationalistisch, bis weit in seine Tätigkeit als Pfarrer der Bekennenden Kirche hinein sogar nationalsozialistisch gesinnte – Pastor Niemöller aus eigener Erfahrung festgehalten hat:

Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. 

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. 

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte. 

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