Marco Streller: «Nur die Liebe am Spiel, da möchte ich wieder hin»

Im zweiten Teil des Interviews mit der TagesWoche äussert sich der Captain des FC Basel zur Politik in der Schweiz, zu einer Begegnung mit Jürgen Klopp, für den er durchs Feuer gegangen wäre, und zum besten Spieler, den der FC Basel je gehabt habe.

FC Basel's (FCB) Marco Streller celebrates after he scored the second goal during a Swiss Super League soccer match against SC Young Boys (YB) in Basel March 10, 2013. REUTERS/Arnd Wiegmann (SWITZERLAND - Tags: SPORT SOCCER) (Bild: Reuters/Arnd Wiegmann)

Im zweiten Teil des Interviews mit der TagesWoche äussert sich der Captain des FC Basel zur Politik in der Schweiz, zu einer Begegnung mit Jürgen Klopp, für den er durchs Feuer gegangen wäre, und zum besten Spieler, den der FC Basel je gehabt habe.

Marco Streller, wie viele Medien-Termine haben Sie zu Ihrem Abschied wahrgenommen?

Ganz viele (lacht). Ich sehe mich immer weniger gerne in den Zeitungen. Als Junger geniesst man das, mit dem Alter nicht mehr. Allerdings sehe ich das auch als Würdigung, und es ist klar, dass nach dieser Karriere jeder noch irgendetwas will. Schwierig ist, wenn ich 20 Mal das Gleiche erzählen muss. Mit Ihnen ist es vielleicht wieder etwas anderes, und bei Sky, der Auftritt mit Beckenbauer, das war ein Ritterschlag.

Für Beckenbauer.

(lacht) Ja genau, für den Kaiser. Im Ernst, es war wirklich eine Erfahrung.

TV-Experte – wär das vielleicht etwas für Ihre Zukunft? Oder haben sie andere Ideen?

Ich hatte am Tag meiner Rücktrittsankündigung etwa 20 Jobangebote.

Als was?

Alles, das können Sie sich nicht vorstellen.

Cheftrainer?

Nein, nicht im Fussball.

«Es hat sich gelohnt»

Im ersten Teil des Interviews mit Marco Streller geht es unter anderem um prägende Trainer, hohe Löhne und die Veränderungen im Fussball-Business.

Sondern?

Ich habe eine Lehre auf der Bank gemacht. Es war also die eine oder andere Bank dabei. Es ging bei allen Angeboten in Richtung Marketing oder Teammanagement, viel Herausfordernderes, als ein Team mit verschiedenen Kulturen zu führen, gibt es schliesslich nicht. Im Fussball nicht, und in den grossen Firmen ist das nicht anders. Ich habe auch schon Vorträge gehalten und fand das ganz interessant.

Für einen solchen Auftritt wurden Sie vermutlich auch wegen Ihrer Person eingeladen. Haben Sie keine Angst, dass Sie eher von Ihrer Person leben werden als von Ihren Kompetenzen?

Wenn ich so etwas machen würde, auch beim FC Basel, dann müsste es schon mit meinen Kompetenzen in Verbindung stehen. Das wissen auch Bernhard Heusler und Georg Heitz genau. Ich mache beim FCB nicht einfach den Gute-Laune-Bär.

Marco Streller, Mai 2015

Anders als Yann Sommer bringt man Sie jetzt nicht mit Kosmetikartikeln in Verbindung.

Ich hätte sicherlich auch irgendwann für 50’000 Franken in ein Würstchen beissen können. Eigentlich sind polarisierende Menschen prädestiniert für grosse Werbeverträge. Aber bei mir kam nie irgendetwas. Vielleicht ist der Schweizer Markt zu klein.

Ein polarisierender Mensch macht aber die Marke bei der Hälfte der Konsumenten möglicherweise auch kaputt.

Ich sehe das anders. Wichtig ist, dass über eine Marke gesprochen wird. Ob es aber das Produkt gibt, mit dem ich mich voll identifizieren kann, weiss ich nicht. Nur bin ich deswegen nicht unglücklich. Ich bin, was Werbung angeht, ein weisses Blatt. Und das ist auch gut so.

Worüber können Sie uns eigentlich keine Auskunft geben?

Natürlich muss ich zuweilen aufpassen, weil ich ja im Fussball bleiben will. Und in diesem Business gibt es schon den einen oder anderen Menschen, den ich nicht mag. Aber ich muss die hier nicht erwähnen.

Basel's Marco Streller cheers after scoring the 1-0 during an UEFA Champions League group B matchday 2 soccer match between Switzerland's FC Basel 1893 and Britain's Liverpool FC in the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Wednesday, October 1

Ihr Leben besteht aus Fussball. Wie grenzen Sie sich davon ab? Und wie hat sich das über die Jahre verändert?

Ich hatte natürlich schon Phasen mit Partien alle drei Tage, da musste ich nicht noch daheim am Fernsehen die Europa League zwischen Udinese und Sparta Prag schauen. Wir haben aber Spieler in der Mannschaft, die schauen Erzgebirge Aue gegen Karlsruhe in der zweiten Bundesliga.

Wer denn?

Fabian Frei schaut jeden Match, habe ich das Gefühl. Das ist ja auch gut, habe ich in diesem Alter auch gemacht. Aber jetzt habe ich eine Familie zu Hause. Und dieser Ausgleich macht mich stark. Mit der Geburt meiner Kinder hat sich die Priorität verschoben. Und mit der Geburt meines Sohnes bin ich erwachsen geworden, weil ich plötzlich eine Verantwortung für ein Menschenleben übernommen habe. Früher hat es meinen Sohn ja auch noch gar nicht interessiert, was der Papi macht. Da musste der Papi einfach mit ihm spielen.

Wären Sie denn gerne Ihr Sohn gewesen?

Ja, ich glaube schon. Ich verwöhne sie halt schon, meine Kinder. Wenn eine Vase kaputt geht, dann sagt meine Frau: «Ach, das gibt es doch nicht!», und ich sage: «Ach, das passiert halt einfach».

Was vermitteln Sie Ihren Kindern?

Ich mag es nicht, wenn man miteinander streitet. Ich versuche ihnen die wesentlichen Werte mitzugeben. «Danke» sagen, «Bitte» sagen, und wenn einer fragt, wie es geht, dieselbe Frage ebenfalls stellen. So einfach sie sind – diese Werte werden vernachlässigt in unserer Gesellschaft. Mir ist die Sozialkompetenz sehr wichtig und dass man den Schwächeren hilft. Das sehe ich bei meinen Kindern bereits und das macht mich sehr stolz.

Macht Sie Ihr Sohn auch im Fussball stolz?

Ja, in Arlesheim. Es macht ihm sichtlich Spass. Sie spielten jetzt beim Marco-Streller-Cup mit.

Wie sind Sie denn als Vater am Spielfeldrand?

Ich kann verstehen, warum mein Vater derart nervös ist auf der Tribüne. Selber zeigen kann ich das nicht, aber als mein Sohn den Ball vor dem Tor hatte und den ersten Treffer erzielte, da hatte ich grosse Freude.



Marco Streller, Mai 2015

«Mit der Geburt meines Sohnes bin ich erwachsen geworden, weil ich plötzlich eine Verantwortung für ein Menschenleben übernommen habe.» (Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Wie geht Ihr Sohn damit um, dass sein Vater Marco Streller ist?

Das macht ihm Freude. Und in seinem Training haben etwa zehn Jungs ein Streller-Trikot. Da fühlt er sich schon sehr cool. Super für ihn ist auch, dass es bei mir gut läuft. Er muss sich in der Schule keine Sprüche anhören wie zum Beispiel: «Du, dein Vater kann jetzt dann aber auch aufhören.» Damit dies aber auch nicht passieren wird, war mit ein Grund, weshalb ich meine Karriere rechtzeitig beenden wollte.

Ist eigentlich irgendwann ein Abschiedsspiel geplant, zu dem Streller und seine Weggefährten antreten?

Das habe ich noch gar nicht ins Auge gefasst. Natürlich habe ich mit gewissen Leuten zusammen gespielt, die dafür interessant wären. Aber ein Abschiedsspiel im Joggeli, das glaube ich eher nicht.

Zurück zu Ihrem Fussballerleben: Haben Sie eigentlich hypochondrische Veranlagungen?

Als Spitzensportler spürt man jede kleine Verletzung, jeden Schmerz viel intensiver. Von dem her, ja, ich habe diese Veranlagung extrem. Warum lachen Sie jetzt? Das wissen Sie doch auch.

Ja, aber diese Frage haben wir Ihnen so noch nie gestellt. Ist ja auch schön, wenn man seinen Körper spürt.

Das hat Vor- und Nachteile.

Wenn wir zuweilen besorgt nach Streller gefragt haben, hiess es beim FCB: «Ja, ja, der spielt dann schon am Wochenende.»

Es gibt Leute im Verein, die sagen, dass ich am besten spiele, wenn ich etwas habe. Wenn ich vor dem Match sage, dass mein Kopf schmerzt, dass es hier sticht, oder dort zwickt, dann denken sie: «Hoffentlich sticht es auf der anderen Seite auch noch, dann macht er wieder zwei Tore.» Ein schlechtes Zeichen ist es, wenn ich mich vor dem Spiel super fühle. Dieses Gefühl hatte ich beispielsweise vor dem Auswärtsspiel gegen Bayern gehabt, als wir 0:7 verloren haben.

Wir getrauen es uns fast nicht zu fragen: Wie hatten Sie es eigentlich mit Groupies?

Zu meiner Zeit, als ich jung war, war das noch kein grosses Thema. Es war im Aufkommen, aber Groupies, wie sie Yann Sommer und Valentin Stocker haben, das hatte ich nie.



Ein Autogramm in der einbrechenden Dämmerung: Marco Streller beim Trainingsstart des FC Basel am Dreikönigstag.

«Ich habe das urschweizerische Denken, dass die Ausbildung sehr sehr wichtig ist.» (Bild: Meinrad Schön)

Sind Sie ein politischer Mensch?

Ich bin Wähler und habe meine Favoriten. Aber darüber spreche ich in der Öffentlichkeit nicht.

Halten Sie sich auch nach der Karriere bedeckt?

Ich will zumindest nicht in die Politik einsteigen.

Auch nicht Ihr Gesicht für eine Partei herhalten?

Nein, definitiv nicht.

Und bei einer Abstimmung setzen Sie sich an den Küchentisch, nehmen das Abstimmungsbüchlein …

… Abstimmungen sind ein wichtiges Stichwort: Das Positive dabei ist die Anonymität. Ich kann ankreuzen, was ich will, ohne meinen Namen zu geben.

Gibt es Anfragen von Parteien?

Nein, denn ich habe mich diesbezüglich nie aus dem Fenster gelehnt. Es konnte also gar nie eine Partei auf die Idee kommen, dass ich mich mit ihr identifiziere.

Es wüsste also gar niemand, auf welcher Linie Marco Streller steht?

Dieses Wissen besteht nicht. Wir haben Politiker aus verschiedenen Lagern an der Meisterfeier und ich verstehe mich mit allen gut. Weil ich immer sage, dass wir über den Sport und den FCB reden. Und ich mag die Menschen, auch wenn ich mit ihnen politisch nicht immer einverstanden bin. Ich muss jemanden nicht unsympathisch finden, nur weil er eine andere Meinung hat als ich. Als Fussballprofi kann man aber nicht sagen, dass man ausländische Spieler integrieren möchte und privat eine andere Meinung vertreten. So etwas könnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.

Basel's Marco Streller thanks the fans after his substitution during the Super League soccer match between FC Basel and FC Lausanne-Sport at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Thursday, May 16, 2013. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Alex Frei hat einst vom gleichen Spannungsfeld gesprochen. Als Fussballer ist es schwierig zu sagen: «Ausländer raus.»

Vor allem, weil wir von ihnen sehr viel profitieren können. Auch im Sport.

Hat Ihr Leben unter all diesen Kulturen an Ihrer politischen Haltung etwas geändert?

Was heisst schon geändert. Was ich einfach sehe, ist, dass beim Talenttraining drei Viertel der Spieler einen Migrationshintergrund haben. Weil diese Jungs oftmals voll auf Fussball setzen. Der Schweizer sagt, du musst zuerst auf die Schule setzen. Zudem finde ich es irgendwie auch schade, wenn nur zwei Spieler bei der Nationalhymne mitsingen. Die Südamerikaner, mit welcher Inbrunst sie die Hymne singen, da kriege ich Gänsehaut. Aber genau die Spieler mit Migrationshintergrund haben auch eine neue und wichtige Komponente in die Nationalmannschaft gebracht: Die Haltung, dass man mit dem zweiten Platz nicht zufrieden ist.

Sind denn Menschen mit Migrationshintergrund mutiger, ganz auf die Karte Fussball zu setzen?

Teilweise ja, aber ob das immer aufgeht, sei mal dahingestellt. Ich habe das urschweizerische Denken, dass die Ausbildung sehr, sehr wichtig ist. Das habe ich ja auch so gemacht. Aber ob dieser Weg noch geht? Ich habe Freude an Breel Embolo, der an seiner Lehre festhält und von der Schule ins Training kommt. Das ist stressig, das habe ich selbst erlebt; und wie er dann noch diese Leistung bringen kann, da hat er meine Hochachtung. Und wenn man mit Mitschülern spricht, dann sagen die: «Er ist immer noch der Breel.» Darum wird Breel auch eine grosse Karriere machen.



Marco Streller, Captain des FC Basel, St. Jakob Stadion, Basel am 4.09.2014

«Ich wäre für Jürgen Klopp durchs Feuer gegangen, nach einer einzigen Begegnung von fünf Sekunden.» (Bild: Alexander Preobrajenski)

Nochmals zurück zur Nationalmannschaft. Es ist ein schwieriges Feld, das Stephan Lichtsteiner mit seinem Interview geöffnet hat, über die Herkunft von Nationalspielern, die «richtigen» und die «anderen Schweizer».

Ich fand das sehr mutig von ihm. Er ist in der Position, in der er so etwas äussern darf. Er ist ein Führungsspieler, hat für die Nationalmannschaft immer die Knochen hingehalten. Aber ich bin nicht sicher, ob er damit gerechnet hat, dass seine Worte solche Wellen schlagen.

Weil es eine Zwickmühle ist?

Mich stresst es, wenn nicht der Stolz im Vordergrund steht. Spieler überlegen sich, welches Land für ihre Karriere am besten ist. Ich habe kein Problem damit, wenn einer mit Migrationshintergrund in der Nationalmannschaft spielt, ganz im Gegenteil. Aber wenn er dann hin- und hergerissen ist und sich fragt: «Ist es gut, wenn ich beispielsweise für Albanien spiele, oder habe ich bessere Chancen in meiner Karriere, wenn ich mich für die Schweiz entscheide», dann habe ich Mühe, wenn das im Vordergrund steht. Allerdings war ich selbst nicht in der Situation, für ein anderes Land spielen zu können. Und man darf auch den familiären Druck nicht unterschätzen.

Wie haben Sie Taulant Xhaka in dieser Frage wahrgenommen?

Man kann auch Shkelzen Gashi als Beispiel nehmen. Vielleicht hätte er sich ja für die Schweiz entschieden, wenn er sich drei Monate später hätte festlegen müssen. Dann hätte er vielleicht sogar an der WM für die Schweiz gespielt. Aber er hadert nicht damit, er hat eine Entscheidung getroffen, so wie Taulant auch. Es ist schon speziell, dass er für Albanien und sein Bruder Granit für die Schweiz spielt. Da kommt es aber auch auf die Qualität an. Ich habe immer gesagt, dass Granit der beste Spieler ist, den wir beim FCB je hatten. Und das zeigt sich auch jetzt wieder, er wird eine Weltkarriere machen. Taulant kann sich sehr gut einschätzen und sagt, dass seine Chancen bei Albanien besser sind. Und gross gepokert hat er ja auch nicht, weil nie konkrete Aufgebote für die Schweiz in Aussicht standen.

Nochmals zur Schweiz: Wo steht das Land in Ihren Augen im Jahr 2015?

Der Rutsch nach rechts wird weitergehen, weil die Ausländerfrage viele Schweizer beschäftigt. Das ist meine subjektive Einschätzung, auch wenn es nicht meine eigene politische Haltung ist. Es wird diesen Trend geben, ausser in Basel.

Aufmachen oder nicht? EU ja oder nein?

Wie bereits gesagt, möchte ich mich nicht öffentlich politisch äussern. Es geht uns sehr gut in der Schweiz, und das muss uns immer bewusst sein.

Zurück zum Sport. Was waren denn die eindrücklichsten Momente der letzten Monate in Ihrer Karriere?

Extrem eindrücklich war das Spiel an der Anfield Road gegen den FC Liverpool. Da dachten wir, die kämen gleich wie die Feuerwehr. Nach zwei Minuten habe ich zu Fabian Frei gesagt: «Du, wo ist die Feuerwehr?» Natürlich ist es am Schluss eng geworden, aber während 70 Minuten haben wir da dominiert und uns für den Achtelfinal der Champions League qualifiziert.



FC Basel's Marco Streller, centre right, scores the 1:0 against keeper Mario Felgueiras, centre, left, from CFR Cluj, during a Champions League play-off first leg match between Switzerland's FC Basel 1893 and Romania's Fotbal Club CFR 1907 Cluj at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Tuesday, August 21, 2012. (KEYSTONE/Urs Flueeler)....

«Zu meiner Zeit, als ich jung war, war das noch kein grosses Thema. Es war im Aufkommen, aber Groupies, wie sie Yann Sommer oder Valentin Stocker haben, das hatte ich nie.» (Bild: URS FLUEELER)

Sie haben viele Trainer erlebt. Wann muss ein Übungsleiter ausgewechselt werden?

Meine Meinung ist, und vielleicht stehe ich damit etwas alleine da, dass nach zwei, drei Jahren die Ideen etwas verbraucht sind. Schauen Sie sich den Fall Jürgen Klopp an. Meine erste Begegnung mit ihm war beim Freundschaftsspiel gegen Dortmund. Da wurde jeder Spieler vorgestellt, alle liefen einzeln im Joggeli auf. Als Captain war ich zuletzt dran. Und kurz davor kam Klopp auf mich zu und nahm mich in den Arm. Er begrüsste mich und wusste erstaunliche Sachen von mir und meiner Karriere. Ich wäre für ihn durchs Feuer gegangen, nach dieser einzigen Begegnung.

Weil er Ihnen Wertschätzung entgegengebracht hat?

Ja, und er hat eine Gabe. Für mich ist nicht die Taktik entscheidend. Entscheidend ist die Sozialkompetenz. Wenn eine Mannschaft für den Trainer durchs Feuer geht, dann wird der Trainer Erfolg haben. Klopp kann das extrem gut. Aber nach sieben Jahren Dortmund ist es eben vielleicht auch ausgelutscht, und Klopp hat das als intelligenter Mensch gemerkt. Er hat es gut gemacht und er wird bei jedem Verein, der einen Trainer sucht, unter den ersten drei Kandidaten sein.

Sie haben es beim FC Basel auch immer wieder aufs Neue erlebt, dass Spieler gehen und neue kommen.

Es ist Fluch und Segen, dass wir beim FCB immer die besten Spieler verlieren. Fluch, weil es interessant wäre zu sehen, was passiert, wenn wir die Mannschaft von 2011 fünf Jahre zusammengehalten hätten. Ich glaube, wir würden uns für den Viertelfinal der Champions League qualifizieren. Segen, weil immer wieder hungrige Spieler zu uns stossen, die sich ins Schaufenster stellen wollen und uns wieder besser machen.



Basels Marco Streller bedankt sich bei den Fans nach dem Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem BSC Young Boys und dem FC Basel 1893 am Sonntag, 23. September 2012, im Stade de Suisse Wankdorf in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

«Ich fand das sehr mutig von Stephan Lichtsteiner. Er ist in der Position, in der er so etwas äussern darf», sagt Streller zum Interview des Juventus-Spielers, der sich implizit kritisch zum Nationalitätenmix in der Landesauswahl äusserte. (Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)

Fussballerische Kompetenz versus Sozialkompetenz – wie ist das bei Paulo Sousa?

Vorab ist bei der Beurteilung eines Trainers wichtig, ob er selbst eine grosse Karriere gemacht hat oder nicht. Klopp oder José Mourihno beispielsweise, die haben keine grosse Karrieren hinter sich. Denen will ich jetzt nicht zu nahe treten. Aber Sousa, der zweimal die Champions League gewonnen hat, der weiss dann schon sehr genau, wovon er spricht. Er weiss in Stresssituationen, was es braucht. Ich persönlich, und ich spreche da für mich, habe ein wunderbares Verhältnis zu ihm. Mit extrem viel gegenseitigem Respekt. Ich habe einen gewissen Sonderstatus, manchmal muss ich nicht so viel laufen im Training. Und er schätzt, dass ich es dann trotzdem mache. Ich arbeite immer für die Mannschaft, und das weiss er auch. Die Sozialkompetenz bei ihm ist absolut vorhanden.

Wenn man Ihnen beim Training zuschaut, dann sieht man: Sie haben wahnsinnig Freude an diesem Spiel.

Ach ja? Das sehen Sie in diesen 15 Minuten, die Sie zusehen dürfen?

Naja, unlängst durften wir ja auch mal bleiben.

Weil es geregnet hat und Sie der einzige waren. (lacht) Nein, im Ernst, klar habe ich Freude, es ist ein wunderbarer Platz, es sind alles gute Fussballer, und der Ball läuft.

Wie werden Sie sich diese Befriedigung künftig schaffen?

Das wird schwierig. Ich habe viele Freunde, die jetzt in unteren Ligen bei den Senioren spielen. Zum einen passt man sich dem Niveau an, und zum anderen ist es vielleicht nicht so einfach als Ex-Profi, wenn man weiss, dass der Ball genau dahin soll und er kommt aber nicht. Ich habe einen guten Freund, der kickt mit drei Generationen. Die nennen sich FC Gellert und treffen sich jeden Samstag, egal ob die Sonne scheint, es regnet oder schneit oder Weihnachten ist. Danach trinken Sie eine Flasche Wein und machen Spaghetti für alle. Wenn man ihnen zuschaut, dann sieht man die grosse Freude. Bei den Kleinen ist das ähnlich, ich habe zugesagt, bei den F-Junioren meines Sohnes in Arlesheim etwas mitzuarbeiten. Da steht nur die Freude im Vordergrund, und das berührt mein Herz immer noch. Dahin möchte ich wieder kommen, dass nur die Liebe zum Spiel im Vordergrund steht. Aber sollte ich wieder irgendwo mitkicken, ist es dann eher erfüllend oder ein Frust? Weil die nicht das Niveau haben, das ich habe?

Das könnte ein Problem sein.

In der Tat. Aber ich kann mich da schon zurücknehmen. Vielleicht spiele ich ja auch mit Beni Huggel zusammen, und die meisten meiner Freunde waren Erstliga-Fussballer. Die können schon kicken.

Eine Profikarriere beginnt langsam und stetig, irgendwann merkt man, dass man es vielleicht packen könnte. Das Ende hingegen kommt abrupt.

Man könnte sich auch das Profisein langsam abgewöhnen. Ich könnte ja zu einem Erstligaverein, dann in die zweite Liga und später zu den Senioren. Schritt für Schritt zurückgehen. Aber das will ich nicht. Erstliga ist mir dann schon fast wieder zu professionell. Die reisen auch nach Zürich, nach Luzern oder gar bis ins Tessin. Das will ich nicht mehr, das bringt mir nichts. Aber ich spiele sehr gerne Tennis, das erfüllt mich. Ich bin ein Adrenalinjunkie, oder Endorphinjunkie. Jetzt gehen wir sechs Wochen nach Amerika mit der Familie und ich weiss, dass meine Frau irgendwann sagen wird: «So, Marco, jetzt gehst du einfach mal los.»



Der Basler Marco Streller verlaesst mit seinen Kindern den Platz nach dem Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Basel und dem FC Luzern im Stadion St. Jakob-Park in Basel, am Sonntag, 26. April 2015. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Nach dem Cupfinal geht es nach Amerika in den Urlaub – für Marco Streller die Zeit, in der er den Abschied vom Leben als Berufsfussballer mit seinen Nächsten realisieren kann. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

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