«Ciao belli!», ruft Antonio Russo fröhlich seiner Kundschaft zu und schenkt ihnen erst mal ein breites Lächeln. Er darf zwar keine Stühle mehr vor sein Take-away an der Spalenvorstadt stellen («Suscht koschted das siiiiiebehundert Stutz Stroof!») – doch Markise, Ladenfenster und ein grosses Roll-up sorgen auch so dafür, dass das «Sapori del Sud» unübersehber bleibt. Auf dem Plakat zu sehen: ein freundlich lächelnder, glücklicher Antonio Russo samt Pastrami.
Das Geschäft sei eine «italienische Oase in Basel», in der Menschen «eine Mittagspause, die Spass macht», erleben können, ein Ort «voller Lebenslust», beschreiben über 100 Tripadvisor-Besucher das «Sapori del Sud» von Antonio Russo und Grazia Mazzeo. Klingt alles nach italienischer Lebensfreude. Doch diesen Laden hätte es ohne Krisen wohl nicht gegeben.
Mit Pastrami zu neuem Lebensmut
«Mir ging es gar nicht gut, es war eine schlimme Zeit», erzählt Antonio Russo. Über 20 Jahre lang war er Coiffeur gewesen, hatte jedoch den Traum eines kleinen Restaurants. Er machte sich mit einer Kundin zusammen selbstständig: «Das ging aber leider schief.» Arbeitslosigkeit, wenig Geld, Jobs als Tellerwäscher, buchstäblich. «Ich war in einem dunklen Loch. Und dann kam ein Kollege, der mich mit Pastrami wieder aufpäppelte.»
Mit Pastrami kam der Lebensmut zurück. Pastrami: Das ist gepökeltes Rindfleisch. Russo verwendet es nach New Yorker Art gewürzt. Das Fleisch packen Russo und seine Mamma in ein Sandwich aus luftigem Brot mit krosser Kruste, dazu kommen Senf, Käse und saure Gurke – und auch Kohlrabi: «Damit es knackig ist.»
Sieben Monate hätten sie gebraucht, bis ihr heutiges, das perfekte, Rezept stand. Es ist wirklich eine gute Mischung aus fest und fluffig, fleischig und würzig, herzhaft delikat. Ja, gut vorstellbar, dass diese Brotmahlzeit Körper und Seele gesunden lassen kann. «Der Freund hatte dann die Idee, dass ich mich mit Pastrami selbstständig mache.»
Für das «Sapori» aus Sizilien zurückgekommen
Und dann kam die Mamma ins Spiel. Grazia Mazzeo ist 77 Jahre alt, sie kam vor 47 Jahren mit ihrem Ehemann nach Basel. Sie arbeiteten viel und hart, brachten sich und die vier Kinder durch, lebten in der italienischen Community. «Tedesco? Non capisco!», sagt die Mamma charmant. Jedenfalls zogen die Eltern vor 20 Jahren zurück nach Sizilien. Bis der Vater vor fünf Jahren starb. «Meine Mamma war so einsam, sie wurde depressiv!»
Als er ihr von seiner Geschäftsidee erzählte, sagte sie: «Ich helfe dir» und zog zurück nach Basel. Hier werde sie gebraucht, was ihr sehr gut tue. «Es gefällt mir. Die Leute sind so freundlich, ich fühle mich wohl», sagt sie auf Italienisch. Sie wirkt zufrieden, freundlich und zurückhaltend, ein Herz von einem Menschen. Wie sie über Antonio spricht, ist liebevoll und wie er über seine Mamma spricht: Es ist zu echt für ein Klischee. Ein echtes Dreamteam.
Grazia und Antonio, Mutter und Sohn, sind nun Herz und Seele des «Sapori del Sud». Neben den Pastrami-Sandwiches bieten sie Lasagne und andere italienische und sizilianische Gerichte an, «fatti a mano» von Grazia. «Das Sugo köchelt sieben Stunden», erzählt Antonio stolz. Es gibt auch etwas sizilianisches Gebäck und Glace aus dem Tessin. «Es ist das Beste!» sagt ein Kunde, der öfters kommt und sich heute zwei Kugeln gönnt.
Am besten aber laufen die Pastrami-Sandwiches. Sie locken Touristen aus aller Welt in das kleine Geschäft. Anfangs verarbeiteten Antonio und Grazia ein Kilo Rindfleisch pro Woche, inzwischen sind es 30 Kilo. 130 Gramm sind in jedem Sandwich, sie verkaufen also wöchentlich um die 230 Sandwiches. Das klingt erfolgreich. Trotzdem reicht es zum Leben kaum, «aber die Rechnungen kann ich bezahlen», sagt er.
«Ciao belli!», so verabschiedet der italienische Basler alle, die zu ihm an die Spalenvorstadt kommen. Der Besuch lohnt sich schon für eine Portion Freundlichkeit. Ob er ein Motto hat? Ja, es steht gerade auf seinem Schaufenster, in weisser Schrift. «Gestern ist Geschichte, morgen noch ungewiss, aber heute ein Geschenk.» Ob es von ihm kommt? «Nein, von Kung Fu Panda!», sagt er und lacht.
Ich würde gerne noch länger bleiben. Schade nur, wirklich schade, dass Antonio Russo keine Stühle aufstellen darf.