Basler Botaniker schützt Urwald in Ecuador mit Geld aus Titanwurz-Ausstellung

Die Titanwurz war in den letzten Jahren mehrmals die grosse Attraktion des Botanischen Gartens und spülte ordentlich Geld in die Kassen. Mit diesem finanziert nun der Basler Botaniker Heinz Schneider ein Projekt, das ein Stück Urwald in Ecuador vor der Abholzung bewahrt.

Als Botanikdozent hat Heinz Schneider jahrelang seinen Studenten Naturschutz gepredigt. Mit seinem Urwaldschutz-Projekt in Ecuador will er nun etwas Praktisches machen, sagt er.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Die Titanwurz war in den letzten Jahren mehrmals die grosse Attraktion des Botanischen Gartens und spülte ordentlich Geld in die Kassen. Mit diesem finanziert nun der Basler Botaniker Heinz Schneider ein Projekt, das ein Stück Urwald in Ecuador vor der Abholzung bewahrt.

Am Anfang standen eine Summe Geld und eine Idee. Das Geld stammte aus der Titanwurz-Ausstellung im Botanischen Garten der Uni Basel, die in den Jahren 2011 und 2012 das Publikum in Scharen angelockt hatte. Mit den Einnahmen sollte für ein Naturschutzprojekt ein Stück Land in Indonesien gekauft werden, dort, wo die Titanwurz herkommt. Das jedenfalls war die Idee.

Doch Heinz Schneider, Botanikdozent und Kustos der Pflanzensammlungen am Botanischen Institut der Uni Basel, konnte im südostasiatischen Inselstaat keine verlässlichen Projektpartner finden. Die Mittel wären dort womöglich versickert, vermutet der 59-Jährige. 

Da machte ihn der Basler Orchideengärtner, ein Ecuadorianer, auf die extrem artenreichen Bergwälder in seiner Heimat aufmerksam. Diese seien akut von Abholzung bedroht. Also beschloss Schneider, über den Verein des Botanischen Gartens, dessen Präsident er ist, zusätzliche Gelder zu sammeln, um ein Stück Wald in Ecuador zu kaufen. Das war vor zwei Jahren.



In Ecuador ist der Urwald vor der Abholzung einheimischer Bauern bedroht. Der Basler Botaniker Heinz Schneider will mit weiteren Partnern Teile davon schützen.

Der Titanwurz des Botanischen Gartens Basel treibt nun Blüten in Ecuador: Die Einnahmen aus den gutbesuchten Ausstellungen finanzieren ein Projekt zum Urwaldschutz. (Bild: Botanischer Garten, Universität Basel)

Nun sitzen wir in einem Pausenraum des Botanischen Gartens beim Spalentor, Schneider ist eben aus Ecuador zurück. «Der Wald an der Grenze zu Kolumbien ist an vielen Stellen in sensationell gutem Zustand», schwärmt er. Das ecuadorianische Gebiet gilt als eines der artenreichsten der Welt, als Hotspot der Biodiversität. Jeder Baum dort sei ein kleiner botanischer Garten. Bei ihrem Besuch im Juli haben die Forscher zwei neue Baumarten entdeckt, die sonst nirgends auf der Welt vorkommen. Auch wurde ein Papagei gesichtet, der in Ecuador ausgestorben war, und die im tropischen Südamerika am meisten gefährdete Affenart nachgewiesen.

«Ich bin sehr zufrieden, wie das Schutzprojekt angelaufen ist», hält Schneider fest. In Basel waren beim Fundraising rund 200’000 Franken zusammengekommen. Damit konnte auf der Pazifikseite des Andenstaats beim Dorf Chical ein Gebiet von 200 Hektaren Urwald gekauft werden. Zusätzlich stiegen amerikanische und britische Ornithologen ins Projekt ein. Das ermöglichte, weitere 165 Hektaren zu kaufen.

Bedroht sind die Urwälder, weil lokale Bauern die Bäume roden, um Naranjillas anzubauen, eine Frucht, die mit der Tomate verwandt ist. Naranjillas werden in Ecuador zu Frappés verarbeitet – und versprechen den Bauern schnelles Geld. 

Das Problem: Nach zwei Jahren sind die Böden ausgelaugt, und die Bauern suchen sich ein neues Stück Wald zum Roden. Zudem werden für den Naranjilla-Anbau laut Schneider in grossen Mengen hochgiftige Insektizide versprüht (Klasse 1B), die nach und nach in die Gewässer gelangen. Dass die im Rahmen des Projekts gekaufte Urwaldfläche tatsächlich geschützt wird, dafür sorgt ein lokaler Ranger, besoldet mit Schweizer Franken.

Ist es nicht fragwürdig, dass Schneider und seine Projektpartner in Ecuador, die Stiftung Ecominga, damit als Konkurrenten der armen lokalen Bevölkerung um das Land auftreten?

Der Schweizer Botaniker ist sich dieser Problematik bewusst. Deshalb hat er an der Uni Basel ein Forschungsprojekt initiiert, das sich mit einem schonenderen Anbau der beliebten Naranjilla-Pflanze beschäftigt. «Ich bin sicher, dass man die Anbaumethoden verbessern kann, sodass nicht ständig mehr Wald gerodet werden muss», sagt er. Das Projekt läuft mit Beteiligung des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) in Frick. Auch nahmen die Basler Forscher Kontakt mit der lokalen Lehrerschaft auf, um die Schulkinder für die Anliegen des Naturschutzes zu sensibilisieren.

Weitere Projektschritte geplant

Einen pfiffigen Namen für das Urwald-Projekt haben die Basler jedenfalls schon: Es heisst «Dracula Forest Reserve» (Dracula-Waldreservat). Nicht etwa, weil Graf Dracula von Transsilvanien nach Ecuador gezogen wäre und dort sein Unwesen treiben würde. Der Name kommt von der Dracula-Orchidee, die in den Wäldern zu finden ist. Die drei äusseren Blumenblätter erinnern an eine fliegende Fledermaus, daher der Name.

16 verschiedene Dracula-Orchideenarten gibt es laut Schneider allein im Gebiet des neuen Reservats. Der Botanische Garten am Spalentor in Basel verfügt über eine bedeutende Sammlung an Orchideen des ecuadorianischen Nebelwaldes, darunter Dracula-Orchideen. Diese sind aber nicht öffentlich zugänglich, denn «Orchideen sind beliebte Sammlerobjekte», wie Schneider weiss. Das Risiko wäre zu gross, dass sie gestohlen würden. Zudem fehlen laut Schneider die nötigen Ausstellungsbedingungen, ein Nebelwald-Gewächshaus ist geplant.

Die Orchideen mit dem Namen Lepanthes hexapus sind clever: Sie imitieren Fliegenweibchen, und die Fliegenmännchen kopulieren fälschlicherweise mit den Blüten und bestäuben sie dabei.

Die Orchideen mit dem Namen Lepanthes hexapus sind clever: Sie imitieren Fliegenweibchen, und die Fliegenmännchen kopulieren fälschlicherweise mit den Blüten und bestäuben sie dabei. (Bild: Botanischer Garten, Universität Basel)

Mit dem Erwerb der ersten Landstücke – der Basler Botaniker spricht von einer «Kernzone» – ist ein wichtiger Schritt gemacht. Weitere sollen folgen. «Mit den einheimischen Gewährsleuten sind wir übereingekommen, dass es möglich ist, einen Korridor von circa 20 Kilometern Länge zu erwerben, der vom Tiefland bis zu den Gipfeln auf 3000 Meter über Meer reicht.» Das wäre wichtig für Tierarten, die vertikal wandern, so wie Puma, Ozelot und Brillenbär. «Damit hätte der Schutzwald schon fast die Dimension eines Nationalparks.» Zudem möchte man das Gebiet sukzessive für einen sanften Tourismus öffnen, damit auch die örtliche Bevölkerung vom Projekt profitieren kann.

Der Bedrohung die Stirn bieten

Bis es so weit ist, dauert es aber noch ein paar Jahre. Der Landerwerb (der aus rechtlichen Gründen über den Projektpartner Ecominga läuft) ist kompliziert im Drittweltstaat Ecuador. Es braucht GPS-Kartierungen, Geländebegehungen mit Anwalt, amtliche Beglaubigungen. Zudem können Siedler, die ein paar Jahre auf einem Landstück gelebt haben, Landrechte geltend machen. Nicht zuletzt benötigt Schneider mehr Geld, um weitere Landstücke zu erwerben. Er will deshalb wohl im nächstes Jahr eine weitere Fundraising-Kampagne starten. Er ist zuversichtlich, die nötigen Mittel – auch mithilfe der Partner in den USA und Grossbritannien – zusammenzubekommen.

Internationale Berühmtheit erlangt hatte ein Nationalpark in Ecuador auf der anderen Seite der Anden, der Yasuni im Amazonas-Tiefland. Präsident Rafael Correa hatte vor acht Jahren vorgeschlagen, das Erdöl dort im Boden zu lassen, wenn Industriestaaten 3,6 Milliarden Dollar für einen UNO-Fonds als Ausgleichszahlungen sammeln würden. Das Geld kam aber nicht zusammen, und ab nächstem Jahr will Correa nun in dem Unesco-Weltnaturerbe Öl fördern lassen. Dies werde rücksichtslos geschehen, befürchtet Schneider. Sein Reservat sei um ein Vielfaches kleiner, doch es sei eben nur da zu machen, meint der Botaniker.

Während er uns in die Schatzkammer führt, die Sammlung ecuadorianischer Orchideen, wollen wir noch wissen: Was treibt ihn an? Warum opfert er seine ganze Freizeit einem Projekt im fernen Ecuador? «Als Dozent an der Uni Basel habe ich versucht, den Studierenden Naturschutz näherzubringen», antwortet er, «jetzt wollte ich noch etwas Praktisches machen.» Der Mensch habe eine grosse Verantwortung für die biologische Vielfalt, und diese sei bedroht. Da gelte es, dagegenzuhalten.

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Weitere Informationen zum Basler Schutzprojekt in Ecuador sowie weitere Bilder finden Sie auf der Website des Botanischen Gartens. 

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