Er sang mit Kurt Cobain und den Queens Of The Stone Age: Mark Lanegan. Am Freitag eröffnet der knorrige Amerikaner das Open Air Basel. Man darf gespannt sein auf seinen Auftritt.
Da, wo Mark Lanegan herkommt, liegt im Westen das Meer, im Norden Kanada, im Osten die Wüste, und im Süden findet man die Bäume, die den halben Staat bedecken, und darum nennt man Washington den immergrünen Staat. Und wo Bäume in die Höhe wachsen, werfen sie Schatten. Dort wandelt Lanegan, und aus dem Schatten singt dieser 50-jährige Barde der Gothic Americana schon sein Leben lang. 17 Jahre donnerte und klagte er als Sänger der Screaming Trees gegen Schmerz und Betäubung an, vor allem gegen seine eigene, die ihn, den langjährigen Heroin-Abhängigen, sein halbes Leben marterte. Die Screaming Trees hatten jener Rockmusik namens Grunge, die wie keine andere zuvor in die Seelen junger Männer schaute, viel zu geben und erhielten nur wenig Dank und Ruhm dafür.
Auf der Grunge-Welle ritten andere davon, allen voran Nirvana. Mit deren Sänger Kurt Cobain nahm Lanegan einst eine Platte auf oder zumindest ein Demo, gewidmet den Liedern des Sängers Leadbelly aus den frühen Tagen des Blues. Das Demo ist verschollen, dass sich die befreundeten Sänger 1989 ausgerechnet Leadbelly als Ikone aussuchten, wirft jedoch ein Licht voraus auf die späteren Karrieren. Cobain starb früh, für Lanegan sollte der Fundus der Americana immer grössere Bedeutung haben.
Gast bei den Queens Of The Stone Age
Nach dem Ende der Screaming Trees, deren eigenwilliger Mix aus grobem Rock, New Wave und dem Flair für Psychedelia nie vollends in einem Subgenre des Alternative Rock der Neunziger durchzustarten vermochte, verdingte sich Lanegan jahrelang als Handelsreisender seiner Stimme. Und hatte es Josh Homme, früher Tourmusiker bei den Screaming Trees und seither Dompteur der Queens Of The Stone Age, zu verdanken, dass er auch in dürren Jahren einen Brotjob hatte. Lanegan tauchte fünf Jahre lang sowohl im Studio wie auf der Bühne regelmässig bei den Queens Of The Stone Age auf, eine Phase, in der nicht nur seine Stimme weiter reifte und jenen starken tiefen Ausdruck fand, die sie noch heute edelt. Auch sein Name wurde dank dem Erfolg der Queens einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Eine Folge davon war das drei Alben dauernde Duett mit Isobel Campbell, der früheren Sängerin der schottischen Belle & Sebastian. Campbell schickte ihm aus Glasgow einfache, traurige Lieder, mit staubiger Perkussion und verhangenen Folkgitarren über den Ozean. Lanegans Stimme fegte über das trockene Beet wie der heisse, knisternde Scirocco über karge Erde.
Fiebriger Prophet
Die Zusammenarbeit mit Campbell schärfte das Profil Lanegans als Americana-Sänger, nicht nur dank der dürren Instrumentierung, die Raum liess für sein Geknurre und Gegrantle, sondern sie forderte den Sänger auch als Texter. Lanegan trat hier als Umhertreibender auf, der sich an der Welt und erst recht an den Frauen aufreibt, und näherte sich damit wie schon auf seinen Soloalben der mythenreichen Texttradition des Americana.
«Blues Funeral», 2012 sein erstes Soloalbum nach acht Jahren, glühte vor dunklen Halluzinationen, durch die dunkle Bässe und der spröde Bariton raunten, und Lanegan entpuppte sich hier ganz als fiebriger Prophet. Vom tiefen Fluss Jordan singt er mit reichlich Staub auf der Lunge, schwerer Regen fällt in seinen Texten, der Totengräber schaufelt, das «Muddy Water» des Mississippi, die mythenumrankte Naturgewalt der amerikanischen Landnahme, ist blutdurchtränkt und wird zum nassen Grab des Sängers. Und am Ende lauert das alttestamentarische Monster Leviathan in den tiefen Wassern.
Traditionstreu von Bibel und Tod handelte seine immer dunkler und kälter werdende Musik. Die auffälligste Neuerung, die Lanegan mit «Blues Funeral» seiner Musik zumutete, war ästhetischer Art: der Drumcomputer. Er habe begonnen, Songs am Keyboard zu schreiben, sagte er damals in Interviews, und habe zudem viel Kraftwerk gehört.
Drumparts aus der App
Nach Krautrock klingt sein Elektroblues noch nicht, aber auf jeden Fall nach einer Form von Americana, die sich auch Lanegans zweite Einflusssphäre einverleibt: der kühle New Wave und die Melancholie von New Romantic, die den Sound der frühen Achtziger prägten, deren Kind Lanegan ist. Wohin das führt, kann man auf «Phantom Radio», einer seiner aktuellsten Platten, nachhören: Die Drumparts schrieb er komplett mit der App «FunkBox» auf seinem iPhone und fügte Stück für Stück die Synthesizer-Spuren und erst danach die Gitarren hinzu.
Do-it-yourself mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts, ist man versucht zu sagen, und damit gedanklich nicht weit weg von der Handlungsmaxime von Punk und Grunge, mit billigsten Mitteln einen Sound zu schaffen. Die Stimme, die immer mehr nach einem Wiedergänger der späten Leonard Cohen und Johnny Cash klingt, reibt sich umso genussvoller an den simplen Beats. Blues, zu dem man tanzen kann – Lanegan machts möglich.
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Mark Lanegan Band live: Open Air Basel, Kasernenareal, Freitag, 14. August, 18.45 Uhr.
Das Festival-Programm, das Sandro Bernasconi mit Kasernen-Kompagnon Linus Munz zusammengestellt hat, vereint Coolness mit Kultfaktor: Mit Mark Lanegan und der deutschen Band The Notwist präsentiert das Open Air Basel heuer gleich zwei Klassiker der Indierockszene, die sich nie vom Mainstream vereinnahmen liessen und dafür bewundert werden. Sie garantieren Kultfaktor und treue Fangemeinden, was auf der Affiche mit Hipster-tauglicher Gegenwart kombiniert wird: Sohn etwa, das elektronisch fokussierte Projekt des britisch-österreichischen Musikers Christopher Taylor, hört sich im Studioformat sehr interessant an.
Wie er seine Tracks im Trio auf die Open-Air-Bühne überführen wird, darauf darf man gespannt sein. Gleiches gilt für Maribou State und Michael Kiwanuka (der Soulact im Programm ’15). Für eine gute Party sollen Little Dragon sorgen. Die Formation aus Schweden knüpft an die Tradition von Roisin Murphy (Moloko) an und kombiniert Elektropop mit expressivem weiblichem Gesang (Yukimi Nagano). Marc Krebs