Elias Buess vergisst gerne die Zeit. Sei es beim Feiern an einer Party – oder wenn er unter Volldampf in der Küche des Restaurants Feldberg schuftet, die der Mittzwanziger leitet.
Elias Buess ist eine Frohnatur. Der junge Koch nimmt uns im noch leeren Restaurant Feldberg herzlich in Empfang. Die ehemalige Quartierspelunke mit benachbartem Nachtclub wird seit zwei Jahren zwischengenutzt und ist seither ein Restaurant mit alternativem Flair, das mit der vielbesuchten Lady Bar verbunden ist.
Den Namen des Restaurants haben die Zwischennutzer der Feldberg Gastro GmbH belassen, wie er war. Auch am Interieur wurde nicht viel verändert: Urchige Holztische, matte, speckige Fenster, geziert mit dem Schriftzug «Feldberg», und ein massives, eher wenig zierliches Buffet. Ein paar wenige moderne Accessoires, etwa die nackten Glühbirnen, die über den Tischen tief von der Decke baumeln, sorgen für eine ansprechende Mischung aus Design und Tradition.
Unverhoffter Karrieresprung
Vor fünf Monaten wurde der 24-jährige Elias Buess Küchenchef des Restaurants. Nach seinem Lehrabschluss arbeitete er für kurze Zeit im «Ackermannshof». Als sich dieser auflöste, wurde er auf die frei werdende Stelle im «Feldberg» angesprochen. «Die Chance ist mir völlig unerwartet zugefallen», sagt Buess. Er habe sich damals nicht als Küchenchef gesehen. Nach dem Lehrabschluss hatte er eher bescheidene Ambitionen – er wollte ein paar Jahre arbeiten und dann auf eine längere Reise.
Doch dann wollte Buess die Stelle im «Feldberg» unbedingt. Selbst ein leidenschaftlicher Party- und Festivalgänger, habe ihn auch die Zusammenarbeit mit der Ladybar gelockt. «Heute kann ich meine Liebe für Musik und Partys umsetzen, indem ich selbst Anlässe organisiere.» Zum privaten Partyleben sagt er, er sei «etwas ruhiger geworden». Doch was heisst schon «ruhig» bei Elias Buess: Nach einem anstrengenden Abend direkt nach Hause, das kommt bei ihm selten vor. «Als Nachtmensch entspricht mir diese Mischung aus Bar und Restaurant sehr. Zudem kann ich mich hier mit meiner Essensphilosophie in der Küche völlig austoben.»
«Ich liebe es, wenn die Beiz voll ist, wenn wir stundenlang einfach arbeiten, ohne auf die Uhr zu schauen, und alles ausserhalb der Küche vergessen geht.»
Elias Buess hat die Steinerschule absolviert. Die letzten drei Jahre verbrachte er an der Bildungsinstitution «Schule und Beruf» im Gundeli. Dreimal pro Jahr besucht man dort ein vierwöchiges Praktikum. Buess war da jeweils im sozialen Bereich und in der Landwirtschaft tätig. Letzteres sowie sein familiärer und schulischer Hintergrund hätten seinen Umgang mit Lebensmitteln geprägt. Privat isst Buess kaum Fleisch. Als Küchenchef unterhält er seinen eigenen Kräutergarten. Er setzt auf eine kleine, regionale und saisonale Karte. «Dass ich wenig entsorgen muss, ist mir wichtiger als eine riesige Auswahl», sagt er.
Eine Küche mit einem dreiköpfigen Team zu leiten, bedeute natürlich viel Verantwortung für einen Mittzwanziger, meint Buess. «Allerdings kommt es mir gar nicht so vor, die Verantwortung belastet mich nicht. Als ich im Januar begann, war irgendwie alles total natürlich. Ich hatte wie jeder meine schlechten Tage, aber grundsätzlich musste ich mich nie zu irgendwas aufraffen oder zwingen.» Dies habe viel mit der Unterstützung aus dem Team zu tun. Man verstehe sich super. «Wir sind natürlich nicht zum Spass hier», sagt Buess. Sie erlebten auch Stressmomente und stünden unter dem ständigen Druck, wirtschaftlich zu rentieren. «Aber», fügt er an, «wir haben Spass.»
Starre Hierarchien kenne man in der Küche des «Feldbergs» nicht. Hier könne jeder seine Kreativität mit einbringen. Das «herrliche Couscous» etwa, das mal auf der Karte war, habe sein «tunesischer Tellerwäscher» zubereitet. Er sei seine rechte Hand seit der gemeinsamen Zeit im «Ackermannshof». «Wir sind zwei Adrenalinjunkies und lieben es, wie Maschinen zu arbeiten.» Was für andere nach enormem Stress klingt, ist Buess‘ Lebenselixier: «Ich liebe es, wenn die Beiz voll ist, wenn wir stundenlang einfach arbeiten, ohne auf die Uhr zu schauen, und alles ausserhalb der Küche vergessen geht.» Seine zweite Köchin sei eher der Ruhepol im Team. «Aber auch sie hat ein rasantes Tempo drauf, wenn es sein muss.»
Ein «frecher Siech» mit Charme
Der Kontakt zu den Gästen ist für Buess essenziell. Wenn immer möglich, erklärt er ihnen am Tisch das Menü persönlich. Dabei duzt er konsequent jeden. Das Du habe kaum je einen Gast gestört. Bloss drei ältere Damen, die wohl eher eine Schnippo-Bude erwartet hätten, seien erst etwas irritiert gewesen. Am Ende hätten sie aber als Letzte das Feldberg verlassen, nicht ohne sich in der Küche zu verabschieden, erzählt Buess: «Sie sagten, ich sei zwar ein ‹frecher Siech›, das Essen sei aber super gewesen – und der Abend habe sich fast so angefühlt, als seien sie bei mir im Wohnzimmer gesessen.» Es sei eines der schönsten Komplimente gewesen, das er als Koch erhalten habe.
Elias Buess gerät regelrecht ins Schwärmen, wenn er über sein Team, seine Arbeit, seine Küche und seine Gäste redet. Er lacht: «Mein Job und ich befinden uns wohl noch in der ersten, schweren Verliebtheitsphase.» Momentan kann er sich kaum vorstellen, dass seine Begeisterung irgendwann schwindet: «Das ‹Feldberg› ist einfach mein Ort.»
Angekommen für den Moment
Bisher war Buess eher sprunghaft unterwegs. Die dreijährige Lehre absolvierte er in drei Betrieben. Und auch im «Feldberg» war sein Vertrag zunächst auf kurze Zeit begrenzt, auf etwas mehr als ein Jahr. Bei seinem Stellenantritt rechnete man noch mit einem definitiven Ende der Zwischennutzung per März 2015. Ob er auch so viel Verantwortung übernommen hätte, wenn die Stelle nicht befristet gewesen wäre? Buess kann es nicht sagen. «Dass es nur für ein Jahr war, gab mir den Ansporn, meine ganze Energie da reinzustecken.»
Mittlerweile erhielten die Ladybar und das Feldberg jedoch grünes Licht bis März 2016. Der geplante Abriss verzögert sich. Buess kann sich gut vorstellen, bis dahin das Küchenteam zu leiten, obwohl er auch andere Interessen und Ideen verfolge. «Während der Lehre verspürte ich einen starken Drang, etwas mit Menschen zu machen, etwa Sozialarbeit. Momentan ist dieses Bedürfnis aber durch meinen ständigen Kontakt mit den Gästen gedeckt.» Und auch wenn ihn manchmal das Fernweh heimsuche – Buess hat seine «grosse Asienreise», die er unbedingt machen wolle, schon mehrmals aufgeschoben – sei ein Abflug oder Berufswechsel gerade recht unwahrscheinlich: «Dafür fühle ich mich viel zu wohl in dieser Stadt, in meinem beruflichen und sozialen Umfeld.»