Angst sollte sein Thema werden. Florian Handschin ahnte das schon früh. Zwölf Jahre war er alt, als ihm ein Nachbar eine Platte von System of a Down vorspielte. Alternative Metal, brachial, düster. Auf ihn wirkte es zunächst furchteinflössend. Gleichzeitig aber auch furchtbar anziehend.
Handschin lebte damals in den Bergen Colorados, zwei Stunden Autofahrt von Denver entfernt. Seine Eltern aus Basel hatten tatsächlich bei der jährlichen Greencard-Lotterie eine Aufenthaltsberechtigung gewonnen. Das verschlug die Handschins in die USA. Das, und die Hoffnung auf ein besseres Leben.
Gefangen in der Einsamkeit
Die verflog allerdings bald. Die Familie zerbrach, und Handschin fand sich in einer Welt wieder, die künstlich wirkte, und in der er sich doch täglich ganz real bewegen musste. «In der Kleinstadt, wo wir lebten, gab es sehr viele Migranten aus Zentralamerika, eine grosse Arbeiterschicht. Daneben bauten sich einige Reiche riesige Ferienanwesen. Die Unterschiede waren gewaltig.»
Die erste Primarklasse besuchte Handschin noch in der Schweiz, pünktlich zu seinem 7. Geburtstag fand der Umzug in die USA statt. Es machte ihm Mühe, Anschluss zu finden, Freunde hatte er drüben kaum. «Ich kam mit den anderen Kindern in der Schule nicht gut aus. Die Abneigung war gegenseitig, es war ein Elend. Ich hatte eine grosse Wut in mir.»
Halt fand Handschin in der Musik, seine Freizeit verbrachte er mit seiner Gitarre. Zunächst versuchte er sich an klassischem Rock, Led Zeppelin und so, dann die Begegnung mit System of a Down. Diese Aggression war ihm vertraut, machte ihm wohl genau deswegen Angst. «Ich sah in Metal eine Möglichkeit, mich aufzulehnen gegen all das, was mich fertigmachte. Meine Einsamkeit in der Fremde, diese Ausweglosigkeit.»
Mit der Musik kamen auch die Freunde. Handschin spielte in einer Schülerband erste kleinere Konzerte. Und auf einmal klopfte der lokale «Guitar God» an und lud ihn ein, mit seiner Band zu spielen.
Neue alte Heimat bei Punks und Hausbesetzern
Die Sache lief gut an, Handschin brach mit 17 Jahren die High School ab und jobbte in einem Pizzaladen. Bald lag ein Plattenvertrag eines Unterlabels von Universal auf dem Tisch. «Wer weiss, was daraus geworden wäre, wenn nicht der Schlagzeuger die Sängerin geschwängert und sich die Band deshalb aufgelöst hätte», erzählt er heute lachend.
Jedenfalls wurden damit Handschins Perspektiven in den USA definitiv zerschlagen. Ihn hielt nichts mehr dort. Seine Grosseltern bezahlten ihm das Flugticket in die Schweiz. Handschin war 18 Jahre alt, als er sich mit seiner Gitarre und einem einzigen Koffer auf die Reise machte.
Der Empfang in der alten Heimat war berauschend. In Basels alternativer Szene, bei den Hausbesetzern, Punks und Metalheads fand Handschin ein Plätzchen. «Hier fing der Spass an.» Er lernte andere Musiker kennen, spielte da und dort bei einzelnen Projekten mit, machte daneben aber vor allem sein Ding.
In Basel blieb Handschin vorerst ein musikalischer Einzelgänger. «Es ergab sich einfach nie, dass es mit jemandem so richtig gepasst hat.» Vielleicht lag das auch daran, dass Handschin musikalisch immer offen blieb. Metal blieb zwar eine Konstante, daneben interessierten ihn aber auch andere Stilrichtungen. Vorübergehend tauchte er sogar in die Goa- und Reggae-Szene ein.
Auf den Beat gekommen
Wenig anfangen konnte er hingegen mit Hip-Hop. Zum ersten Mal in Kontakt kam er mit dem Genre über seine ältere Schwester, damals noch in den USA. Die Schwester wohnte zusammen mit der Mutter in einer üblen Gegend in einer nahegelegenen Stadt. In der Nachbarschaft regierten Gangs. Den Gangsterrap, den Handschin dort hörte, fand er musikalisch uninteressant. Einzig in der Wut erkannte er sich.
Das änderte sich, als vor allem im Süden der USA düsterere Spielformen des Hip-Hop populär wurden. In New Orleans veröffentlichten die Suicideboys, zwei dürre, zutätowierte weisse Jungs, kurze, heftige Songs. Die wummernde Wucht von Heavy Metal traf auf die drogengeschwängerte Dringlichkeit modernen Raps. Als er die scheppernden Trapbeats hörte, machte es klick. Handschin wusste, dass er seinen Sound gefunden hatte.
Seit zwei Jahren bastelt Handschin nun an Beats herum, versucht Klänge zu erzeugen, die seinem Innenleben gerecht werden. Die diese traurige Wut akustisch übersetzen und trotz Schwermut spielerisch bleiben.
Das Ergebnis kommt an. Der Musikförderverein RFV Basel belohnte seine Arbeit an der Demotape-Clinic im vergangenen Jahr mit einem Coaching. Handschin will damit den Schritt aus seinem Einzelgängerdasein schaffen und unter dem Künstlernamen Indef zum ersten Mal Rap auf Albumlänge produzieren.
Im Labor der Dunkelheit
Doch Handschin wäre nicht sich selbst, wenn er trotz Anerkennung aus der Szene und Prämierung durch den RFV nicht an sich zweifeln würde. «Mit den Beats bin ich einigermassen zufrieden, aber was die Raptexte angeht, fehlt mir einfach noch die Erfahrung. Vielleicht werde ich irgendwann mal eine Message durch meine Musik rüberbringen, aber für den Moment sollen die Texte nicht zu ernst und pathetisch werden.»
Weil er um seine Schwächen weiss, würde Handschin gerne mit Gleichgesinnten zusammenarbeiten. «Das ist im Moment das, was mich weiterbringt.» Deshalb hat er zusammen mit vier Kumpels ein Studio aufgebaut.
Die schallisolierten Räume an der Hegenheimerstrasse sollen so etwas wie eine Keimzelle werden für eine ganz bestimmte Sound-Ästhetik. Ein Labor für düsteren, morbiden Rap, der knallt. So wie Indefs Erstling «Hungry», der Appetit macht auf mehr.