Der «Soul on Top»-Tanzmeister lüftet seinen Zylinder

Wegen eines Risses im Rücken machte Simon Eschbach den Spagat vom Skaten zum Breakdance – bis die Hüfte nicht mehr mitmachte. Er wechselte auf das Surfbrett und bleibt dem Tanz als Mitorganisator des Soul on Top B-Boy Battle erhalten.

(Bild: Nils Fisch)

Wegen eines Risses im Rücken machte Simon Eschbach den Spagat vom Skaten zum Breakdance – bis die Hüfte nicht mehr mitmachte. Er wechselte auf das Surfbrett und bleibt dem Tanz als Mitorganisator des Soul on Top B-Boy Battle erhalten.

Blickt er mit seinen hellblauen Augen unter dem Zylinder hervor, verströmt Simon Eschbach bubenhaften Charme. Obwohl bestimmt unheimlich schmerzhaft, klingt es darum nicht so schlimm, wenn er seinen Bruch mit der Skateboard-Karriere schildert, weil Staphylokokken zu einer Lendenwirbelfissur führten «und ich nicht einmal mehr laufen konnte».

Wieder auf den Beinen, begann Eschbach so richtig mit Breakdance. «Ein total cleverer Move», sagt der 27-Jährige heute lachend. Ein Skatekollege hatte ihm im besten Pickelalter den ersten Bodendreher gezeigt. Weitere Moves lernte er in einer Tanzschule in Gelterkinden. Doch einmal die Woche reichte Eschbach nicht. Er gründete mit Freunden die Circle Jesterz und baute eine Garage zum Crew-Lokal um, wo sie täglich während Stunden trainierten. Sie massen sich auch an Battles mit anderen, «aber wir waren nicht auf dem Toplevel, wo die Crew heute ist.»

Das plötzliche Ende

Eschbachs Breakdance-Karriere fand vor vier Jahren ihr Ende. Sein Herz schlug für die akrobatischen Figuren wie den Flare, bei dem der Tänzer wie ein Bodenturner, nur gestützt auf die Hände, seine Spreizbeine über den Boden schwingt. Der Hüfte waren das zu viele Schläge: Kalk lagerte sich im Gelenk ab. Eine OP musste ihn vor Arthrose oder anderen Folgen schützen. Er hätte von den verschleissanfälligen Powermoves auf andere Tanzvarianten wie den Six Step umstellen können, «aber ich bin weniger der feinsinnig Kreative. Ich will Action: rumspicken, fliegen und drehen.»

Immerhin war seine Lieblingsfigur nicht der Headspin. Lüftet er seinen Zylinder, sind da durchaus noch Haare drunter. «Die Kopfhaut hat schon auch gelitten, war dauernd entzündet. Da war abends nix mit gemütlich ins Kissen kuscheln.»

Doch nicht nur Schmerzen halten Eschbach vom Ruhen ab. «Bin ich für etwas motiviert, kann ich kaum schlafen, bis es steht.» So ging es ihm vor zehn Jahren auch mit dem «Soul on Top» Tanz-Battle. In der Schweiz gab es kaum Contests, und wenn, dann waren sie wenig professionell organisiert, mit fragwürdigen Jurys. Also motivierte Eschbach zwei befreundete Brüder und sie legten los.

Schon bei der zweiten Ausgabe platzte der damalige Veranstaltungsort im Gundeldingerfeld wegen des Zuschaueransturms aus allen Nähten. So klopfte Eschbach, knapp 18-jährig, bei der Kaserne an. Heuer findet der Contest dort zum 9. Mal statt. Der Battle ist gewachsen – 32 Crews mit 160 Tänzern messen sich am Sonntag.

Eschbach wurde älter, der Battle wuchs – 32 Crews mit 160 Tänzern messen sich inzwischen.


Auch das OK wurde grösser, der Do-it-yourself-Geist ist aber noch immer derselbe. Das heisst, Freunde und Familie leisten Fronarbeit. Bruder und Kunstfotograf Joel Vergeat etwa macht das Siegerbild. «Ja, eigentlich zahle ich mit meinem Clubbeitrag sogar noch, dass ich im Verein aktiv sein kann», scherzt Eschbach.

Und damit sie ausländischen Teams etwas an die Reisespesen zahlen können, gehen die B-Boys im Vorfeld Kuchen verkaufen. «Für Sponsoren sind wir zu wenig Sport, für viele Stiftungen zu wenig klassischer Tanz», konstatiert Eschbach – klagen ist nicht sein Ding. Durchziehen schon. Schon die Lehre als Automechaniker, «obwohl ich nicht mal ein Töffli hatte und diesen Weg nur wegen des Fernziels Rettungssanitäter einschlug». Damals war das eine Zweitausbildung. Alle rieten ihm, davor einen technischen Beruf zu wählen.


Auf dem Dreispitz bringt Eschbach die Skater und Tänzer zusammen – «in einem Hobbyraum für grosse Buben».

Das alles änderte sich noch vor Lehrabschluss. Eschbach zog diese «komplett falsche Ausbildung» trotzdem durch und schloss im Rang ab. Danach leistete er Zivildienst bei behinderten Kindern und merkte: «Arbeit kann richtig Spass machen.» Dank den Topnoten konnte er die Berufsmatur durchpauken und hat nun eben seine Bachelor-Arbeit in Sozialer Arbeit abgegeben – ein Jahr später als möglich.

Endlich mal Schlendrian?

«Nein, ich kann nichts schleifen lassen. Bevor es richtig in den Beruf geht, wollte ich noch mal ausgiebig surfen.» Das neuste Steckenpferd von Eschbach. Vom Skaten und Tanzen kann er übrigens noch immer nicht ganz lassen. «Für den Normalgebrauch hält der Körper schon. Einfach nicht siebenmal die Woche je drei Stunden.» Auf dem Dreispitz hat er deshalb eine Halle organisiert, je hälftig belegt mit seinen alten Skate- und Tanzfreunden, die heute alle in Basel wohnen. «Ich bin beiden Szenen sehr verbunden, und so kann ich alle in einem Hobbyraum für grosse Buben vereinen.»

Mit seiner Kombination an Talenten scheint die Karriere als Jugendhausleiter programmiert. Doch Eschbach verneint, «das liegt mir gar nicht.» Auch in die Behindertenbetreuung will er vorerst nicht zurück, da das meist Schichtschaffen bedeutet und seine Freundin mit ihrem Terminkalender beim Ballett Basel schon unregelmässige Arbeitszeiten hat.

Sie hat natürlich ein paar seiner Breakdance-Moves kennenlernen wollen. «Aber da hab ich sie gleich weitervermittelt. Ich bin kein Techniker. Sie hat ein viel feineres Tanzgefühl.» Gemeinsam tanzen sie nur Salsa. Dafür besuchte Eschbach mit einer Kollegin einen Kurs.

Zappelphilipp? Nö, das nicht

Er hat anscheinend einen breiten Musikgeschmack. Immerhin sieht man ihn im Ausgang oft an Gitarrenkonzerten oder den Rock-Partys seiner Skatertruppe. Jedoch: «Ehrlich gesagt hab ich keine grosse Musikaffinität.» So wählte er weder bei der Miniramp noch auf dem Tanzboden je die Musik. «Ich mag einfach Rhythmus und Melodien, zu denen ich mich bewegen kann.»

Beim ganzen Bewegungsdrang: Er wirkt nicht wie ein Zappelphilipp. Im Gegenteil, Eschbach scheint sehr tiefenentspannt. «Nun ist auch die Arbeit abgeschickt, ich freu mich auf ‹Soul on Top›, und dann habe ich viel Zeit, bis im Herbst das Ergebnis der Fachhochschule kommt.» Bei seinem Arbeitsethos kann er dem ruhig entgegenwarten. Und Sorgen braucht man sich um Eschbach eh keine zu machen. Stellen Verletzung oder Veränderungen die Weichen neu, ist er willig und wandlungsfähig genug.
_
Soul on Top IX
, Sonntag, 12. Juni, 13 Uhr, Kaserne Basel.

Nächster Artikel